Heftige Diskussionen und wüste Verschwörungstheorien nach dem umstrittenen Elfmeterpfiff im Eröffnungsspiel der WM 2014 zwischen Brasilien und Kroatien: Die Kroaten fühlen sich nach dem 1:3 zum WM-Auftakt von Schiedsrichter Yuichi Nishimura um ein besseres Ergebnis betrogen - und das nicht zu Unrecht, wie Manfred Kranzfelder findet. "Der Referee sah dabei nicht gut aus", sagt der Schiedsrichter-Lehrwart des Bayerischen Fussball-Verbands im Interview mit unserem Portal hinsichtlich des höchst umstrittenen Elfmeters für die Brasilianer.
Kroatiens Trainer Nico Kovac war kaum zu beruhigen: "Wenn das ein Elfer war, muss es bei dieser WM 100 Stück geben. Wir spielen Fussball und kein Basketball. So verkommt die ganze Sache zu einem Zirkus. Das ist eine Schande", polterte Kovac.
Auch einen Tag nach der Partie erhitzt die Elfmeterentscheidung noch immer die Gemüter aller Beteiligten und Fans. Nach einer Berührung des Kroaten Dejan Lovren an der Schulter des brasilianischen Stürmers Fred entschied Schiedsrichter Yuichi Nishimura auf Elfmeter. Brasiliens Superstar Neymar verwandelte den Strafstoss zum vorentscheidenden 2:1.
Für ganz Brasilien und auch Nationaltrainer Luiz Filipe Scolari eine nachvollziehbare Entscheidung des japanischen Unparteiischen: "Der Schiedsrichter hat das so gesehen, und ich denke auch, dass es ein Elfmeter war."
"Nishimura steht falsch"
Das sieht Manfred Kranzfelder ein wenig differenzierter. "Den geben sicher nicht alle Schiedsrichter", meint der Schiedsrichter-Lehrwart des Bayerischen Fussball-Verbands im Gespräch mit unserem Portal. "Er sieht zwar den Arm des Abwehrspielers an der Schulter des Stürmers, der dann zu Boden geht. Aber aus meiner Sicht hat der Angreifer schon nachgeholfen." Laut Kranzberger sei dies jedoch eine normale Aktion des Stürmers, der in einer solchen Situation das Beste herausholen möchte.
Für den Experten ist eher das Stellungsspiel des Schiedsrichters der Grund für die Fehlentscheidung: "Nishimura hätte zentraler stehen müssen. Das war nicht optimal. Wobei man nicht sagen kann, ob er die Situation dann anders beurteilt hätte." Klar ist für den Experten aber auch, dass der Schiedsrichter nie den gleichen Blick auf die Situation haben kann wie die Fernsehzuschauer beispielsweise über die Hintertor-Kamera.
Dem Linienrichter gibt Kranzfelder ausdrücklich keine Schuld an der Fehlentscheidung. "Wenn für den Schiedsrichter die Entscheidung klar ist, kann der Assistent ihn nur schwer umzustimmen."
"Fifa kennt ihre Schiedsrichter"
Yuichi Nishimura ist ein international unbekannter Schiedsrichter, der selten auf einem Niveau wie dem einer Weltmeisterschaft pfeifen muss. Ist er der richtige Mann für ein WM-Eröffnungsspiel? Kranzfelder sieht die Verantwortung hier bei der Fifa: "Wir tun uns bei so einer Beurteilung natürlich schwer, weil wir die Schiedsrichter ausserhalb Europas das ganze Jahr über nicht sehen. Dadurch können wir nicht beurteilen, ob sie für so ein wichtiges Spiel geeignet sind. In der Fifa gibt es grosse Männer, die das entscheiden müssen. Und die werden sich im Vorfeld der WM sicherlich ein Bild von den 25 Nominierten gemacht haben.
Bei der ganzen Diskussion stellt Kranzfelder jedoch auch eine Doppelmoral in der Einschätzung durch Verantwortliche, Medien und Fans fest: "Wenn der Schiedsrichter die gleiche Situation im Mittelfeld pfeift, kräht kein Hahn danach."
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