- Die WM 2022 ist ein Paradebeispiel für Greenwashing durch Sport.
- Nachhaltigkeit spielt nur auf den ersten Blick eine Rolle.
- Es gibt keine Strategien für die Nutzung der Stadien nach der Austragung der Weltmeisterschaft.
Die Vergabe der Weltmeisterschaft 2022 nach Katar wurde und wird bis heute kritisiert. Zweifelsohne gibt es zahlreiche Ansätze zur Kritik. Die schwierige Menschenrechtssituation, Ausbeutung von Arbeitskräften beim Bau der Stadien und der zugehörigen Infrastruktur, der Umgang mit Minderheiten und Korruption sind die offensichtlichsten Punkte, die angesprochen werden müssen.
Auch sportlich stellen sich Fragen. Katar hat keine Tradition als Fussballnation, die Nationalmannschaft wird künstlich durch Einbürgerungen hochgepusht. Hinzu kommt die Verlegung der Weltmeisterschaft in den November und Dezember aufgrund der klimatischen Bedingungen, wenngleich es selbst in den Wintermonaten sehr warm sein kann. Die Anpassung des Spielplans sämtlicher Ligen ist die Folge. Doch es gibt noch einen Kritikpunkt, der mitunter etwas unterrepräsentiert ist: die Frage der Nachhaltigkeit rund um den Bau der Stadien.
Fifa kündigte nachhaltigen Stadionbau für die WM 2022 in Katar an
Der Fussball-Weltverband Fifa verstand es schon seit der Bewerbung des Emirates für die Austragung der Weltmeisterschaft sehr gut, die Kritik an Katar herunterzuspielen oder zu relativieren. Mit eigenen Kampagnen sollte auch nach der offiziellen Vergabe ein positives Bild des austragenden Staates gezeichnet werden. Schon im Jahr 2016 veröffentlichte die Fifa eine Pressemitteilung, in der sie mit einer nachhaltigen Idee für den Bau der Spielstätten warb.
So hiess es damals: "Der Oberste Rat für Organisation und Nachhaltigkeit hat sich heute erneut zu der Verpflichtung bekannt, für die Fussball-Weltmeisterschaft Katar 2022 Stadien bereitzustellen, die Nachhaltigkeitsstandards entsprechen und ein dauerhaftes Umweltvermächtnis hinterlassen." Das sind grosse Worte, denen aber nicht zwingend auch Taten folgten. Inmitten der Berichte über katastrophale Arbeitsbedingungen von Gastarbeitern, die auf ihren Lohn warten, zu lange arbeiten müssen und in kleinen Unterkünften eingepfercht wurden, war dies astreines Greenwashing.
Fussball-WM in Katar: Acht Stadien, sechs Neubauten, viel Kritik
Ursprünglich waren für die WM 2022 bis zu zwölf Stadien vorgesehen. In Absprache mit der Fifa wurde entschieden, dass das für ein kleines Land zu viel sei. Acht Stadien sind es nun, in denen Fussball gespielt wird. Die Kapazität bewegt sich im Bereich von 40.000 Zuschauer bis hin zu mehr als 80.000 Zuschauer im Lusail Iconic Stadium. Sechs Stadien mussten komplett neu gebaut werden, bei zwei waren Ausbau- und Renovierungsmassnahmen fällig.
Schon hier treten erste Zweifel auf, denn in vielen Ländern wäre eine bestehende Infrastruktur mit vielen grösseren Stadien vorhanden gewesen. Die Kosten hätten sich in Grenzen gehalten, auch wenn Renovierungsmassnahmen notwendig gewesen wären. Sechs neue Stadien aus dem Boden zu stampfen, erfordert Zeit, viele Arbeitskräfte und bringt viel Lärm und Energieverbrauch mit sich. Generatoren werden mit fossilen Brennstoffen betrieben, sogar Klimaanlagen in die Stadien eingebaut, damit bei zu hohen Temperaturen der Besuch eines Spiels einigermassen angenehm gestaltet werden.
Nachhaltigkeit nur auf den ersten Blick
Dass Nachhaltigkeitskriterien beim Betrieb der Stadien eingehalten werden, kann sogar durchaus möglich sein. Das ist aber nur ein Mosaikstein in einer Gesamtbetrachtung. Die Fifa hat in Zusammenarbeit mit dem Golfstaat Dokumente zu den Nachhaltigkeitsstrategien veröffentlicht und dabei kurze Transportwege und Verringerung von Emissionen angekündigt. Kurze Wege zwischen den Spielorten gibt es definitiv, Teams müssen ihre Quartiere nicht verlassen, aber das ist eben nur ein Teil der Wahrheit.
Nun weiss die Fifa ebenso wie der Wüstenstaat, dass Klimaneutralität gegenwärtig ein wichtiges Thema ist und dass sich durch derartige Kampagnen öffentlichkeitswirksam Einfluss nehmen lässt. Der Blick hinter die Fassade bringt aber weitere Probleme zum Vorschein. Der Versuch, die Städte durch das Pflanzen von Bäumen grüner zu gestalten, ist aufgrund der klimatischen Bedingungen nur erfolgversprechend, wenn in grossen Mengen künstlich bewässert wird. Pendelflüge für Zuschauer, die nicht alle in Katar untergebracht werden, sondern auch in angrenzenden Staaten, sorgen ebenfalls für Fragezeichen.
Doch zurück zu den Stadien, die zweifelsohne schön anzusehen sind. Ein zentrales Problem ist aber die weitere Nutzung. Grosse Events wird es in Katar nicht regelmässig geben und dass sich der Zuschauerschnitt der heimischen Liga, der aktuell bei unter 10.000 liegt, signifikant erhöhen wird, darf angezweifelt werden. Die Folge ist, dass viele Stadien im Wüstenstaat im Prinzip nur für dieses Turnier errichtet oder ausgebaut wurden und diese in Zukunft nicht vollumfänglich genutzt werden können. Das war schon bei vergangenen Turnieren, beispielsweise in Südafrika, ein wesentlicher Ansatzpunkt für Diskussionen. Dass dem Weltverband Fifa aber auch hier eine Erklärung einfällt, die nur die halbe Wahrheit erzählt, dürfte alles andere als unrealistisch sein.
Verwendete Quellen:
- Fifa: World Cup 2022 Katar
- Fifa: Die Stadien der WM
- Sportschau: WM 2022: Das Märchen von der Klimaneutralität
- Fifa: Nachhaltiger Stadionbau in Katar
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