In gleich mehreren Verbänden gehen Fussballerinnen auf die Barrikaden. Sie kämpfen für mehr Gerechtigkeit, für bessere Bedigungen - und sie haben Erfolg.

Tamara Keller
Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Tamara Keller (FRÜF) dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Feine dünne Buchstaben zieren das lila Shirt: "Enough is Enough" (Genug ist genug). So protestierte das kanadische Nationalteam am SheBelieves Cup am 16. Februar gegen den eigenen Verband. Die Spielerinnen wollten eigentlich das traditionelle Turnier bestreiken, am Ende traten sie doch an, aber eben mit einer Protestaktion für Lohngleichheit, wegen fehlender Unterstützung und gegen die zu enge Taktung im Trainingsplan für die bevorstehende Weltmeisterschaft – alles so organisiert von ihrem eigenen Verband. Am vergangenen Montag haben die Proteste der Spielerinnen nun Wirkung gezeigt: Der kanadische Fussballpräsident Nick Bontis ist zurückgetreten.

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Zwei Rücktritte bei zwei Verbänden

Es ist nicht der einzige Rücktritt diese Woche: Der französische Präsident Noël Le Graët folgte dem Beispiel von Bontis am Dienstag und legte sein Amt sofort nieder. Gegen den 81-Jährigen wird ermittelt wegen sexueller Belästigung – Le Graët bestreitet die Vorwürfe. Er soll auch Personen innerhalb des französischen Fussballverbands gemobbt haben.

Erst vergangene Woche hatten auch insgesamt vier Spielerinnen des französischen Nationalteams, angeführt von Teamkapitänin und Leistungsträgerin Wendie Renard, zu drastischen Massnahmen gegriffen: Sie alle erklärten ihren Rücktritt und das nur vier Monate vor der WM. In einem Statement teilte Renard mit: "Unter diesen Bedingungen kann ich die WM nicht spielen." Auch hier soll es um strukturelle Probleme innerhalb des Verbands gehen und um Probleme mit der Trainerin Corinne Diacre. Dass eine gestandene Spielerin wie Renard zu so drastischen Massnahmen greift, kann schon einen Eindruck davon geben, wie massiv die Missstände – zu denen sonst nichts Genaueres bekannt ist – sein müssen.

Tradition in der Geschichte vor allem seit Equal-Pay-Forderung

Der Streik oder die Arbeitsverweigerung ist kein seltenes Mittel mehr im Fussball der Frauen: Angefangen hat alles mit den USA, die sich ab 2016 in einem Streit mit ihrem eigenen Verband für Equal Pay befanden. Auch sie protestierten, mit Trikots, die sie mit der Innenseite nach aussen trugen, und gingen mit ihrem Kampf sogar vor Gericht.

In der Doku LFG (Abkürzung für "Let's fucking go") lässt sich ihr Kampf für gleichberechtigte Bezahlung gut verfolgen – seit 2022 ist der zähe Kampf Geschichte: Der neue Tarifvertrag garantiert den Spielerinnen die gleiche Bezahlung und die gleichen Boni. Der Kampf der USA-Spielerinnen ist einer der Meilensteine, die verändert haben, wie Sportlerinnen für ihre Rechte kämpfen und einstehen – und auch das ihnen zustehende Recht bekommen.

Eine wirksame Waffe

Bereits zu Beginn ihres Kampfs hatten die Spielerinnen der USA bereits deutlich gemacht, dass ihr Kampf nicht nur ein Kampf gegen den eigenen Verband sei, sondern auch ein Kampf für mehr Gleichberechtigung aller Sportlerinnen weltweit. Dazwischen kam die allgemeine #MeToo-Bewegung auf. Diese gesellschaftlichen Auswirkungen hinterlassen bis heute deutliche Spuren im Fussball der Frauen: Zwischenzeitlich bestreikte auch Ballon-d'Or-Gewinnerin 2018 Ada Hegerberg für mehr Gleichberechtigung ihr norwegisches Nationalteam und kehrte erst im vergangenen Jahr zur EM zurück.

Die Matildas (australisches Nationalteam) streikten 2015 für mehr Gehalt, das dänische Nationalteam 2017 als Vize-Europameisterinnen für den gleichen Grund. Hatten Spielerinnen früher noch Grund, ihrem Verband vor allem dankbar zu sein, überhaupt für die eigene Nation spielen zu dürfen, kennen sie heutzutage ihren eigenen Wert. Mitgewirkt haben da natürlich auch die Strukturen, die immer professioneller werden und es immer mehr Spielerinnen gibt, die wirklich vom Profisport leben können – auch wenn es längst nicht alle sind.

Vor Gericht für Bezahlung im Mutterschutz

Oftmals haben sogar die Vereine bessere Strukturen, als die Verbände ihren Nationalteams bieten können. Doch auch das ist nicht immer so: So musste sich Sara Björk Gunnarsdóttir im Januar vor Gericht ihr Gehalt während des Mutterschutzes bei Olympique Lyon erstreiten – der französische Klub hatte während ihrer Schwangerschaft einfach aufgehört, ihr Gehalt zu zahlen. Die Macht der Spielerinnen ist grösser geworden und das ist gut so.

Auch für die kommende WM wird es spannend

Doch die "Streikwaffe" funktioniert nicht immer: Seit September protestieren gerade 15 Spielerinnen des spanischen Nationalteams. Sie üben massive Kritik an dem Trainer Jorge Vilda. Gestandene Spielerinnen sollen wegen des vom Trainer ausgeübten Drucks unter Tränen das Training verlassen haben – einer von vielen Vorfällen, die es gegeben haben soll. Hier zeigt der Streik bisher keine Wirkung: Der spanische Verband sagt, wer nicht für die eigene Nation spielen möchte, der spiele eben nicht. Zum Cup of Nations reiste Vilda mit einem Team rund um Nachwuchsspielerinnen an. Berichterstattung gibt es mittlerweile in dem Fall weniger.

Wie es für das spanische Nationalteam für die WM weitergeht, ist unklar, auch die aktuell noch verletzte Fussballerin des Jahres Alexia Putellas zählt zu den Streikenden. Die zuletzt erfolgreichen Streiks zeigen, dass es sich für die spanischen Spielerinnen lohnen könnte standhaft zu bleiben. Und immerhin haben die Spanierinnen auch Unterstützung von einer Ikone: Megan Rapinoe sicherte ihnen via Instagram ihre Unterstützung zu. Und auch bei den Französinnen bleibt es spannend: Am 9. März soll dort eine Entscheidung fallen.

Verwendete Quellen:

  • spiegel.de: Wie die Frauenfussball-Nationalmannschaft der USA für gleichen Lohn kämpft
  • abc.net.au: Why Spain's best footballers missed the Cup of Nations and could boycott the 2023 Women's World Cup
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