Max Eberl steht seit seinem krankheitsbedingten Abschied von Borussia Mönchengladbach und seinem Wechsel Monate darauf zu RB Leipzig heftig in der Kritik. Mit Erklärungsversuchen im TV bringt sich Eberl immer weiter in Erklärungsnöte und befeuert damit die Kritik am Wandel seiner Person in Sachen Werten und Moral.
Max Eberl ist derzeit einer, wenn nicht sogar der am heissesten diskutierte Sportchef in der Bundesliga. Seit Mitte Dezember vergangenen Jahres ist der 49-Jährige als Geschäftsführer Sport bei RB Leipzig aktiv, nachdem er im Januar 2022 nach 23 Jahren als Spieler und Sportdirektor bei Borussia Mönchengladbach wegen gesundheitlicher Probleme trotz laufenden Vertrages vorzeitig zurückgetreten war. Eberl betonte damals, ausgebrannt zu sein und Abstand vom Fussballgeschäft zu benötigen.
Der Zeitpunkt für die Rückkehr auf die Bühne Bundesliga bereits wenige Monate später kam für viele Seiten überraschend, genauso wie die Wahl der neuen Destination. Während man bei RB die erhoffte Wunschlösung als neuen sportlichen Leiter bekommen hat, hegen vor allem die Gladbach-Fans seither einen tiefen Groll gegen den langjährigen Macher der Borussia.
Max Eberl: Aussagen über RB-Transferpolitik werden zum Bumerang
Zu Beginn des Jahres kühlte das Reizthema Eberl zunächst etwas ab, köchelte aber auf kleiner Stufe weiter vor sich hin. Als Leipzig dann vor Kurzem den Transfer von Nicolas Seiwald von Schwesterklub RB Salzburg zur kommenden Saison bekannt gab, flammten die Diskussionen erneut auf.
Konkret wurde Max Eberl eine Aussage aus Borussiatagen vorgehalten, als er 2016 das Spielergeschachere innerhalb des RB-Imperiums scharf kritisierte. "Was mich an RB stört, ist dieses Geschiebe von Spielern von Salzburg nach Leipzig und von Leipzig nach Salzburg. Das hat für mich einen faden Beigeschmack, weil sie im Grunde zwei Kader haben", wurde er damals vom "Focus" zitiert. Der 21-jährige Seiwald ist der 20. Profi, der seit der Vereinsgründung der Sachsen im Mai 2009 den Weg innerhalb des Konzerns nach Leipzig antritt.
Ein gefundenes Fressen für Fans und Medien, gerade mit Blick auf das Duell der beiden Klubs vor wenigen Tagen in der Bundesliga, das RB deutlich mit 3:0 für sich entschied. Das Sportliche geriet während der Partie schnell in den Hintergrund, denn die mitgereisten Anhänger der Borussia machten ihre vorher bereits angekündigte Stimmungsmache gegen den einstigen Gladbacher Heilsbringer wahr und unterstellten ihm unmissverständlich Doppelmoral:
"Leere Worte nur zum Schein, für uns nur noch ein Bullenschwein", war auf einem ausgerollten Plakat zu lesen. Und damit nicht genug. Im Spielverlauf rollten die Gladbach-Fans weitere Transparente aus. Zunächst eines mit der Aufschrift: "Wunderheilung durch Red Bull – wenn Lügen zum Geschäftsmodell gehören." Später war dann im Gästeblock zu lesen: "Grössenwahn, Lügen & falsche Tränen. Schämst du dich nicht, in den Spiegel zu sehen?"
Eberl rechtfertigt sich für Anfeindungen der Anhänger seines Ex-Klubs
Einen Tag nach dem Spiel war Eberl dann zu Gast beim "Sport1-Doppelpass" und verteidigte sich und seinen Wechsel zu RB vehement. Der Vorwurf, sein Burn-out wäre nur vorgespielt gewesen, sei eine Frechheit: "Ich habe nicht aufhören wollen, ich musste aufhören. Das ist ein Riesenunterschied – das wird völlig negiert. Das ist eine Lüge. Ich war krank", polterte der RB-Boss.
Auch zu den von den Gladbacher Fans vorgeworfenen falschen Tränen bei seinem Abschied fand der gebürtige Bogener klare Worte: "Es gab für mich als Menschen keine Wahl. Ich hatte keine Wahl. Das trifft mich als Menschen. Ja, das tut schon weh."
Dass Eberl durch den Schritt vom traditionsreichen Gladbach zum Konzernklub nach Leipzig seine Glaubwürdigkeit verspielt hat, liess er nicht auf sich sitzen, obwohl er nicht gewusst habe, "was auf mich zukommt". "Mit der Unterstellung, die im Raum steht, kann ich nicht leben. Glaubwürdigkeit ist ein hohes Gut für mich als Menschen", betonte der ehemalige Defensivspieler und führte weiter aus: "Es stört jeden Menschen, wenn seine Grundtugenden angepackt werden und Werte, für die man steht, nicht ernst genommen werden."
Angesprochen auf seine frühere Kritik an der Leipziger Transferpolitik und der Vielzahl von konzerninternen Spielerwechseln betonte Eberl, dass sich der Fussball seither weiterentwickelt hätte. "Ich habe nie gesagt, dass ich der Hüter des heiligen Grals bin. Ich habe nie gesagt, dass ich ein Traditionalist bin."
Eberls Erklärungsversuche kamen bereits in der Talkrunde nicht bei allen Anwesenden gut an, allen voran "Bild"-Chefkolumnist Alfred Draxler. "Ist es denn nicht so, dass sich nicht nur der Fussball weitergedreht hat, sondern du auch? Du bist von einem Traditionsverein mit ganz anderen Zwängen zu RB Leipzig gegangen. Warum sagst du das nicht einfach?", fragte der Journalist.
Eberl bringt sich immer weiter in Erklärungsnöte
Auf Draxlers Nachhaken entgegnete Eberl, dass zwischen den beiden RB-Teams seit 2017 eine "Entflechtung" stattgefunden hätte, beide Klubs müssten als völlig eigenständige Vereine angesehen werden. Diese Argumentation war nichts Neues, sorgte zuvor bereits für reichlich Diskussionen.
Wenn man aber allein die Menge an Transfers seit der beschriebenen Abkapselung der Klubs betrachtet, wird deutlich, dass Leipzig weit mehr Spieler von den Salzburgern holt, als es die Norm im europäischen Spitzenfussball darstellt. Aktive Spieler im Kader wie Amadou Haidara oder Dominik Szoboszlai wechselten nach besagtem Zeitraum aus Österreich nach Leipzig. Genauso wie die mittlerweile wieder abgegebenen Hannes Wolf und Hee-chan Hwang. Benjamin Sesko wird im Sommer ebenfalls vom Schwester-Klub kommen. Und auch Leipzigs Kurzzeit-Trainer Jesse Marsch sollte nicht vergessen werden, der zuvor ebenfalls beim Nachbarn arbeitete. Entflechtung sieht anders aus.
Draxler blieb hartnäckig und versuchte mehrfach Eberl vom Eingeständnis seines Sinneswandels zu überzeugen, sein Gegenüber blieb jedoch standhaft. Auch nach Einmischung von Moderator Florian König, der nochmals die deutlichen Vorteile für die Leipziger in den Verhandlungen mit den Salzburgern im Vergleich zu anderen Klubs herausstellte, fand der RB-Sportchef eine weitere Ausflucht und verwies darauf, dass im Ergebnis immer Spieler und Berater das letzte Wort hätten.
Spätestens jetzt dürfte allen Beteiligten wie Zuschauern klar gewesen sein, dass Eberl keinen Wandel seiner Denkhaltung zugeben wird, seine Handlungen sprechen jedoch eine recht eindeutige Sprache. Mit der Zeit gehen, sich weiterentwickeln und nicht an Werten oder Moralvorstellungen früherer Tage festhalten, wenn es einen bei neuen Aufgaben nicht mehr weiterbringt, scheint Eberls neues Kredo zu sein – auch wenn er es nicht zugeben will.
Für diese 180-Grad-Drehung wird der Funktionär auch in Zukunft reichlich Kritik einstecken müssen. Eberls Haltungswandel steht für viele Anhänger – auch die anderer Bundesliga-Klubs – sinnbildlich für eine Tendenz im Fussball hin zu fortschreitender Kommerzialisierung und Entfremdung von der Basis.
Max Eberl nimmt doch nicht an ZDF-"Sportstudio" teil
Mittlerweile hat Eberl offenbar keine Lust mehr, sich seinen Wandel vorhalten lassen zu müssen. Am Donnerstag teilte das ZDF mit, dass es Eberls Auftritt im "Aktuellen Sportstudio" abgesagt habe. Laut ZDF sollten auf Eberls Wunsch hin "bestimmte Themen ("Causa Gladbach") weitgehend" ausgeklammert werden. Nach Darstellung von RB Leipzig hat allerdings Eberl den Auftritt abgesagt. "Nach einer frühzeitigen Zusage sehe ich nun von meinem Besuch im ZDF 'Sportstudio' am kommenden Samstag ab", teilte Eberl auf dpa-Anfrage mit. Er habe sich den Themen abseits des Platzes rund um das Spiel gegen Gladbach gestellt, obwohl er damit habe abschliessen wollen. "Vielmehr wurde es mir teilweise so ausgelegt, als würde ich die Diskussionen aktiv anheizen wollen. Das war, bei aller Emotion, nicht meine Absicht", sagte Eberl.
Der Fall Eberl ist in jedem Fall ein Schlag ins Gesicht für Fussballromantiker, die sich gerade in der Vergangenheit mit immer seltener werdenden Typen wie dem "alten Eberl" identifizieren konnten. Der Eberl, der jahrelang in Gladbach aus vergleichsweise kleinen Budgets über alle Massen viel Ertrag herausholen konnte und auch nicht bei den Lockrufen des FC Bayern München schwach wurde, um den eingeschlagenen Weg konsequent weiterzuverfolgen. Nun verfolgt der "neue Eberl" die Interessen von RB.
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