Sind die Superstars Schuld an den schlechten Leistungen ihrer Teams? Wayne Rooney ist mit England bereits ausgeschieden, Cristiano Ronaldo dürfte mit Portugal bald folgen. Auch Neymar (Brasilien) und Lionel Messi (Argentinien) haben mit ihren Nationalmannschaften noch nicht überzeugt. Doch die Schuld an den bescheidenen WM-Auftritten ihrer Teams tragen die Superstars nicht alleine.
Cristiano Ronaldo flankt von der rechten Seite, findet Silvestre Varela im Strafraum - Ausgleich zum 2:2. Die Vorarbeit zum Last-Minute-Treffer Portugals gegen die USA: Es war die bislang einzige gelungene Aktion des Weltfussballers Ronaldo bei der WM 2014. Insbesondere bei der 0:4-Klatsche gegen Deutschland ging "CR7" mit seinem Team unter. Der WM-Vierte benötigt ein kleines Fussballwunder, um doch noch das Achtelfinale zu erreichen. Doch Ronaldo macht sich keine grossen Hoffnungen mehr: "Mathematisch ist es möglich, aber tatsächlich ist es fast unmöglich."
Portugal versagt im Kollektiv
Doch Ronaldo trägt nicht alleinig die Schuld an dem sich abzeichnenden Aus seines Teams. In Pepe, Joao Moutinho, Miguel Veloso, Raul Meireles und Nani stehen weitere Spieler in Portugals Kader, die zur internationalen Spitzenklasse zählen. Und dennoch gelingt es diesen Top-Fussballern nicht, ihren Superstar entscheidend zu unterstützen, wenn dieser mal schwächelt. Portugal hat bislang versagt: und das im Kollektiv. Dem seit langer Zeit an Knieschmerzen leidenden Ronaldo das wahrscheinliche Scheitern anzulasten, wäre schlicht unfair.
Wayne Rooney mit Prinz George verglichen
Was bei Portugal Ronaldo, ist bei England Wayne Rooney. Der Stürmer zieht sämtliche Aufmerksamkeit auf sich. Die Hoffnungen auf den ersten WM-Titel seit 1966 ruhten auf den Schultern des Manchester-United-Stars.
Doch bereits im Vorfeld der WM wurde Rooney verspottet und mit Prinz George verglichen. Schliesslich habe Rooney bei einer Weltmeisterschaft genauso viele Tore wie der elf Monate alte Sohn von Prinz William und dessen Frau Kate erzielt - nämlich keinen. Mit seinem ersten WM-Treffer gegen Uruguay überholte Rooney zumindest das "Royal Baby" - ein äusserst schwacher Trost.
Nach den 1:2-Pleiten gegen Italien und Uruguay wurde Rooney zusammen mit Trainer Roy Hodgson zum Sündenbock für das WM-Aus deklariert. Dabei lieferten auch Spieler wie Abwehrchef Gary Cahill und Kapitän Steven Gerrard nicht das ab, was von ihnen erwartet wurde. Die weiteren Offensivkräfte Raheem Sterling, Daniel Sturridge und Danny Welbeck lieferten ordentliche Ansätze, sind in ihrer Entwicklung aber noch nicht weit genug.
England fehlt die Klasse
Dennoch war es Rooney, der sich als einer der ersten den Journalisten stellte und für die WM-Schmach ein dickes "Sorry" nach England schickte. Der 28-Jährige sah in der braven Spielweise seines Teams einen entscheidenden Grund für das Scheitern. "Wenn man sich die Teams anguckt, die die vergangenen Turniere gewonnen haben, kann man die Gemeinheit bei ihnen erkennen", sagte der Stürmer im WM-Quartier. Zukünftig brauche es mehr unsaubere Aktionen der jungen Auswahl, die sich in Brasilien bislang nur zwei Gelbe Karten abholte.
Doch vielleicht ist das Problem viel einfacher: Hodgson musste Spielern wie Ross Barkley, Adam Lallana und Jordan Henderson vertrauen. Deren bisherige Leistungen lassen den Schluss zu, dass ihnen die Klasse fehlt, um die hohen Erwartungen erfüllen zu können.
Brasilien überzeugt noch nicht - trotz Neymar
Für Portugal und England naht das Turnierende - ganz anders ist die Situation bei zwei südamerikanischen Titel-Favoriten. Neben den vorzeitig qualifizierten Argentiniern wird auch Gastgeber Brasilien sehr wahrscheinlich das Achtelfinale erreichen - und das liegt vornehmlich an deren Superstar. Neymar kommt mit dem beinahe unmenschlichen Hype um seine Person immer noch bestens zurecht. Das hat er beim 3:1 im Eröffnungsspiel gegen Kroatien bewiesen. Mit zwei Toren verhinderte der 22-Jährige vom FC Barcelona den Fehlstart, der desaströse Auswirkungen auf die Stimmung im ganzen Land hätte haben können.
Dennoch: Die Leistungen des Gastgebers, vor Turnierstart noch als Top-Favorit gehandelt, sind bislang äusserst bescheiden. Das sieht auch Wolfsburgs Innenverteidiger Naldo so: "Schade! Brasilien spielt überhaupt nicht mehr so gut wie vor einem Jahr beim Confed-Cup. Da haben wir tolles Pressing gezeigt, den Gegner sofort unter Druck gesetzt. Das bekommen wir jetzt nicht hin", schreibt der Brasilianer in einem Gastkommentar für die "Kreiszeitung Syke". Naldo nimmt sich auch Neymar vor: "Der kann alles. Aber im Moment will er zu viel. Gegen Mexiko hat er versucht, Brasilien alleine zu retten. So etwas geht nur selten gut." Doch um eine Mannschaft nicht alleine retten zu müssen, braucht Neymar Hilfe. Und diese kam bislang nicht. Vor allem nicht von seinen Offensivkollegen Hulk, Fred oder Jo.
Wo bleibt die Unterstützung für Lionel Messi?
Wie bei Neymar herrscht auch um Lionel Messi stets ein überbordender Hype. Der 26-Jährige soll Argentinien ausgerechnet im Land des Erzrivalen Brasilien zum WM-Titel führen. Vor dem Turnier hatte "der kleine Floh" erst einen WM-Treffer auf dem Konto. Diesen Wert hat er mit seinen Toren gegen Bosnien-Herzegowina und den Iran verdreifacht.
Doch die Leistung der argentinischen Mannschaft gegen den Iran war erschreckend. Der zweimalige Weltmeister hatte Glück, dass Schiedsrichter Milorad Mazic dem Aussenseiter einen Elfmeter verwehrte. Von der hochkarätigen Offensive Angel di Maria, Sergio Aguero, Gonzalo Higuain und natürlich Messi war nur sehr selten etwas zu sehen - bis zur Nachspielzeit, als der viermalige Weltfussballer den Ball sehenswert ins Tor schlenzte. "Messi ist Messi und er ist in den Momenten zur Stelle, wenn es sonst keiner ist", schwärmte di Maria im Anschluss. Doch den Argentiniern sollte bewusst sein, dass auch ein Messi nicht immer einen Geniestreich in petto hat.
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.