Der DFB-Elf steht ein Umbruch bevor - und auch etablierte Spieler dürften das Nationalteam verlassen oder verlassen müssen. Sorgen muss man sich aber nicht machen, denn zwei Stars werden bestimmt bleiben - und die U-25-Generation steht schon bereit.

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Nach dem peinlichen WM-Aus der DFB-Elf in der Vorrunde steht definitiv ein Umbruch bei der deutschen Nationalelf an.

Wer aufhören muss, wer darüber nachdenken sollte - und wer in Zukunft eine tragende Säule werden kann.

Wer die DFB-Elf durchaus verlassen kann

Sami Khedira

Ist bereits 31 Jahre alt und war in Russland einer der schwächsten Weltmeister von 2014. Ihm fehlte vor allem jene Spritzigkeit und Physis, die ihn in jüngeren Jahren ausgezeichnet hat. Unwahrscheinlich, dass beides in steigendem Alter zurückkehrt.

Selbst bei seinem Arbeitgeber Juventus Turin ist er längst nicht mehr unumstritten. Die Italiener haben gerade Emre Can verpflichtet. Er soll dort in Khediras Fussstapfen treten. Auch in der DFB-Elf dürfte das früher oder später geschehen.

Dass Khedira noch ein grosses Turnier spielt, ist damit eher ausgeschlossen, ein Rücktritt wahrscheinlich.

Mesut Özil

Wie Khedira bei der WM 2014 ein Stützpfeiler der DFB-Elf. Doch diesmal fehlte ihm fast alles, was ihn für Löw seit nunmehr fast einem Jahrzehnt so wichtig gemacht hat.

Schon im Vorfeld der Weltmeisterschaft hat er mit Fotos zusammen mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan für Kopfschütteln gesorgt. Seine Art der Krisenbewältigung - Schweigen - hat es noch schlimmer gemacht.

Ein Rücktritt scheint wegen seines Alters (29) nahezu ausgeschlossen - ausser die andauernde Kritik setzt ihm persönlich doch mehr zu als er nach Aussen zeigt.

Andererseits: Wenn er sich nicht wieder steigert, wird ihn wohl kein Bundestrainer mehr nominieren.

Mario Gomez

Ist jetzt 32 - und eigentlich nur in den Kader gerückt, weil Deutschland nicht gerade viele echte Mittelstürmer hat. Ausserdem sollte er wohl so etwas wie der Lehrmeister für Timo Werner sein.

Hatte schon vor dem Turnier erklärt, dass er auch mit wenig Einsatzzeiten zufrieden wäre. Das erklärt dann auch seine Nominierung - denn wer keine Ansprüche stellt, kann auch nicht ungemütlich werden.

Ob er jetzt zurücktritt? Sehr wahrscheinlich. Direkt nach dem WM-Aus wollte Gomez aber noch nichts sagen: "Ich brauche jetzt erstmal ein paar Tage, um das zu verarbeiten."

Wer wackelt und kämpfen muss

Jerome Boateng

Wird kurz nach dem Rückrunden-Start 30. Ob er dann noch im Bayern-Trikot spielt? Nicht sicher. Er sucht nämlich noch einmal nach einer neuen Herausforderung und darf laut den Münchner Bossen den Verein bei einem entsprechenden Angebot auch verlassen.

Oder anders gesagt: Er ist längst nicht mehr so stark wie 2014 und in den Folgejahren. Denn wäre er es, würden sich die Münchner längst nicht mit einem möglichen Abgang auseinandersetzen.

Auch in der Nationalelf ist er in der gezeigten Form ersetzbar - und dürfte es in den kommenden Jahren im DFB-Team schwer haben.

Mats Hummels

Hat die eigene Mannschaft nach der Auftaktpleite gegen Mexiko direkt nach dem Spiel im TV scharf und deutlich kritisiert. Hat aber offensichtlich nichts gebracht.

Dennoch: das Prädikat Führungsspieler hat er sich definitiv verdient, manche nennen ihn sogar Chefkritiker. Fragt sich nur, ob das reicht, um im Nationalteam zu bleiben. Vom Alter her (29) ist ein grosses Turnier noch drin, dann dürfte es aber enger und enger werden.

Selbst sagte er: "Jetzt habe ich zwei Weltmeisterschaften gespielt: Eine war der grösste Erfolg meines Lebens, eine die grösste Enttäuschung. Das ist schwer zu verarbeiten." Klingt wirklich nachdenklich.

Thomas Müller

Deutlich weniger nachdenklich als Mats Hummels, sondern eher verärgert. "Ich werde jetzt hier nicht eine halbe Stunde nach einem WM-Aus meinen Rücktritt erklären", sagte er kurz nach dem Spiel genervt auf eine entsprechende Nachfrage.

Wäre mit 28 Jahren eigentlich auch deutlich zu früh - eigentlich. Denn nach einer bereits schwachen Saison für den FC Bayern konnte er sich auch bei der WM einfach nicht aus dem Leistungsloch herausarbeiten.

Vielleicht ist jener geflügelte Satz "Müller spielt immer", der ihn einst beflügelt und ihn seit acht Jahren in jede Startformation gebracht hat, mittlerweile längst zur Belastung geworden.

Heisst im Umkehrschluss: Müller muss sich selbst überlegen, ob er tatsächlich immer spielen will - gerade auch, weil er alles gewonnen hat, was man gewinnen kann. Und der Bundestrainer muss sich das auch.

Sie werden bleiben - auch um die junge Generation heranzuführen

Manuel Neuer

Der einzige, der bei der WM nahezu Normalform erreicht hat - obwohl er zuvor monatelang kein Spiel gespielt hat.

Ist aber nicht nur deswegen unumstritten, sondern auch weil er sich nicht scheut, Klartext zu sprechen. Hat dies bei der WM aber erst nach dem Aus getan.

"Ich denke, dass von uns allen die Bereitschaft nicht gross genug war und der Wille zu zeigen, dass wir bei dieser Weltmeisterschaft was reissen wollen. Spätestens bei der nächsten oder übernächsten Station wäre Halt gewesen für uns. Wir haben in keinem Spiel richtig überzeugt, wo wir sagen können, das war die deutsche Fussball-Nationalmannschaft. Das ist bitter und erbärmlich."

Schon 32. Aber Torhüter wie er können im Alter sogar noch besser werden - und ein Beispiel gerade für junge Spieler sein. Deswegen unverzichtbar - mindestens bis nach der kommenden EM.

Toni Kroos

Der deutsche Spieler mit den meisten gewonnen Titeln. Überhaupt der einzige, der als Weltstar gilt und damit in die Fussstapfen von den WM-2014-Helden Bastian Schweinsteiger und Philipp Lahm treten kann.

War aber gleichzeitig bei dieser WM keineswegs fehlerfrei, bereitete das 0:1 gegen Schweden mit einem Fehlpass vor und das 0:1 gegen Südkorea mit einer verfehlten Abwehraktion.

Kann aber gerade an solchen Situationen wachsen - und könnte in zwei und in vier Jahren mit dann 30 beziehungsweise 32 Jahren zum absoluten und uneingeschränktem Taktgeber der DFB-Elf werden, wenn er denn weiter macht.

Zu "Sport1" sagte er: "Ein Rücktritt? Ehrlich gesagt war ich darauf eingestellt, dass es ein längeres Turnier wird. Deswegen habe ich mir dazu noch keine Gedanken gemacht. Lasst uns alle einfach mal darüber nachdenken."

Bleibt zu hoffen, dass die Gedanken ihn von einem Rücktritt abbringen.

Keine Panik vor der Zukunft denn sie werden nachrücken

Panik angesichts der fussballerischen Zukunft muss Deutschland übrigens nicht haben - denn mit Joshua Kimmich, Timo Werner, Julian Brandt, Niklas Süle, Leon Goretzka und Julian Draxler, aber auch Julian Weigl oder Max Meyer haben einige aus der U-25-Generation im Nationaltrikot schon gute oder sogar starke Leistungen gezeigt.

Dazu können auch der bereits erwähnte Can oder Leroy Sane eine grosse Rolle in der DFB-Elf übernehmen.

Dazu kommen noch ein paar U-21-Europameister aus dem Jahr 2017, wie Thilo Kehrer, Nadiem Amiri, Serge Gnabry oder Maximilian Philipp.

Was ihnen allen aber fehlt: Erfahrung auf höchstem Niveau. Dafür brauchen sie einfach Spiele gegen absolute Top-Teams - im Verein, aber auch in der DFB-Elf.

Deswegen sollten die Etablierten noch intensiver darüber nachdenken, ob sie ihren Platz nicht räumen wollen.

Mit Material der dpa
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