In Deutschland entstand durch das Aus nach der Gruppenphase kaum WM-Euphorie. Weltweit erreichte das Turnier aber doppelt so viele Menschen wie die letzte WM. Viele der bisherigen Mächte im Frauenfussball scheiterten früh.
Enttäuschung beim DFB-Team, Euphorie bei den "Matildas", dem australischen Nationalteam und bei Weltmeister Spanien. Während die deutsche Nationalmannschaft mit vier Punkten aus zwei Spielen nach der Gruppenphase nach Hause flog, spielten sich die Gastgeberinnen sensationell bis ins Halbfinale.
Und nicht nur sie überraschten: Bei der Frauen-WM in Australien und Neuseeland entfachte der Fussball in Down Under eine Begeisterung wie nie zuvor. Die WM brach viele Rekorde und sorgte für viele Neuheiten. Ein paar Erkenntnisse zur WM.
Die WM der Überraschungsteams: Kolumbien gewinnt gegen Deutschland, Marokko im Achtelfinale
Acht Nationen nahmen zum ersten Mal an einer WM-Endrunde teil, so viele wie nie zuvor. Das lag daran, dass die WM erstmals mit 32 Mannschaften stattfand. Bei den zwei vorigen Weltmeisterschaften waren es nur 24 Teams.
Zwar erreichte von den WM-Neulingen nur Marokko das Achtelfinale, doch gleich mehrere Überraschungsmannschaften kamen in die K.-o.-Runde, mit denen kaum jemand gerechnet hätte. In der deutschen Gruppe kam neben Marokko auch Kolumbien weiter, Südafrika und Jamaika (mit nur einem Tor aus drei Gruppenspielen) waren ebenfalls im Achtelfinale dabei.
Fünf Top-20-Nationen der Fifa-Weltrangliste schieden schon in der Vorrunde aus (Deutschland, Brasilien, China, Kanada, Italien). Nachdem Japan im Viertelfinale ausgeschieden war, war auch klar, dass es einen neuen Weltmeister geben wird. Keine der verbliebenen Nationen hatte den Titel zuvor schon einmal geholt. Mit Spanien und England trafen sich im Finale zwei Mannschaften, die den Männerfussball schon seit Jahrzehnten dominieren, den Frauenfussball aber erst in den vergangenen zehn bis fünfzehn Jahren professionalisiert haben.
Mehr Spielfluss, weniger Tore, bessere Verteidigung: Wie sich das Spiel dem der Männer angleicht
Mehr Nationen gleich mehr Aussenseiter? Dieses Szenario hatten zwar einige Experten vor der WM befürchtet, doch die Zahlen zeigen eher, auf welch hohem Niveau die meisten Mannschaften gespielt haben. Ein 13:0 wie das der USA gegen Thailand 2019 oder ein 11:0-Sieg Deutschlands über Argentinien (2007) gab es bei diesem Turnier nicht. Den deutlichsten Sieg fuhren die Niederlande gegen Vietnam ein (7:0).
In diesem Jahr fielen durchschnittlich 2,56 Tore pro Spiel, vor vier und acht Jahren waren es noch 2,81 Tore. Das zeigt auch, dass die Defensivarbeit der Teams besser geworden ist. Die Zahlen, die der Datendienst "Opta" erhoben hat, belegen das: 24 der 32 Teams sind pro Spiel im Schnitt mehr als 20 Mal ins Tackling gegangen – ein sehr hoher Wert. Zum Vergleich: Die meisten Männer-Bundesliga- und Zweitligateams lagen in der vergangenen Spielzeit bei unter 20 Tacklings pro Spiel.
An der fast bei allen ordentlichen Passquote lässt sich erahnen, dass die Spielqualität insgesamt nicht niedriger ist als in mancher höheren Männerliga. Bei Spanien, England und Deutschland lag die Passquote bei über 80 Prozent, bei den Philippinen und Vietnam bei 56. Bei der Offensivqualität lassen sich schon eher deutliche Unterschiede erkennen. Während Spanien im Schnitt fast 23 Mal pro Spiel auf das gegnerische Tor schoss, lag diese Quote bei Vietnam bei gerade einmal bei 3,3 Schüssen. Vorsichtig lässt sich erkennen, dass es bei dieser WM die groben Ausreisser, vor allem nach unten, nicht mehr gibt. Viele Mannschaften verteidigen ordentlich und haben passable Passquoten.
Quotenrekord im australischen TV
Mehr als sieben Millionen Zuschauer im Schnitt und 11,15 Millionen in der Spitze haben das Halbfinalspiel der "Matildas" gegen England angeschaut. Das bisher meistgesehene TV-Event in Australien war der Sieg von Cathy Freeman im 400-Meter-Finale bei den Olympischen Spielen 2000 mit 8,8 Millionen Zuschauern.
Auch in anderen Teilnehmerländern bescherten die Spiele den übertragenden Sendern teils überragende Quoten – trotz ungewöhnlicher Sendezeiten. Die vier Spiele der US-Mannschaft sahen im Schnitt 3,8 Millionen Zuschauer auf Fox – mehr als noch bei der WM 2019. Englands Achtelfinalsieg gegen Nigeria sahen zu Hause auf der Insel knapp acht Millionen Menschen im TV bei BBC One und im Stream. In Deutschland war die Niederlage gegen Kolumbien im zweiten Gruppenspiel, die von der ARD übertragen wurde, mit 10,36 Millionen Zuschauern immerhin das meist gesehene TV-Event in diesem Jahr.
Der Weltverband Fifa teilte mit, dass die WM am Ende mehr als zwei Milliarden Menschen erreicht haben wird – und damit fast doppelt so viele wie bei der vergangenen WM 2019 (1,19 Milliarden). Wie sie diese Zahl erhebt, hat die Fifa jedoch nicht erklärt.
Magische "Matildas": Wie ein ganzer Kontinent das Frauen-Nationalteam feiert
Beim Halbfinal-Aus flossen bittere Tränen, ein ganzer Kontinent weinte mit den "Matildas", dem australischen Frauen-Team, mit. Vor dem Turnier hätten das in Down Under wohl die wenigsten geglaubt. Sie glaubten nicht, dass die Spielerinnen das Halbfinale erreichen würden, oder, dass sich so viele Menschen für Fussball interessieren würden. In Australien ist Rugby Sportart Nummer eins.
Quotenrekord im TV, Menschenmassen bei den Fanfesten und beim Public Viewing in den Städten. Premierminister Anthony Albanese dachte öffentlich über einen Feiertag bei einem Titelgewinn nach. Die Australier sammelten fleissig Sympathiepunkte während der WM. Zwar sind viele Gastgebernationen euphorisch und feiern den Fussball, doch für ein Land, in dem Fussball kein Volkssport ist und sich vor der WM auch niemand für das Turnier interessierte, ist das besonders.
Equal Pay und mehr Sensibilisierung: Eine WM der Gleichberechtigung?
Mit 103 Millionen Euro schüttet die Fifa so viel Geld an die Teilnehmerinnen der Frauen-WM aus wie noch nie. Die Spanierinnen erhalten als Weltmeisterinnen von der Fifa jeweils rund 248.000 Euro, der spanische Fussballverband hatte sich mit der Mannschaft darüber hinaus auf eine Prämie von 300.000 Euro geeinigt. Damit bekommen die Frauen mehr Geld als die Männer vergangenes Jahr bei einem Sieg in Katar bei der WM erhalten hätten (400.000 Euro in Summe).
Schon als Antrittsgeld gibt es für jede Teilnehmerin 28.000 Euro. Bei der letzten WM 2019 schüttete der Weltverband insgesamt nur knapp 28 Millionen Euro aus. Auch viele nationale Verbände stellten die Frauen finanziell den Männern gleich und stockten die Prämien und auch die Bezahlung auf.
Auch über die Bezahlung hinaus versuchte die Fifa, die Frauen-WM zu nutzen, um zu zeigen, wie sich die Bedingungen im Frauenfussball geändert haben. Mehr kleine Nationen sind dabei, die Medienpräsenz ist stark gewachsen. Aber: Wie der Frauenfussball in den Nationalverbänden gefördert wird, interessiert den Weltverband kaum. Die afghanische Frauen-Nationalmannschaft etwa trainiert und spielt in Australien, nachdem sie vor den Taliban geflohen ist. Von der Fifa erhielt sie während der WM weder Aufmerksamkeit noch Unterstützung. Bei aller Präsenz für den Sport: Der Fifa ging es auch bei diesem Turnier viel um die eigene Imagepflege und den finanziellen Nutzen.
Verwendete Quellen:
- DW.com: WM 2023 mit Rekorden bei Zuschauern und TV-Quoten
- Fifa.com: Fifa Women’s World Cup 2023 breaks new records
- Yahoo.com: Matildas take down Cathy Freeman record in staggering TV ratings for semi-final
- Fifa.com: Statistik zur WM 2023
- Deutschlandfunk: Preisgeld bei Frauenfussball-WM steigt an
- Sportbuzzer: Das kassieren Spaniens Fussballerinnen für den Gewinn des WM-Titels
- Deutschland Players Podcast: Wie erfolgreich die WM für die Fifa wirklich war
- Sportschau.de: Matildas lösen Euphoriewelle in Australien aus
- WhoScored.com: Statistik Frauen-WM 2023 (Passquote, Tacklings, Tore, Torschüsse)
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