• Die frühere Abwehrspielerin Tabea Kemme, die 2016 olympisches Gold gewann, spricht im Interview mit unserer Redaktion über die deutschen Chancen in der Champions League und die Tricksereien englischer Klubs.
  • Zudem äussert sich die 31-Jährige zu einem Wortgefecht mit Leipzigs Trainer Marco Rose.
  • Kemme ist seit dem Jahr 2022 Teil des Expert:innen-Teams von Prime Video.
Ein Interview

Tabea Kemme hat sich nach dem Ende ihrer aktiven Laufbahn einen exzellenten Ruf als TV-Expertin erworben. Dies stellte sie zuletzt auch im Rahmen der WM-Übertragungen bei MagentaTV an der Seite Michael Ballacks unter Beweis. Im Interview mit unserer Redaktion spricht sie wie gewohnt Klartext.

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Tabea Kemme, Dortmunds Gegner Chelsea hat seit dem Sommer 611 Millionen Euro in neue Spieler investiert. Trotzdem läuft es nicht wirklich rund. Denken Sie, der BVB kann Chelsea rauswerfen?

Tabea Kemme: Auf jeden Fall! Diese Summen sind eine schöne Bestätigung, dass Geld alleine nicht die Ursache für die Leistung auf dem Platz ist. Da gehören noch ganz, ganz viele andere Facetten dazu. Chelsea spielt in der Premier League nicht berauschend und steht auf Platz zehn. Das haben sie sich definitiv anders vorgestellt. Wenn die Performance bei den Dortmundern ganzheitlich stimmt, ist auf jeden Fall die Chance da, dass der BVB Chelsea raushaut.

Die Probleme Chelseas scheinen auch im Zusammenhang mit der Entlassung von Trainer Thomas Tuchel zu stehen, der im September 2022 gehen musste, obwohl er im Vorjahr mit der Mannschaft die Champions League gewonnen hatte…

Das war krass. Aber wir sehen das ja auch in Deutschland. Ich weiss aus meiner eigenen Erfahrung, dass man etwa eineinhalb Jahre braucht, bis eine gewisse Vertrautheit und Interaktion mit einer Trainerin oder einem Trainer gegeben ist. Das schafft man im Männerfussball ja gar nicht mehr. Manchmal habe ich das Gefühl, dass solche Entlassungen eher eine Marketingposition sind. Dass es gar nicht mehr um das Sachliche, Inhaltliche geht. Was traurig ist.

Chelsea hat ordentlich getrickst, um das Financial Fairplay zu umgehen. Kann man überhaupt noch von einem fairen Wettkampf sprechen?

Ehrlich gesagt: Nein. Da muss man so ehrlich drüber sprechen. Es stehen ja auch Sanktionen im Raum, bei Manchester City genauso. Ich wünsche mir ein konsequentes Durchgreifen und Sanktionen. So etwas darf nicht passieren. Das ist das grösste Problem im Fussball der Männer. In Deutschland haben wir ja auch Beispiele, wo die 50+1-Regel ein bisschen umgangen wird. Da braucht es eine einheitliche Regel, an die sich alle halten.

Der BVB hat zuletzt sechs Pflichtspiele gewonnen. Was macht die Borussia derzeit wieder so stark?

Es ist die Eingespieltheit. Die Borussia hatte das Problem, dass sie nicht einheitlich gespielt haben. Es gab ein defensives Leck, weshalb sie immer wieder in Rückstand geraten sind. Dann waren sie in diesem Teufelskreis drin. Jetzt wirken sie wie eine Einheit, von der gestärkten Defensive bis nach vorne. In der Offensive haben sie mit Karim Adeyemi und Jude Bellingham in der Mitte ein absolutes Powerplay. Grundsätzlich merkt man einfach, dass die Arbeit von Trainer Edin Terzic fruchtet und kontinuierlich die Leistung steht. Die Mannschaft belohnt sich dafür mit Toren.

Am kommenden Dienstag empfängt der SSC Neapel Eintracht Frankfurt. Neapel führt die Serie A souverän an. Ist die Mannschaft für Sie ein Favorit auf den Gewinn der Champions League?

Ich würde nicht sagen, dass sie Topfavorit sind. Aber einer der Favoriten. Sie haben eine glanzvolle Zeit in der Liga, sie bringen kontinuierlich Leistung und stehen nach 22 Spieltagen mit 19 Siegen ganz oben. Das ist natürlich genial. Aber K.o.-Spiele auf internationalem Niveau sind noch mal eine andere Hausnummer.

Eintracht Frankfurt ist in diesen Spielen sicherlich Aussenseiter. Wie kann die Eintracht Neapel schlagen?

Ich weiss, dass sie immer eine Top-Analyse des Gegners haben und sich auf diesen einstellen können. Sie müssen ihre Offensive ausspielen lassen. Was sich in Frankfurt entwickelt hat – und damit meine ich nicht nur die Mannschaft, sondern auch die Community drumherum – ist bemerkenswert. Wenn die Eintracht weiter fliegt und eine ganzheitliche Mannschaftsperformance an den Tag legt, sehe ich eine grosse Chance. Dann können sie auch in der Champions League sehr weit kommen.

Der Traum des FC Bayern lebt: Coman trifft gegen PSG-Superstars

Ausgangsposition für den Einzug ins Viertelfinale geschaffen und das Achtelfinal-Hinspiel beim Starensemble von Paris St. Germain mit 1:0 (0:0) gewonnen. Gefeierter Held war wie schon beim Titelgewinn 2020 Kingsley Coman. Die beiden PSG-Superstars Neymar und Weltmeister Lionel Messi blieben über weite Strecken blass, erst mit der Einwechslung von Torjäger Kylian Mbappe strahlte Paris Gefahr aus. Doch die Bayern hatten Torwart Yann Sommer - und auch Glück, dass ein Treffer von Mbappe wegen Abseits zurückgenommen wurde.

Mit Randal Kolo Muani hat Frankfurt aktuell einen der spannendsten Spieler der Bundesliga im Team. Sehen Sie in ihm einen kommenden Weltklassespieler?

Die Grundlagen sind auf jeden Fall gegeben. Er zeigt bei der Eintracht gerade eine herausragende Perfomance. Kolo Muani ist im Dezember 24 Jahre alt geworden, bis zum Alter von 27 Jahren machen Spieler oft noch mal einen enormen Entwicklungsschritt. Wenn er diesen Schritt geht und unverletzt bleibt, wird er vermutlich nicht mehr lange in Frankfurt bleiben und super Angebote bekommen.

Ihr Prime-Video-Kollege Matthias Sammer hat vor der Saison gesagt, dass die Frankfurter den Spagat zwischen dem Alltag in der Bundesliga und den internationalen Spielen besser hinbekommen müssen, um eine echte Spitzenmannschaft zu werden. Sehen Sie es ähnlich?

Da kann ich Matthias Sammer nur zustimmen. Die Bundesliga ist enorm wichtig, um sich für die kommende Saison erneut für die Champions League zu qualifizieren und kontinuierlich international auf Top-Niveau zu sein. Die Belastungsintensität mit der Champions-League-K.o.-Phase ist enorm; dabei die Bundesliga nicht ausser Acht zu lassen, ist eine Herausforderung. Ich bin sehr gespannt, wie sie das tragen können.

Ein sehr schweres Los hat RB Leipzig mit Manchester City gezogen. Wie sehen Sie die Chancen für die Leipziger?

Zuletzt in der Bundesliga gegen Union Berlin ist es Leipzig nicht gelungen, die drei Punkte einzufahren, als es darauf ankam. Auch die Art und Weise des Spiels hat noch mal gezeigt, dass sie nicht immer die Qualität haben, gegen einen harten Gegner fussballerisch wirklich konsequent zu spielen. Auch in der Kombination mit dem Trainer hatten sie nicht die Ruhe, die richtigen Entscheidungen in entscheidenden Situationen zu treffen. Ein internationaler Gegner wie Manchester City, der mitspielt, sehe ich als sehr harten Brocken für Leipzig.

Leipzig-Trainer Marco Rose hat nach dem Union-Spiel auf eine Ihrer Fragen nach seiner Kritik an einer Schiedsrichterentscheidung gereizt reagiert, es kam zu einem Wortgefecht. Konnten Sie das mittlerweile ausräumen oder ist so etwas nach einem emotionalen Spiel einfach vergessen?

Ich habe es komplett vergessen. Aber das ist das, was ich immer wieder stark kritisiere. Wir haben kein Verständnis mehr für Entscheidungen, die von den Schiedsrichtern auf dem Platz getroffen werden. Da haben wir ein ganz grosses Problem, nach meinem Erachten ein Problem mit dem Mindset. Die Schiedsrichterin, der Schiedsrichter sind der Lead des Games, sie setzen die Regeln um. Sie machen die Regeln nicht, sie übertragen sie auf das Spiel. Das kommt aber nicht an. Da müssen wir klare Grenzen setzen. Deshalb fordere ich, dass es in solchen Situationen zu Platzverweisen kommt, egal ob bei Staff oder Player. Anders wird es keinen Lerneffekt geben.

Auch Marco Rose wird es sonst nicht lernen. Er hat schon drei Gelbe Karten bekommen und infrage gestellt, ob es wirklich nötig sei, dass es nach der vierten Gelben Karte Konsequenzen gibt. Ich musste da einfach eine Grenze setzen. Der Fokus der Emotionen darf nicht auf Dinge gelegt werden, auf die ich keinen Einfluss habe. Ich habe nur Einfluss auf meine eigene Leistung und die der Mannschaft. Da sollte der Fokus sein.

Generell haben Sie sich in kurzer Zeit einen Ruf als Expertin mit klarer Kante und klaren Worten erarbeitet. Worauf kommt es für Sie in dem Job an?

Ehrlichkeit. Nicht das zu sagen, was vielleicht gut ankommt. Sondern meine eigene Erfahrung und Expertise aus Spielerinnensicht zu platzieren. Es gibt im Fussball oftmals zwei Seiten. Die Spieler:innen auf der einen und die Funktionärsebene auf der anderen. Und das bekommen wir nicht mehr zusammen. Wenn wir in diesem System Fussball spielen, wird die Meinung oft nicht gern gehört. Wir haben ein System geschaffen, in dem das Wort einzelner Spielerinnen und Spieler nicht mehr viel gilt. Siehe das Beispiel Neuer und Co.. Jetzt als Expertin habe ich den Raum, ganz klar und konsequent Kritik zu üben.

Zurück zur Königsklasse. Leipzigs Gegner Manchester City jagt den Champions-League-Titel seit Jahren mit grossem Aufwand. Kann es dieses Jahr klappen?

Auf jeden Fall. Allerdings muss sich zeigen, welche Auswirkungen die drohenden Sanktionen wegen der Verstösse gegen das Financial Fairplay haben werden. Ich weiss nicht, wie da die Timeline ist und was wirklich konsequent umgesetzt wird. Ich weiss auch nicht, wie viel die Spieler davon mitbekommen oder ob das von ihnen ferngehalten wird. Ich bin gespannt, ob sich das auf ihren Fussball auswirken wird oder ob sich dieses Thema ausklammern lässt, um dann ganz vielleicht mal endlich diesen Champions-League-Titel zu gewinnen.

Erling Haaland hat auch in England eine enorme Trefferquote. Hätten Sie damit gerechnet, dass der Wechsel in die Premier League für ihn so problemlos verläuft?

Er ist ein Spieler, der eine klare Einstellung zu diesem Spiel, zu der harten Arbeit hat. Er will immer besser werden. Wenn er zweimal trifft und drei Chancen auslässt, sagt er sich: Ich muss noch mehr trainieren. Er hat diesen Fokus, deshalb überrascht es mich nicht. Man muss auch ganz klar sagen, dass er ein Top-Athlet ist und in diesem Bereich nichts auslässt. Alle Fussballer sind Athleten, aber nicht alle sind Top-Athleten. Er ist ein Spieler, der sein komplettes Potenzial nutzt.

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Auch in der Champions League der Frauen stehen im März die Viertelfinals an. Können der VfL Wolfsburg oder der FC Bayern München den Titel mal wieder nach Deutschland holen?

Auf jeden Fall! Bayerns Gegner Arsenal ist gerade so ein bisschen am strugglen, mit den Kreuzbandrissen von Vivianne Miedema und Beth Mead. Da bin ich sehr gespannt. Bayern ist letztes Jahr gegen PSG rausgeflogen, jetzt gilt es den nächsten Schritt zu machen und sich den Status als internationaler Titelfavorit zu erarbeiten. Beide sind Top-Mannschaften, die Chancen sind auf jeden Fall da.

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