Kleines Land, grosses Drama: In der Schweizer Super League wurden in dieser Fussball-Saison bereits mehr Trainer entlassen als es in der Liga überhaupt Vereine gibt. Damit hat die Schweiz den zweithöchsten Coach-Verschleiss in ganz Europa.

Mehr News zum Thema Fussball

Kein Trainer, der in der Schweiz an der Seitenlinie steht, scheint derzeit einen sicheren Job zu haben. Die Abnutzung der Machern ist hoch - so hoch, dass lediglich bei den Grasshoppers, St. Gallen und Lausanne noch die gleichen Coaches am Spielfeldrand stehen wie zu Beginn der Saison. Höchste Zeit, sich einen Überblick über das Chaos selbst und die aktuelle Lage im Besonderen zu verschaffen.

FC Luzern - nach drei Wechseln kam der Frieden

Den ersten Rauswurf der Saison musste FC-Luzern-Trainer Murat Yakin hinnehmen. Nach der 0:2-Niederlage gegen die Grasshoppers um August 2012 wurde er durch Ryszard Komornicki ersetzt. Für Yakin, der nur zwei Monate später beim Schweizer Rekordmeister FC Basel unter Vertrag genommen wurde, wahrlich sein Segen.

Weit mehr als für Komornicki, der den Trainerposten beim FCL im April 2013 nach dem 0:4 gegen Basel mit sofortiger Wirkung abgeben musste. Ex-Luzern-Profi Gerardo Seoane übernahm interimsweise als Coach - nur vier Tage später konnte Carlos Bernegger verpflichtet werden. Er hat einen Vertrag bis Juni 2015 unterschrieben und soll dem FC Luzern nach acht verlorenen Partien infolge wieder zu Punkten verhelfen. Bei Berneggers Trainer-Debüt gegen Lausanne haben die Luzerner bereits gesiegt.

FC Servette - Angst vor dem nächsten Trainerwechsel

Der portugiesische Ex-Nationalspieler João Alves trainierte den FC Servette seit Oktober 2009 - mit einer kleinen Unterbrechung von fünf Monaten. Im September 2012 wurde er nach einer 0:3-Panne gegen den FC Thun beim FC Servette geschasst und durch Sébastien Fournier ersetzt. Dieser bleibt dem Letztplatzierten der Super League vorerst als Trainer erhalten: Fournier hat seinen Vertrag, der im Juni diesen Jahres ausgelaufen wäre, verlängert - unabhängig davon, ob Servette Erstligist bleibt oder in die Challenge League absteigt.

FC Basel - unter Yakin zurück an die Spitze

Der Rausschmiss von Heiko Vogel beim FC Basel im Oktober 2012 kam für viele überraschend. War Vogel doch der Trainer, der sich mit dem FCB zum Zeitpunkt seiner Entlassung mitten in der Qualifikation der Champions League befand. Der Trainer, der nach Thorsten Finks Weggang interimsweise übernommen und dem Verein zum Double-Sieg verholfen hatte. Doch der Start in die jüngste Saison verlief für Basel so schwach wie lange nicht. Dies war sicherlich auch der Dreifachbelastung von Königsklasse, Super League und Schweizer Cup geschuldet, forderte aber ihren Tribut.

Ab dem 7. Spieltag kamen die Basler in drei Liga-Partien hintereinander nicht über ein Unentschieden hinaus - Vogel musste seine Koffer packen und ist seitdem vereinslos. Unter der Leitung von Ex-Luzerner und Alt Basel-Kicker Murat Yakin läuft der FCB nun wieder zur Hochform auf, was bis zu Yakins Vertragsende im Juni 2014 auch so bleiben könnte.

FC Sion - fünf Trainer in nur einer Saison

Absoluter Spitzenreiter beim Trainerverschleiss ist der FC Sion. Der Klub warf in dieser Saison insgesamt vier Trainer von der Bank. Ende Oktober vergangenen Jahres musste Michel Decastel nach knapp zwei Monaten seinen Platz für Pierre-André Schürmann räumen. Decastel war bereits der vierte Coach in 2012 und trainiert nun den FC Sion II.

Doch auch Schürmann konnte sich nicht lange halten: Nach zwei weiteren Monaten und einer 1:3-Pleite gegen die Young Boys Bern war für den inzwischen Vereinslosen Schluss in Sion. Für die Rückrunde wollte Sion-Präsident Christian Constantin jemanden, der vor Spielen nicht so "aufgewühlt und nervös" wird.

Ex-Xamax-Trainer Victor Muñoz trat die Nachfolge an und sollte die Walliser aus dem Liga-Keller holen. Ein Vorhaben, das nach der 0:4-Niederlage in Thun am 21. Spieltag ebenfalls zum Scheitern verurteilt war. Ende Februar übernahm interimsweise Luigi Riccio den Dienst beim FC Sion, gab die Trainerbank dann einen Monat später nach Drängen des Schweizerischen Fussballverbands auf einen "festen" Coach an Arno Rossini ab. Dieser hat einen Vertrag bis Juni 2014 unterschrieben - ob er sich nach dem Aus des Vereins im Halbfinal des Schweizer Cup allerdings länger im Amt halten kann als seine Vorgänger bleibt abzuwarten.

In diesem ganzen Wirrwarr fiel und fällt immer wieder der Name Gennaro Gattuso. Der ehemalige italienische Weltmeister kam im vergangenen Sommer als Spieler nach Sion, langweilte sich auf diesem Posten aber schon bald und strebte deshalb das Trainerdasein an. Hierfür fehlt ihm allerdings bis heute die nötige Uefa-Pro-Lizenz. Bis er diese hat, mimt er bei Sion bereits den Spielertrainer unter der offiziellen Aufsicht von Rossini und - inzwischen Vize - Riccio.

Mit dem Trainerchaos in der Saison schlägt der Skandalklub FC Sion seinen eigenen Rekord im Coach-Wechseln. Bisher lag dieser bei insgesamt neun Wechseln innert vier Jahren, was angesichts der vergangenen Monate zwar kein Trost ist, aber zeigt, dass es immer noch schlimmer geht.

FC Thun - ein Interimstrainer für die Ewigkeit

Nach 508 Tagen im Amt wechselte FC-Thun-Coach Bernard Challandes nach einer deutlichen 0:3-Niederlage gegen den FC Lausanne zu den Young Boys Bern. Im November 2012 übernahm interimsweise Mauro Lustrinelli, für dessen absehbare Trainerzeit es aktuell allerdings kein absehbares Ende gibt.

BSC Young Boys - Challandes soll's richten

Bernard Challandes hat sich als Trainer des BSC Young Boys gut eingelebt. Seine Aufgabe: Die Berner aus der unten Tabellenhälfte auf eine prominentere Stelle in der Super League bringen. Seit April widmet er sich diesem Vorhaben, nachdem Martin Rueda - derzeit arbeitslos - die Stelle des Coach im April 2013 leider räumen musste. Grund dafür dürfte gewesen sein, dass die YB in dieser Saison unter der Leitung von Rueda von bisher 26 Spielen nur sieben für sich entscheiden konnten.

FC Zürich - einmal Urs Meier, immer Urs Meier

Urs Meier hatte im November 2012 interimsweise die Trainerstelle von Rolf Fringer beim FC Zürich übernommen. Aus der Übergangslösung wurde für Meier im Januar diesen Jahres der Cheftrainer-Posten, erlöste sich also quasi selbst ab. Doch die erste Prüfung seiner Amtszeit hat er nicht bestanden: Er hätte den FCZ durch das Derby gegen die Grasshoppers in den Cup-Final bringen sollen und ist gescheitert.

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.