Der "Gaucho-Tanz" der deutschen Nationalmannschaft wird zum Skandal hochstilisiert. Ein argentinischer Sportjournalist bezeichnet die DFB-Spieler gar als "ekelhafte Nazis". Ziemlich viel Lärm um ganz schön wenig. Das ist kein Einzelfall: Oft schon hat sich aus einer Mücke ein gewaltiger Elefant entwickelt.
"Nipplegate" beim Superbowl 2004
Der "Nipplegate" - der bis dato wohl grösste "Skandal" dieses Jahrtausends im US-amerikanischen Sport: Am 1. Februar 2004 traten Janet Jackson und Justin Timberlake zusammen beim Superbowl auf und sangen Timberlakes Song "Rock Your Body". Nach einer Reihe anzüglicher Bewegungen riss Timberlake während der letzten Textzeile ("I'm gonna have you naked by the end of this song") einen Teil von Jacksons Kostüm herunter. Dabei wird Jacksons rechte Brust samt eines sonnenförmigen Brustwarzenpiercings enthüllt - angeblich versehentlich.
Für viele Zuschauer der puritanischen USA ein enormer Eklat. Noch während der Sendung rufen zahlreiche Bürger beim übertragenden Sender CBS an und beschweren sich.
Man stelle sich vor, Ähnliches wäre in Deutschland passiert. Zwei Tage später hätte sich wohl kaum noch jemand darüber aufgeregt. Hierzulande ist es normal, wenn sich Micaela Schäfer zum wiederholten Male vollkommen nackt in der Öffentlichkeit präsentiert. Doch in den USA ist die breite Meinung dazu eine andere. Drei Tage nach dem "Nipplegate" reichte eine Bankangestellte wegen dieses Vorfalls sogar Klage bei Gericht ein.
Dänischer Zoo seziert Giraffe Marius
Das Töten der Giraffe Marius im Zoo Kopenhagen hatte im Februar dieses Jahres zahlreiche Proteste ausgelöst. Der Tierparks liess Marius offenbar töten, weil der Bestand der Giraffen dort zu gross war und Inzucht drohte. Der Fall hatte unerwartet viel, auch internationale Aufmerksamkeit erregt. In einer Online-Petition hatten Aktivisten Tausende Unterschriften für das Überleben des Tieres gesammelt. Der Zoo verteidigte jedoch sein Vorgehen. "Diese Situation kennen wir von anderen Tierarten, bei denen die Zucht gut läuft", erklärte Zoo-Direktor Bengt Holst. Die Tötung solle gewährleisten, "dass wir auch in Zukunft eine gesunde Giraffenpopulation in Europas Zoos haben werden".
Dass zahlreiche Kinder die Obduktion des Tieres mitverfolgen konnten, vergrösserte den Eklat. Das Unverständnis über das Vorgehen wuchs - die Stimmen aus dem Ausland nach einer Entlassung des Zoo-Direktors wurden immer lauter. Was die Öffentlichkeit dabei übersah: In Dänemark gelten öffentliche Obduktionen von Tieren als normal - weshalb sich die Empörung im skandinavischen Land in Grenzen hielt. Das Sezieren und Obduzieren von Tieren wird sogar in Schulklassen vollzogen.
Heinos verbotenes Album
Am 1. Februar 2013 veröffentlichte Heino das Album "Mit freundlichen Grüssen - Das verbotene Album". Auf diesem coverte er zwölf bekannte Lieder aus dem Pop-, Hip-Hop- und Rockgenre. Dass ausgerechnet Schlagerikone Heino Songs von Rammstein und die Ärzte neu interpretiert, sorgte für Diskussionen.
Gut eine Woche vor Erscheinen des Albums schrieb die "Bild-Zeitung" einen Artikel, in dem die beiden Rock-Bands angeblich "vor Wut beben". Ferner sollen sich einige Musiker so geäussert haben: "Diesen Dreck muss man sofort löschen, das ist respektlos!" und "Das ist das Letzte, dass dieser A.... unsere Lieder singt!". Die "Bild-Zeitung" sprach von einem "Rocker-Krieg gegen Heino".
Rammstein dementierte allerdings umgehend, ein Problem mit Heinos Coverversion von "Sonne" gehabt zu haben. Auf ihrer Facebook-Seite schrieb die Band: "Rammstein haben mit Befremden die heutige Berichterstattung der Bild-Zeitung zur Kenntnis genommen, die Band befände sich in einer Auseinandersetzung mit Heino zu seiner Coverversion des Rammstein Titels 'Sonne'. Das ist nicht der Fall. Rammstein hat sich hierzu nicht geäussert. Die im Text genannten Zitate, die der Band in den Mund gelegt werden, spiegeln ausdrücklich nicht das Meinungsbild von Rammstein wieder."
Auch die Behauptung der "Bild-Zeitung", die Ärzte hätten mit einer sechsstelligen Schadenersatz-Klage gedroht, falls Heino ihren Song "Junge" covert, liess die Punk-Band dementieren. Heino hätte für das Aufnehmen der Songs ohnehin keine Genehmigung gebraucht, sofern das Cover eine nahezu vollständige Übereinstimmung mit dem Original darstellt.
Tom Hanks bei "Wetten, dass ..?"
Mit einer albernen Katzenmütze auf dem Kopf musste Tom Hanks im November 2012 bei "Wetten, dass..?" Markus Lanz beim Sackhüpfen zusehen. "Wenn das mal nicht Hochqualitätsfernsehen ist", urteilte der Oscar-Preisträger ironisch im RBB-Radio. Nach Einschätzung des Hollywood-Stars wären in den USA die Verantwortlichen nach so einer Sendung geschasst worden, wie er in der "Bild-Zeitung" verlauten liess.
Zu der Zeit hing der Segen für den Moderator bereits schief: Der Vorfall lieferte der Öffentlichkeit eine gute Gelegenheit, weiter verbal auf den ZDF-Moderator draufzuhauen.
Doch Hanks - oder zumindest seine Agenten - hätten im Vorfeld wissen müssen, auf was sich Hanks mit einem Auftritt beim deutschen Show-Klassiker einlässt. Der eigentliche Eklat war vielmehr Hanks' öffentliche Lanz-Kritik und nicht Lanz' wenig unterhaltende Moderation.
Tim Krul im WM-Viertelfinale
Vor dem WM-Viertelfinale gegen Costa Rica war der niederländische Ersatztorwart Tim Krul nur Insidern bekannt. Doch nach dem Match kannte ihn fast jeder. Oranje-Trainer Louis van Gaal wechselte Krul kurz vor Ende der Verlängerung für das anstehende Elfmeterschiessen ein: mit Erfolg. Krul hielt zwei Elfmeter und hatte erheblichen Anteil am Einzug der Niederlande in die Runde der besten vier Mannschaften.
Dennoch waren es nicht Kruls starke Paraden, die im Anschluss unter Fans und in den Medien diskutiert wurden. Vielmehr ereiferten sich viele WM-Zuschauer über das Verhalten des 26-Jährigen. Krul hatte mehrfach sein Tor verlassen, lief in Richtung der costa-ricanischen Schützen und schüchterte diese mit Worten und Gesten ein. Für die einen ein Skandal - für andere jedoch völlig legitim.
Auch unser WM-Experte Andreas Brehme verstand die Aufregung über diese Szenen nicht: "Jeder, auch in der Bundesliga, auch ein Manuel Neuer, geht doch mal zum Schützen hin und erzählt dem irgendwas. Da sollte man sich nicht gross darüber aufregen. Bei so einem grossen Spiel, in dem es um das Halbfinale einer WM geht, da gibt es keine Freundschaften und keine Fairness mehr. Da denkt jeder nur noch an sich. Und wenn du als Torwart zwei Elfmeter hältst, dann hast du alles richtig gemacht." Eine vollkommen nachvollziehbare Sichtweise.
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