- Die WM 2022 in Katar ist in vollem Gange und vorher gab es viele Diskussionen um einen Boykott vor den heimischen Fernsehgeräten.
- Die TV-Quoten zeigen, was dran ist.
Die DFB-Auswahl hat bereits zwei WM-Spiele absolviert. Eines gegen Japan, eines gegen Spanien. Gegen die Iberer spielte die Mannschaft von Trainer Hansi Flick am Sonntagabend zur Prime Time um 20 Uhr. Im Normalfall ist diese Sendezeit bei einem grossen Turnier prädestiniert dafür, dass ein grosser Teil der Nation das Fernsehgerät einschaltet und sich dieses Spiel anschaut.
Doch bei der WM 2022 in Katar ist vieles anders. Die erstmalige Verlegung des Turniers in den Winter ist nur ein Grund. Fussball-WM bei Glühwein, Tee und Weihnachtsmarkt fühlt sich anders an, irgendwie falsch.
Das ist allerdings nur das geringste Übel, denn ein Grossereignis in einem Land stattfinden zu lassen, in dem es zu Unterdrückung, zur Kriminalisierung von Homosexualität und zu Menschenrechtsverletzungen kommt, stösst vielen sauer auf. Fussballfans, die sonst jedes WM-Spiel sehen, wollten das Turnier boykottieren. Doch was sagen die Einschaltquoten?
WM-Auftakt mit schwachen Einschaltquoten
Eine Fussball-WM glänzt in der Regel mit sehr guten Einschaltquoten, weil neben den Fussballfans, die ohnehin Woche für Woche Spiele schauen, auch diejenigen einschalten, die sich eher nur für die Grossereignisse interessieren. Bei dieser Weltmeisterschaft scheint das anders zu sein.
Die organisierten Fanszenen riefen vorab zum Boykott der WM auf und direkt in der ersten Turnierwoche machte sich das bemerkbar. Die Quoten rund um das Eröffnungsspiel waren schwach, regelmässig besassen Krimis in Deutschland zu bester Sendezeit höhere Absolutzahlen bei den Zuschauern als das parallel in Katar stattfindende Fussballspiel.
In einigen anderen Ländern ist das Phänomen nicht derart ausgeprägt wie in Deutschland, hierzulande setzen aber viele ihre Boykott-Ankündigung auch in die Tat um. Das erste Spiel der DFB-Elf gegen Japan sahen im Schnitt 9,23 Millionen Menschen. Bis dato kam kein Spiel auf mehr als zehn Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer. Zwar waren Marktanteil und Quote nicht schlecht, aber ein deutlicher Rückgang im Vergleich zu anderen Turnieren war erkennbar.
Keine komplette Abstrafung, keine Rekordquoten
Nun bleibt zu beachten, dass das Spiel gegen Japan an einem Wochentag um 14 Uhr angepfiffen wurde, was die Quote ein wenig drücken könnte. Das Spiel gegen Spanien, an einem Sonntagabend um 20 Uhr, sollte dann Aufschluss darüber geben, wie sich das Konsumverhalten bei dieser WM wirklich gestaltet. Die offizielle Quote übertraf die des Japan-Spiels deutlich, rund 17 Millionen Menschen sahen zu. Von einer grossflächigen Abstrafung zu sprechen, wäre falsch.
Doch auch die potenziellen Rekordquoten, die medial verkauft wurden, entsprechen nicht der Wahrheit. Quoten und Marktanteil waren ordentlich, aber nicht überragend. Zum Vergleich: Deutschland gegen Mexiko bei der WM 2018 sahen noch knapp 26 Millionen Menschen. Zwar sind die Streamingzahlen hier nicht inkludiert, aber schon gegen Japan sorgten diese nicht für eine signifikante Veränderung in der Bewertung. In Deutschland wird noch immer lieber linear geschaut, vor allem zur Prime Time.
WM 2022: Einschaltquoten als Quittung für die Verbände
Neben den Absolutzahlen ist auch der Marktanteil gesunken: von über 80 Prozent bei Deutschland gegen Mexiko 2018 auf knapp 50 Prozent beim Spanien-Spiel. Hier wird die Veränderung sehr deutlich. Zudem gehört das Public Viewing zu einer Sommer-WM, viele Menschen schauen gemeinsam, was die Gesamtquote noch einmal negativ beeinflusst. Dieser Faktor fällt bei der aktuellen Weltmeisterschaft weg, wodurch die negative Veränderung im Endeffekt noch einmal deutlicher ist.
Viele Elemente beeinflussen die Einschaltquoten während dieser Weltmeisterschaft. Es ist keine Ferienzeit, weniger Menschen haben Urlaub als im Sommer. Das alleine erklärt aber nicht den massiven Rückgang der Zahlen. Der Weltverband Fifa erhält die Quittung für die Verfehlungen der letzten Wochen, Monate und Jahre. Ausreden, Relativierungen, Heuchelei von Präsident Infantino und die Verteidigung von Gastgeber Katar spielen eine Rolle, ebenso die Verbote politischer Aktionen und der "One Love"-Armbinde.
Neben dem Weltverband wird auch der DFB abgestraft. Für die jahrelange Entfremdung von der Basis, für halbgare Statements und Aktionen. Die WM 2022 wird für die Fifa also zunehmend zu einem Imageschaden. Weil einerseits weniger Menschen zuschauen, andererseits aber noch genügend dieses Turnier beobachten, um die teilweise halbleeren Stadien und die Probleme rund um diese Veranstaltung zu sehen. Sehr viel schlimmer hätte es nicht kommen können.
Verwendete Quellen:
- rp-online.de: Die Einschaltquoten der bisherigen WM-Spiele in Katar am TV
- dwdl.de: Katar-WM: Selbst Deutschland-Spiel bleibt unter 10 Mio.
- dwdl.de: Schon wieder siegt ein Krimi gegen die Fussball-WM
- spiegel.de: 17 Millionen TV-Zuschauer sahen DFB-Spiel gegen Spanien
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