Die "Rote Bestie" Spanien gebändigt und jetzt auch Geheimfavorit Chile geschlagen: Die Niederlande präsentieren sich bei der WM 2014 in glänzender Form und haben sich längst zu einem Titelfavoriten aufgeschwungen. Bayern Münchens Arjen Robben könnte der Star des Turniers werden - aber auch Trainer Louis van Gaal hat grossen Anteil am Erfolg.
Nach dem 2:0-Erfolg gegen Chile war die Stimmung im Lager der Niederländer prächtig. Den Gruppensieg vor starken Chilenen und Weltmeister Spanien eingefahren - da liess sich bei den niederländischen TV-Reportern sogar unbeschwert über das "beste Stück" des Trainers witzeln. Louis van Gaal habe einen "goldenen Willi", sagte Arjen Robben nach dem Match. Ein zweideutiges niederländisches Sprichwort, das ins Deutsche auch als "goldenes Händchen" übersetzt werden kann. Van Gaals trockene Antwort darauf: "Truus (seine Frau, Anm. d. Red.) hat das noch nie zu mir gesagt."
Auch der "Bondscoach" ist also bester Laune. Das verwundert nicht, schliesslich hat der 62-Jährige aus einem Team mit wenigen Stars und vielen "No-Names" einen ernstzunehmenden WM-Titelkandidaten geformt. Wer vor Turnierbeginn bei den diversen Wettanbietern auf die Niederlande als Weltmeister setzte, bekäme bei einem Titelgewinn der "Elftal" ca. das Dreissigfache seines Einsatzes wieder. Wer heute denselben Tipp abgibt, erhält lediglich das Neunfache.
Arjen Robben: der Topstar der WM?
Der momentane Erfolg der "Elftal" hat viele Komponenten. Eine davon ist eindeutig Arjen Robben. Der Flügelspieler des FC Bayern München demonstrierte gegen Spanien seine ganze Klasse, als er die Verteidigung des Weltmeisters völlig lächerlich machte und traumhaft doppelt traf. "Wenn ich topfit bin, habe ich meine Kraft und meine Schnelligkeit. Dann fühle ich mich gut auf dem Platz", sagt Robben über sich selbst. Bleibt der Bayern-Star den Rest der WM von Verletzungen verschont, ist für die Niederlande alles möglich. Und Robben könnte zum Topstar der WM avancieren.
Doch es ist nicht nur Robben, der für "Oranje" glänzt. Die übrigen Stars Wesley Sneijder und Robin van Persie zeigen in Brasilien ihre Spitzenklasse - vor allem der gegen Chile gelbgesperrte van Persie ist mit seiner immensen Torgefahr (drei Tore in zwei Spielen) ein Schlüsselspieler bei den Niederländern.
"No-Names" überzeugen
Aber auch Spieler, die zuvor fast nur Insider des niederländischen Fussballs kannten, trumpfen in Brasilien auf - angefangen vom bisher fehlerfreien Keeper Jasper Cillessen, über Daley Blind (beide Ajax Amsterdam) bis hin zu Daryl Janmaat und Stefan de Vrij (beide Feyenoord Rotterdam). Hinzu kommt ein Trainer, der das zu Anfang bereits zitierte "goldene Händchen" hat. Gegen Chile wechselte van Gaal Memphis Depay und Leroy Fer ein - und beide erzielten kurze Zeit später die Tore zum 2:0-Erfolg. "Er weiss, was er tut", sagt Robben über seinen Coach. "Ich kenne ihn und weiss, was er kann. Ich habe vom ersten Tag an gesagt: Wenn wir etwas erreichen wollen, müssen wir ihm vertrauen und ihm folgen."
Auch in der Heimat erfährt van Gaal immer mehr die Anerkennung, die ihm vor WM-Beginn verwehrt wurde. Seine Kritiker, allen voran van Gaals Intimfeind Johan Cruyff, prangerten die Abkehr vom in den Niederlanden seit Jahrzehnten praktizierten 4-3-3-System an. Stattdessen installierte der "Bondscoach" ein 3-5-2-System, das sich bei Ballverlust in ein defensiveres 5-3-2-System umwandelt. Für Robben ist der Grund der Systemumstellung simpel: "Du musst immer auf deine Qualitäten schauen, die du in der Mannschaft hast. Das hat der Trainer gemacht."
Und das mit Erfolg: Weltmeister Spanien fand gegen diese ungewohnte Variante überhaupt keine Mittel. Der Sieg der Niederlande gegen Spanien war auch ein Taktiksieg van Gaals über Spanien-Trainer Vicente del Bosque.
Noch ist nicht alles perfekt
Doch trotz der bislang überzeugenden Spiele haben die Niederlande noch einen weiten Weg bis zum WM-Triumph vor sich. Schliesslich laufe immer noch nicht alles perfekt, wie das Team selbst zugibt. Nach der Partie gegen Chile kritisierte van Gaal das etwas behäbige Aufbauspiel. Sein Team hätte bei eigenem Ballbesitz Mühe gehabt, so der Trainer, der dann forsch von sich gab: "Wenn wir uns in dieser Beziehung noch verbessern, können wir sogar Weltmeister werden."
Um dieses Unterfangen in die Tat umzusetzen, muss "Oranje" erst einmal die starken Mexikaner im Achtelfinale bezwingen. Ein Duell mit Deutschland wäre frühestens im Halbfinale möglich - und zwar dann, wenn Deutschland Gruppenzweiter wird. Gewinnt die DFB-Elf die Gruppe, kann sie erst im Finale auf die Niederlande treffen.
Deutschland sollte den dafür notwendigen Punkt gegen die USA also einfahren. Denn je länger ein Duell mit diesen Niederlanden hinausgezögert werden kann, desto besser ...
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