Die U23 des FC Bayern ist Drittliga-Meister. Mit vielen herausragenden Talenten liess der Aufsteiger namhafte Gegner hinter sich. Die Hoffnung auf einen Bundesligaspieler aus den eigenen Reihen ist gross beim deutschen Rekordmeister - der Weg zu den Profis aber lang und steinig.

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In der dritthöchsten deutschen Spielklasse ist der FC Bayern bislang erst ein einziges Mal Meister geworden: 2004 triumphierten die Münchener in der damaligen Regionalliga Süd, waren aber selbstredend nicht aufstiegsberechtigt für die zweite Bundesliga.

Mit der Einführung der dritten Liga vor zwölf Jahren haben sich Status, Gleichgewicht und die Besetzung der Regionalligen in Deutschland kräftig verschoben. In Bayerns Meister-Saison spielten noch insgesamt neun zweite Mannschaften von Profi-Klubs in den beiden Regionalligen, also auf höchster Stufe unterhalb des "offiziellen" Profi-Fussballs.

In der aktuellen dritten Liga sind die Bayern als U-23-Truppe eines Bundesligisten ganz alleine unterwegs.

Rasante Entwicklung der U23 des FC Bayern

Umso höher ist die Entwicklung dieser Mannschaft in den vergangenen Wochen und Monaten zu bewerten. In einer Liga mit zahlreichen ehemaligen Bundesligaprofis in den Kadern der Konkurrenz, von Sascha Mölders über Timo Gebhart bis Maximilian Beister, drängelten sich die Bayern immer weiter nach oben.

Im Winter waren die Bayern noch ein Kellerkind, nach 20 Spieltagen betrug der Vorsprung auf den ersten Abstiegsplatz lediglich drei Punkte. Nach einem Lauf mit neun Siegen aus elf Spielen und 25:8 Toren arbeitete sich die Ausbildungsmannschaft des Rekordmeisters von Rang 15 auf Rang zwei nach oben - und schliesslich sogar an den Platz der Sonne.

Dabei profitieren die Bayern aber auch von einer extrem engen, ausgeglichenen Liga. Acht Spieltage vor Schluss hatten noch zehn Mannschaften realistische Chancen auf einen der ersten drei Plätze.

Die dritte Liga gilt für das Gros der teilnehmenden Mannschaften als eine Art Todesliga. Zwar gibt es schon recht veritable TV-Einnahmen, vom Niveau der zweiten oder sogar ersten Liga sind die Zahlen aber gefühlte Lichtjahre entfernt. Ganz im Gegensatz zur Ausgabenseite.

Ambitionierte Teams, das dürften rund zwei Drittel sein, wollen zurück in den sogenannten bezahlten Fussball und gehen entsprechend riskant in Vorleistung. Zumeist sind es Zwei-, maximal Dreijahrespläne, dann muss es mit dem Aufstieg klappen.

Wird dieser Sprung verpasst, droht ein dauerhafter Verbleib oder in sehr kritischen Fällen auch die Insolvenz. Dem FC Bayern kann das nicht passieren.

Alaba war der Letzte

Für die Ausbildung der Spieler des Rekordmeisters ist die dritte Liga aus rein sportlichen Gesichtspunkten eine perfekte Spielklasse: Deutlich gehobener als die Regionalliga Süd und doch noch nicht so stark wie die zweite Liga. Ohne den finanziellen Druck und Überlebenskampf können sich die Talente der Bayern offenbar ganz prächtig entwickeln, anders ist die krasse Leistungssteigerung der letzten Monate kaum zu erklären.

Um Trainer und Baumeister Sebastian Hoeness hat sich eine ganze Schar an hochtalentierten Spielern versammelt und nicht nur bei den Bayern steht die Frage im Raum, welches dieser Top-Talente tatsächlich den Sprung zu den Profis schaffen könnte - oder zumindest in den Profi-Fussball, vielleicht an einem anderen Standort.

Die Bayern haben jede Menge Geld in den FC Bayern Campus investiert, in Gebäude, Plätze, Infrastruktur. Nun sollen langsam auch die Erträge eingefahren werden. Nach den fetten Jahren Mitte der 2000er und unter Profi-Cheftrainer Louis van Gaal wenige Jahre später ist es diesbezüglich verdammt ruhig geworden.

David Alaba war der letzte Spieler, der es dauerhaft von der Jugend der Bayern bis in den Profikader geschafft hat. Der Österreicher war in der Ausbildungsklasse der zweiten Mannschaft nur zu Besuch und kam schon als 17-Jähriger in die Bundesliga. Das war vor zehn Jahren, seitdem ist Ebbe. Umso mehr stehen nun die aktuellen Talente im Fokus.

Eine ganze handvoll Talente

Torhüter Christian Früchtl (20), die Innenverteidiger Lars Lukas Mai und Chris Richards (beide 20), die Mittelfeldspieler Angelo Stiller (19), Sarpreet Singh (21) und der minderjährige Jamal Musiala (17), sowie die Angreifer Oliver Batista-Meier, Leon Dajaku und Joshua Zirkzee (alle 19) wären da aus dem U-21-Bereich zu nennen.

Und dann natürlich noch Torjäger Kwasi Okyere Wriedt (25). Der und sein Landsmann Zirkzee haben bei den Profis teilweise schon für Furore gesorgt.

Alphonso Davies, der auch ein paar Spiele bei den "Bayern Amateuren" machen durfte, mischte die Bundesliga auf. Aber Davies ist wie der eine oder andere der potenziellen Nachwuchshoffnungen kein Spieler aus dem Bayern-Nachwuchsleistungszentrum, sondern wurde zugekauft.

In die Kategorie der zugekauften Spieler gehören auch Singh, Richards und Dajaku, bei dem sich die Bayern die verzwickte Lage in Stuttgart zunutze machen konnten: Denn nach dem Abstieg der zweiten Mannschaft der Schwaben in der letzten Saison hatte Dajaku, der in seinem Alterssegment zu den besten Angreifern in Deutschland zählt, keinen grossen Bedarf, in der Oberliga Württemberg zu versauern, für den Sprung in die erste Mannschaft hätte es aber wohl noch nicht ganz gereicht. Da schlug der FC Bayern zu.

Bei wem reicht das Niveau für die Profis?

Die Masse an jungen Spielern ist da, die entscheidende Frage gerade beim FC Bayern ist aber: Reicht das Niveau auch für die eigene Profimannschaft? Nirgendwo ist der Schritt so gross wie bei den Bayern, die Chance auf einen Platz im Kader der Lizenzspielermannschaft so gering.

In einer mit Weltklassespielern gespickten Mannschaft ist die Chance, sich von der dritten Liga aus zu etablieren, verschwindend gering. Die meisten bleiben stecken oder müssen einen Umweg gehen wie derzeit Adrian Fein.

Der wurde erst nach Regensburg, dann weiter zum Hamburger SV ausgeliehen, um sich zwei Stufen unterhalb der Bayern im Erwachsenenfussball zu zeigen. Oder Niklas Dorsch, der sich in Heidenheim immerhin zum besten defensiven Mittelfeldspieler der zweiten Liga entwickelt hat.

Zum Profi-Werden beim FC Bayern gehört auch Glück

Hinter beiden, Fein und Dorsch, ist die halbe Bundesliga her. Eine Rückkehr (Fein) oder Rückholaktion (Dorsch) für die erste Mannschaft des Rekordmeisters erscheint aber kaum vorstellbar. Dafür sind die Ansprüche wohl doch noch etwas zu hoch.

Grundsätzlich haben wohl alle Talente der Bayern das Zeug, sich in der Bundesliga durchzusetzen. Dazu gehört aber neben dem Können und einer gewissen Widerstandsfähigkeit auch jede Menge Glück: Zur rechten Zeit muss der richtige Trainer Vertrauen in den Spieler setzen.

Mit Hansi Flick ist jetzt immerhin ein Trainer am Ruder, der die jungen Spieler nicht links liegen lässt. Und in Hermann Gerland hat Flick auch einen Adjutanten, der die Schnittstelle zwischen Jugend- und Herrenfussball so gut kennt wie kaum ein anderer in der Bundesliga. Von einer Schwemme an herausragenden Spielern, die es dann sogar bei den Bayern zum Profi schaffen, wie 2004 sollte man allerdings nicht ausgehen.

Zvjezdan Misimovic, Paolo Guerrero, Piotr Trochowski, Andreas Ottl, Christian Lell, Patrick Ochs und Georg Niedermeier wurden später gestandene Bundesligaspieler und einige sogar Nationalspieler ihres Landes. Zu Profispielern der Bayern haben es aber "nur" Ottl und Lell geschafft. Der Rest fand bei anderen Klubs sein Glück.

Und die Qualität im Bayern-Kader der Neuzeit hat längst ganz andere Dimensionen erreicht. Nimmt man Davies raus, dann konnte sich der Rest der Talente nicht sonderlich lange zeigen.

Zirkzee kommt auf knapp 270 Minuten, traf beim Sieg der Bayern gegen Mönchengladbach am Samstagabend allerdings bereits zum vierten Mal für die Profis. Batista-Meier, Dajaku, Singh, Mai und Früchtl kommen zusammen aber erst auf 30 Spielminuten. Es ist wohl noch ein sehr langer Weg...

Anmerkung der Redaktion: Dieser Artikel wurde erstmals am 14. Juni veröffentlicht - und nun aus gegebenen Anlass aktualisiert.
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