"Unfair" und "brutal": Eine ganze Liga weigert sich, gegen die Fussballer des BV Altenessen II anzutreten - und macht die umstrittene Mannschaft so zum Meister der Kreisliga. Dennoch ist der Boykott wichtig. Denn er setzt ein deutliches Zeichen gegen Gewalt im Amateurfussball.

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Kreisligafussball - den Begriff umweht stets ein Hauch von Romantik. Man denkt an Ascheplätze; an Torhüter mit Rettungsringen um die Hüften; an Spieler, die nicht sofort nach jedem Foul nach dem Sanitäter rufen. In der Kreisliga geht es noch ehrlich zu. Ehrliche Fussballer, ehrliche Zuschauer, abseits des ganzen verdorbenen Profifussballgeschäfts.

Doch die Fassade bröckelt. Erst vor wenigen Wochen strahlte die ARD die Dokumentation "Tatort Kreisklasse - Wenn der Schiri zum Freiwild wird" aus. Darin erzählen Kreisligaschiedsrichter von ihren Erfahrungen. Von Prügeleien auf dem Spielfeld, Beschimpfungen, Drohungen.

Das Phänomen zieht sich durch alle Altersklassen. Ob Jugendliche oder Erwachsene - die Hemmschwelle zur Gewalt im Fussball ist oft niedrig. Und nicht nur Schiedsrichter sind Zielscheiben der Gewalt. Spieler gehen auch auf Gegenspieler los. Oftmals mischen sogar Zuschauer mit.

Niemand will gegen den BVA spielen

Die Mannschaft des Kreisligisten BV Altenessen II ist das traurige Aushängeschild für die Gewalt auf deutschen Fussballplätzen, denn keiner will mehr gegen die Amateurmannschaft spielen. Seit zwei Monaten boykottieren alle anderen Teams der Liga die Partien gegen den BVA. Die anderen Klubs werfen den Altenessenern vor, von ihnen auf und abseits des Feldes beleidigt, beschimpft oder bedroht worden zu sein, erklärt der Vorsitzende des Fussballkreises Essen Nord/West, Thorsten Flügel.

Im März war das angespannte Verhältnis der Vereine eskaliert. Ein BVA-Spieler war nach einer Attacke auf einen Schiedsrichter lebenslang gesperrt worden. Er hatte den Unparteiischen, nachdem der ihn mit Gelb-Rot vom Platz stellen wollte, zu Boden geworfen und auf ihn eingeschlagen.

Drei lebenslange Sperren und einen 18-monatigen Ausschluss haben sich die Altenessener in der laufenden Saison bereits eingehandelt. Zuletzt musste die Essener Polizei einschreiten, als sich Fussballer und Zuschauer bei einer Kreisliga-C-Partie prügelten. "Es fällt schon auf, dass die Brutalität bei Fussballspielen extrem geworden ist", sagte ein Polizeisprecher. In dieser Intensität habe es dies noch nicht gegeben, meint auch Flügel - genauso wenig wie einen Liga-Boykott in Essen.

"Unfaires und brutales Verhalten"

Der Wettkampf sei zuletzt mehrfach durch "unfaires, sogar brutales Verhalten einzelner Spieler, Zuschauer sowie Offizieller gestört worden", begründeten die Klubs in ihrem Schreiben den Boykott. "Der Fussball ist für uns alle ein Hobby, das Spass machen soll. Dieser Spass ist aktuell leider nicht mehr im Vordergrund. Gewalt auf und neben dem Fussballplatz lässt es nicht zu, Fussball zu spielen."

Der Boykott ist damit ein wichtiges Zeichen gegen die Gewalt im Amateurfussball. Es gibt jedoch auch eine Schattenseite. Denn Woche für Woche bekommt Altenessen automatisch drei Punkte gutgeschrieben - so sehen es die Fussball-Regularien vor. Damit steht auch fest: Der BVA wird Meister in seiner Liga und darf sich über den Aufstieg freuen. Eine grosse Meisterschaftsfeier plane der Verein jedoch nicht, sagt der sportliche Leiter Walter Minewitsch. "Wir sind zwiegespalten. Aber andererseits lehnt man einen Aufstieg auch nicht ab."

(Mit Material der dpa)

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