- Argentinien steht nach einem dramatischen Sieg im Elfmeterschiessen gegen die Niederlande im WM-Halbfinale.
- Lionel Messi ist auf einer Mission: Der Superstar knöpft sich gleich mehrmals Louis van Gaal vor.
- Gleichzeitig sorgt der Sieg für emotionale Szenen zwischen Fans und Mannschaft und hält den Titel-Traum am Leben.
Lionel Messi strahlte über das ganze Gesicht. Er lachte. Sang voller Inbrunst mit seiner Mannschaft. Mit den Fans. Und er tanzte ausgelassen auf dem Platz. Er hüpfte, sprang auf und ab, dazu gab es immer wieder Umarmungen. Es war eine kindliche Freude der Argentinier, Emotionen pur: Die argentinische Nationalmannschaft verschmolz nach dem Halbfinal-Einzug durch den 4:3-Sieg im Elfmeterschiessen gegen die Niederlande förmlich mit den eigenen Anhängern. Mittendrin:
"Wir haben gelitten, wir haben sehr gelitten", sagte Messi, noch völlig ausgepumpt, aber glücklich, nach dem harten Stück Arbeit gegen einen lange harmlosen, später aber sehr unangenehmen Gegner. Und dann "sang" der 35-Jährige weiter, diesmal ein Loblied auf seine Mannschaft. "Wir sind im Halbfinale, weil wir eine Mannschaft sind, die weiss, was sie tut. Weil wir unglaubliche Lust haben, diesen Titel zu gewinnen. Und weil wir wissen, in welchen Augenblicken wir da sein müssen."
Wie man Messi bei der WM 2022 ausschaltet
Ganz korrekt ist das nicht, denn die Argentinier hatten Gegner und Spiel zwar lange im Griff, und nach dem 2:0 durch einen von Messi verwandelten Foulelfmeter (73.) schien die Sache auch erledigt. Doch in der Schlussphase entdeckten die Niederländer plötzlich den Fussball, angestachelt durch die Tatsache, dass es Frenkie de Jong im Mittelfeld gelang, Messi ein Stück weit den Zahn zu ziehen, den Superstar aus dem Spiel zu nehmen. "Wir dachten nicht, dass es so weit kommen würde, das war sehr schwierig für uns", sagte Messi über die Phase, in der die Argentinier die Kontrolle verloren. "Man darf nicht nachlassen, das war nicht gut für uns", so Messi weiter.
Doch Messis Traum lebt weiter, auch dank Torhüter Emiliano Martinez, der im Elfmeterschiessen mit zwei Paraden zum Helden des Abends wurde. "Wir brauchten diesen Sieg, diese Freude, für uns, für die Menschen, die uns begleiten", so Messi, bei dem es wirkt, als wolle er im Herbst seiner Karriere seine Laufbahn nicht nur mit dem WM-Pokal abrunden, sondern auf dem Weg dorthin auch noch alle Kritiker mundtot machen und nebenbei Rechnungen begleichen.
Zoff mit van Gaal
Zucker war seine Vorlage zum 1:0 durch Nahuel Molina (35.), eiskalt war er selbst vom Punkt, sowohl in der regulären Spielzeit als auch im Elfmeterschiessen. Unnachgiebig war er, als er sich nach dem 2:0 vor der niederländischen Trainerbank aufbaute und seine Hände an die Ohren legte. Eine Spitze gegen die verbalen Spitzen im Vorfeld von Bondscoach
In den Katakomben ging es weiter. Während eines TV-Interviews schaute er am Fragensteller vorbei in eine bestimmte Richtung und schimpfte "Que miras Bobo?" ("Was schaust du so, Idiot?"). Laut dem "Independent" soll er mit der Verbalattacke Ex-Bundesliga-Profi Wout Weghorst, der beide Tore der Niederländer erzielte, gemeint haben, der in dem Moment vorbeiging. Keine Frage: Messi ist auf Betriebstemperatur.
Denn auf seiner wohl letzten grossen Nationalmannschafts-Mission strotzt er vor Selbstbewusstsein, und er packt sie immer wieder verlässlich aus, die besonderen Momente. Ein weiterer essenzieller Faktor für den Rest des Turniers neben der Messi-Magie: Der Schulterschluss mit den Fans.
Dieser Sieg, der auf des Messers Schneide stand, ist ein Triumph nach einem hoch emotionalen und teilweise absurden Spiel, der Kräfte freisetzen, der eine Mannschaft auf den Schultern der Fans zum Titel tragen kann. Die Momente auf dem Platz, die Ehrenrunde, die Tänze, die Gesänge, sind gemacht für einen Ausgangspunkt, auf den man später zurückschaut. Als einen endgültigen Startschuss, einen Knotenlöser, der etwas Grosses schaffen kann.
"Wir haben das für 45 Millionen Argentinier gemacht, für das ganze Land. Unserem Land geht es wirtschaftlich so schlecht, deshalb ist die Freude wunderschön", sagte Martinez. Man stehe im Halbfinale, so der Keeper, "weil wir Leidenschaft haben, weil wir Herz haben, und weil wir es für 45 Millionen machen. Wir sind genauso emotional wie sie."
Kroatien wird "sehr, sehr schwer"
Man sieht sie, und man fühlt sie, diese Symbiose mit den Fans, die zahlreich bei der WM mitfiebern und die Partien zu Heimspielen machen, dabei Messi und Co. anfeuern, mitleiden, ihren Helden huldigen, und das vorbehaltlos, bedingungslos.
Darauf werden Messi und Co. auch im Halbfinale am Dienstag bauen, denn Kroatien "wird sehr, sehr schwer", warnte Messi. "Sie haben gezeigt, warum sie verdient so weit gekommen sind. Sie waren besser, als es viele erwartet haben." Die Kroaten werden gegen Argentinien einen ähnlichen Ansatz wählen wie beim Sensationserfolg gegen Brasilien: Tief stehen, und auf gelegentliche Konter und Nadelstiche setzen. Und sie werden sich anschauen, wie die Niederländer die Schwächen der Argentinier ausgenutzt haben.
Das Ziel rückt näher
Doch das grosse Ziel, es rückt für Messi und Argentinien bei der WM 2022 immer näher. "Es sind noch zwei Siege, dann wird er grösser sein als Maradona", sagte ARD-Experte Bastian Schweinsteiger. Grösser sein als Diego Maradona – zumindest wäre Messi mindestens auf einer Stufe mit der 2020 verstorbenen Legende. Doch Messi interessiert der Vergleich nicht, er hat nur den Pokal im Blick. "Wir kommen Schritt für Schritt voran. Wir haben es bisher gut gemacht. Das geniessen wir", sagte Messi. Und strahlte wieder über das ganze Gesicht.
Verwendete Quellen:
- TV-Übertragung
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.