Argentiniens Triumph in einem packenden Finale gegen Frankreich ist auch ein Werk der vielen "Nebendarsteller" der Albiceleste - und natürlich ihres Anführers, Lionel Messi, der ein ganzes Land berauscht.
In einem Spiel der tausend Geschichten ging komplett unter, wie schlecht vorbereitet die Franzosen offenbar auf das Elfmeterschiessen waren. Vielleicht sind das ja immer nur Nuancen, die in diesen Momenten entscheiden. Wie Argentinien aber schon im Viertelfinale gegen die Niederlande vor allen Dingen unmittelbar vor den Schüssen des Gegners Druck aufbauen konnte durch Kleinigkeiten: den demonstrativen Jubel vor den Gegnern, einen vor der Ausführung weggeschossenen Ball, ein paar Worte von Keeper Emiliano Martinez, das angebliche Lamentieren beim Schiedsrichter: Das alles sind kleine Bausteine, die den Schützen aus dem Konzept bringen sollen und es auch taten.
Gegen die Niederländer, die zwei Elfmeter verschossen. Und dann auch gegen Frankreich, das ebenfalls doppelt vom Punkt scheiterte. Im wichtigsten Spiel des Fussballs, nach einer kaum gekannten Dramatik, nicht auf die Manöver des Gegners vorbereitet zu sein, ist nicht zu entschuldigen. Aber es reihte sich auch ganz gut ein in die Reihe der Verfehlungen, die sich der entthronte Weltmeister im Finale gegen Argentinien leistete und das Spiel um die Krone im Weltfussball deshalb zu Recht verlor.
Frankreich enttäuscht und schlägt doch zurück
80 Minuten lang spielte Frankreich die Partie, als wäre es ein letztes Gruppenspiel und die Mannschaft schon für die K.o.-Runde qualifiziert. Mit angezogener Handbremse schlichen die französischen Spieler über den Platz, liessen sich von Argentiniens Entschlossenheit schon nach ein paar Minuten den Zahn ziehen und warteten vergeblich auf inhaltliche Korrekturen von Trainer Didier Deschamps. Der wurde eine Stunde lang von Lionel Scaloni klassisch ausgecoacht, hatte keine Idee, wie er mit Ángel Di Marías Mitwirken und der damit veränderten Statik im argentinischen Spiel umgehen sollte.
Es war auch kein spezieller Plan ersichtlich, wie man den in den letzten Spielen schon famosen
Frankreich hatte keinen einzigen Torschuss, auch ein bewusst gesetzter Doppelwechsel ein paar Minuten vor der Halbzeit - die Höchststrafe für jeden Profi - zeigte bis tief in die zweite Halbzeit hinein kaum Wirkung. Deschamps' verwunderliche Rochaden entfalteten erst gut 20 Minuten vor dem Ende erste Erfolge. Frankreich wurde gegen sichtlich ermüdete Argentinier immer dominanter, ohne aber zu Torchancen zu kommen.
Der erste grobe Fehler der Südamerikaner veränderte dann plötzlich das Spiel und hätte die Franzosen nach zwei Toren binnen 120 Sekunden sogar noch in der regulären Spielzeit zum Sieger küren können. Das alles erinnerte an Argentiniens Spiel gegen die Niederlande, als eine 15-minütige Schwächephase fast das Ende aller Träume bedeutet hätte.
Martinez macht sich unsterblich
Aber einmal mehr zeigte sich die Albiceleste widerstandsfähig und willensstark, trotzte dem körperlichen Zerfall einiger Spieler und und zog ein paar letzte Trümpfe: Die frischen Spieler schickte Scaloni erst in der Verlängerung aufs Feld, konnte damit den körperlich deutlich überlegenen und flinkeren Franzosen entgegenwirken. Den letzten nahm Scaloni ein paar Sekunden vor dem Ende vor: Elfmeterschütze Paulo Dybala ersetzte Nicolas Tagliafico. Davor spielte sich das vermutlich beste Finale der Geschichte ab, es ging hin und her und beide Mannschaften hatten Chancen auf die Entscheidung, die beste durch Randal Kolo Muani, der Sekunden vor dem Abpfiff der Verlängerung an Martinez scheiterte. Auch das, wie so viele andere Szenen dieses denkwürdigen Finales, ein Moment für die Ewigkeit - zumindest aus Martinez' Sicht.
"Wir haben unglaublich gelitten. Wir hatten alles unter Kontrolle, dann haben wir es aus der Hand gegeben, Gott sei Dank hat es noch gereicht. Es war ein unglaubliches, unglaubliches Finale, das habe ich mir nicht erträumt. Mir fehlen die Worte", sagte Martinez, der der sich mit seinen Paraden ebenso unsterblich gemacht hat wie sein Kapitän Lionel Messi.
"Die Welt gehört Messi"
"Die Welt gehört Messi", schrieb die spanische Sportzeitung "AS" und irgendwie stimmt das ja auch. Messi ist angekommen im sehr kleinen Klub der Vollendeten, hat seine Fabelkarriere auf den vermutlich letzten Metern gekrönt. Die Debatten um den grössten Spieler aller Zeiten zielen ins Leere, Messi ist aber auf alle Fälle der beste Spieler seiner Zeit. Und nun auch derjenige mit dem meisten Meriten.
In Argentinien können sie nun für ein paar Tage oder ein paar Wochen die Probleme des Alltags ein wenig vergessen. Das Land hat rund zwei Jahre nach dem Tod von Diego Maradona und 36 Jahre nach dem letzten WM-Triumph neue Helden. "Die Welt ist heute ein gerechterer Ort. Ehre sei Gott, Ehre sei Messi", jubelte "Ole". Argentinien ist zum dritten Mal Weltmeister und das auch zu Recht.
In 41 der letzten 42 Spielen blieb die Aliceleste ungeschlagen - mit Ausnahme des unglaublichen 1:2 zum WM-Auftakt gegen Saudi-Arabien. Da schien alles schon vorbei, noch ehe es beginnen konnte. Aber Argentinien hatte eine ganz entscheidende Zutat für so ein grosses Turnier: Mit jedem weiteren Spiel wurde das Team besser, fand sich als Einheit, hatte einen überragenden Einzelkönner in seinen Reihen und überstand alle brenzligen Situationen - gegen Mexiko, gegen die Niederlande und nun gegen Frankreich - mit Können und dem nötigen Spielglück.
Scalonis Mannschaft trat so homogen auf wie keine andere, trotzte den Rückschlägen und am Ende auch dem schier überbordenden Talent der Franzosen. Und ist deshalb nach sechs Siegen in den sechs entscheidenden Spielen des Turniers auch der verdiente neue Weltmeister.
Verwendete Quellen:
- sport1.de: "Stimmen zum WM-Finale: "Unglaublich""
- spox.com: "Argentinien - Frankreich, WM-Finale 2022: Die Pressestimmen"
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