Jürgen Klopp hat in seiner Karriere vieles sehr richtig gemacht. Er war bei den richtigen Vereinen, hat in den richtigen Momenten das Richtige gesagt. Er hat es geschafft, dass ihn sogar die gegnerischen Fans gut fanden. Red Bull will da nicht so recht zum bisherigen Werdegang des 57-Jährigen passen. Oder doch?

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Sabrina Schäfer sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfliessen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

"I'm the normal one" – Mit diesen Worten eroberte Jürgen Klopp bei seiner Vorstellung in Liverpool vor neun Jahren sofort die Herzen der englischen Medien, der FC Liverpool-Fans und all jener dazwischen und ausserhalb.

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Der Normale, der Nette, der Nahbare, der Fussball und seine Fans Liebende, der, den sich Deutschland immer wieder als Bundestrainer gewünscht hätte, als in der DFB-Kabine noch über Graugänse philosophiert wurde. Der, dessen Spieler für ihn durchs Feuer gegangen wären – zumindest hatte man immer diesen Eindruck.

Es gibt keinen Fussballtrainer, der es geschafft hat, sich ein solch weltumspannend positives Image aufzubauen. Erst vor wenigen Tagen erhielt er den deutschen Bundesverdienstorden für sein "vielfältiges soziales Engagement". Und jetzt: Red Bull.

Der Getränkeriese, dem das Aussergewöhnliche so viel wichtiger ist als das Normale. Der vieles ist, aber nicht nahbar. Und dem vorgeworfen wird, den Fussball mit seinen Umtrieben kaputtzumachen.

Man muss Red Bull wirklich Respekt zollen, dafür, dass sie Jürgen Klopp überhaupt angesprochen haben, dass sie offenbar erkannt haben, was bis heute für viele undenkbar schien: dass das zwischen Klopp und Red Bull passen könnte.

Klopp und das Geld

Und tatsächlich: Wenn man mal ein bisschen intensiver darüber nachdenkt, kommt Klopps neuer Job vielleicht gar nicht so überraschend.

Klopp hat bei seinen Stationen beim FSV Mainz 05, Borussia Dortmund und vor allem in Liverpool Millionen verdient. Nebenjobs dürften da eigentlich nicht nötig sein – und dennoch ist er eins der prominentesten Werbegesichter im deutschen Fernsehen. Offenbar ist Geld für Klopp ein wesentlicher Antrieb, sonst hätte er sein Gesicht nicht hergegeben für Marken wie Opel, Erdinger oder die Deutsche Vermögensberatung (DVAG).

Vor allem die langjährige Partnerschaft mit der Deutschen Vermögensberatung ruft dabei immer wieder Kritiker auf den Plan und lässt manche gar an Klopps moralischem Kompass zweifeln. Denn schon seit Jahren kursieren Vorwürfe gegen das Unternehmen. 2021 nahmen sich Jan Böhmermann und das TV-Magazin "Frontal" das Geschäftskonzept der DVAG genauer vor. Böhmerman kam zu dem Schluss, die DVAG betreibe ein Pyramidensystem, von Druck auf die Mitarbeiter war die Rede. 2023 erhob die Bürgerbewegung Finanzwende e.V. schwere Vorwürfe gegen die DVAG. Die Verträge seien zu teuer, es herrschten Ausbeutung und sektenartige Strukturen, zudem betreibe das Unternehmen problematische Lobbyarbeit. Klopp hat sich dazu nie geäussert.

Zu glauben, dass Klopp bei Red Bull also lediglich aus Liebe zum Fussball handelt, dass er keinen anderen Antrieb kennt, als die Liebe der Fans, hat mehr mit guter Imagepflege zu tun, als mit der Realität.

Klopp und die Energie

Geld mag also ein Grund gewesen sein, dass Jürgen Klopp bei Red Bull unterschrieben hat. Ein anderer womöglich die Zusage, dass er (erstmal) nicht ins Tagesgeschäft der Fussballvereine eingebunden sein wird. Denn bei seinem Abschied aus Liverpool hatte Klopp noch erklärt, ihm gehe die Energie aus. Der Titel "Head of Global Soccer" klingt natürlich chefig, aber auch danach, als dürfte Klopp selbst entscheiden, wie viel Energie er in seine neue Aufgabe steckt.

Und dann wäre da noch die Begründung, die Klopp selbst nennt: "Ich möchte das unglaubliche Fussball-Talent, das wir haben, entwickeln, verbessern und unterstützen", heisst es in der Mitteilung von Red Bull. "Es gibt viele Möglichkeiten, wie wir dies tun können, indem wir das Spitzenwissen und die Erfahrung, die Red Bull besitzt, nutzen und von anderen Sportarten und Branchen lernen", wird er zitiert: "Gemeinsam können wir entdecken, was möglich ist. Ich sehe meine Rolle in erster Linie als Mentor für die Trainer und das Management der Red-Bull-Klubs, aber letztendlich bin ich Teil einer Organisation, die einzigartig, innovativ und zukunftsorientiert ist."

Klopp und der Ehrgeiz

Und weiter: "Die Rolle mag sich geändert haben, aber meine Leidenschaft für den Fussball und die Menschen, die den Fussball zu dem machen, was er ist, hat sich nicht geändert." Ist es also doch die Liebe zum Fussball, oder einfach der Ehrgeiz, sich noch einmal unter ganz anderen Umständen beweisen zu wollen? Die Antwort werden die nächsten Jahre zeigen.

Möglicherweise zumindest bis spätestens 2026 – dann endet Julian Nagelsmanns Vertrag als Bundestrainer. Wie "Sky" berichtet, hat sich Klopp für den Posten des DFB-Trainers eine Ausstiegsklausel zusichern lassen. "Bild.de" berichtet mittlerweile hingegen, dass es keine spezielle Ausstiegsklausel gebe und Klopp einen Fünf-Jahres-Vertrag unterschrieben habe.

Sollte Klopp innerhalb dieser Zeit also gerne Bundestrainer werden, müsste er auf das Entgegenkommen von Red Bull hoffen. Ob ihn die Fans dann mit so offenen Armen empfangen, wie sie das in den vergangenen Jahren getan hätten, wird man sehen.

Verwendete Quellen

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