Marcus Wiebusch, bekannt als der Sänger der deutschen Band Kettcar, hat den vielleicht wichtigsten Song des Jahres 2014 geschrieben. In "Der Tag wird kommen" geht es um einen homosexuellen Fussballspieler, der eine Lüge leben muss um in der noch immer klischeebeladenen Welt des Fussballs seine Karriere nicht zu gefährden. Bei uns spricht Wiebusch über das Problem der Homophobie im Fussball und warum er die Hoffnung hat, dass sich tatsächlich bald etwas ändert.

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Seit 25 Jahren geht Marcus Wiebusch schon ins Stadion. Sein Verein ist der FC St. Pauli. Am Millerntor kommt er mit einem Sport-Journalisten ins Gespräch. Sie reden über das Thema Homosexualität im Fussball. Der Journalist erzählt ihm vom Versteckspiel homosexueller Fussballer, vom "Höllenleben", wie es Wiebusch selbst im Interview mit "Kreiszeitung.de" bezeichnet, das sie führen müssen. Das Thema lässt den Musiker nicht mehr los. Er recherchiert und schreibt schliesslich den Song "Der Tag wird kommen". Von Ex-Pauli-Präsident Corny Littmann lässt er den Text absegnen. Herausgekommen ist ein eindringlicher Song über das Leiden eines homosexuellen Fussballers, der durch das hervorragende 7-minütige Video von den Regisseuren Dennis Dirksen und Björn Lingner noch intensiver wirkt, als das die blossen Liedzeilen ohnehin schon tun.

Sie haben Ihren Song bereits vor dem Coming-out von Thomas Hitzlsperger geschrieben. Haben Sie seitdem einen Stimmungsumschwung im Fussball bemerkt oder anders gefragt: Würden Sie den Song noch einmal genau so schreiben?

Marcus Wiebusch: Ja, das würde ich. Genauso. Der Song an sich hat mit dem Hitzlsperger-Coming-Out eigentlich nicht so viel zu tun, ausser dass es natürlich um einen schwulen Fussballprofi geht. Aber das alles Entscheidende ist, dass es in meinem Song um diesen unfassbaren Zustand geht, dass sich kein aktiver Fussballer traut, sich zu outen.

Das Coming-Out von Hitzlsperger war sehr gut und sehr wichtig, weil es ein für alle Mal klargestellt hat, dass es homosexuelle Fussballer gibt. Auch das wurde ja lange bestritten.

Sie gehen mit homophoben Fussball-Fans sehr hart ins Gericht. Unter anderem sprechen Sie von den "Dümmsten der Dummen". Eine Zeile, die sogar wiederholt wird.

Ich kann bei Homophobie keine wie auch immer gearteten Graustufen erkennen. Homophobie ist für mich die nackte, rohe Dummheit. Ich habe noch kein Argument gehört, das angefangen hat mit "Ich bin homophob, weil ... " und dann kam nicht irgendwas restlos Dummes. Die Sexualität eines Menschen geht niemanden etwas an. Wie kommen manche Menschen dazu andere Menschen aufgrund ihrer Sexualität zu beurteilen und dann zu verurteilen ?

Ihnen wird vorgeworfen, dass Sie, indem Sie Hass anprangern im gleichen Zug zu Hass aufrufen. Wie gehen Sie mit dieser Kritik um?

Das ignoriere ich. Weil es ja auch nicht stimmt. Denn der alles entscheidende Punkt ist doch der: Nur weil ich Homophobie nicht dulde, trete ich dennoch im Song wie im Leben im gleichen Masse für Gleichheit, Freiheit und natürlich auch die Liebe ein.

Die Problematik der Homophobie ist - genau wie Rassismus - kein Kindergeburtstag sondern ein Kampf. Denn es wird immer Homophobe geben und es wird immer Rassisten geben. Und immerhin haben wir es schon geschafft - um einmal im Fussballkontext zu bleiben - den Rassismus weitgehend aus den Stadien zu kriegen. Ich habe es in den 1990ern noch erlebt, dass schwarze Spieler mit Bananen beworfen und von Affenlauten begleitet wurden und ich habe mich damals sehr geschämt. Wenn ich heute zum Fussball gehe, ist das nicht mehr so. Das ist ein Kampf, der gewonnen wurde.

Im Song gibt es die hoffnungsvolle Stimme: "Wir sind auf dem Weg, Aussenminister, Popstars, Rugby-Spieler zeigen, dass es geht. Früher undenkbar, heute normal, ich wette 90% ist es egal" – Und die negative Stimme des Fussballers, der glaubt, bei einem Outing seinen Vertrag zu verlieren – Welche Stimme ist für Sie momentan lauter? Welche wiegt schwerer?

Das ist schwer zu beantworten. Denn die Realität zeigt natürlich, dass sich einfach kein Spieler traut. Sie müssen dauerhaft ein Versteckspiel spielen, in all seinen Begleiterscheinungen. Das kann einfach nicht spurlos an einem Menschen vorübergehen. Bei ihren erfolgreichen Coming-Outs haben Ricky Martin, Guido Westerwelle, der Rugby-Spieler Gareth Thomas oder auch der American-Football-Profi Michael Sam alle dasselbe gesagt: Ihr Leben hat neu begonnen. Da sieht man: Das ist ein solcher Druck für diese Menschen und das kann nicht gut sein. Und um diesen Zustand vor dem Coming-Out kreist der ganze Song. Meine Aufgabe war es also, eine fiktive Geschichte zu erzählen, von der ich überzeugt bin, dass sie so heute stattfinden könnte.

Was wünschen Sie sich von Medien im Bezug auf die Berichterstattung über Homosexualität im Fussball?

Ich glaube, die Medien machen das schon alles ganz gut. Sie haben bei Hitzlsperger sehr positiv reagiert. Die Medien sind in der Gleichung gar nicht mehr der grosse Faktor. Der grosse Faktor spielt sich auf Berater- und Funktionärsebene ab und besonders natürlich bei den - ich nenn das immer - den "Tieren in der Kurve". Die Leute im Stadion also, die sich einen Spieler aussuchen und ihn fertigmachen. Aber ich glaube, das lässt sich in den Griff kriegen. Ich sehe in letzter Zeit immer mehr Bausteine, die mich hoffen lassen, dass sich dieser Zustand bald ändern wird, dass wir im Wandel sind.

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