Nach seiner Fussverletzung spielte Manuel Neuer gegen die U20 erstmals seit acht Monaten wieder, nun muss er sich im Test gegen Österreich beweisen. Zwei Testspiele – reicht das, um zur Weltmeisterschaft nach Russland mitzufahren? Ex-Bayern-Torhüter Jean-Marie Pfaff ist sich sicher: Neuers Erfahrung erleichtert seine Rückkehr.

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Jean-Marie Pfaff stand zwischen 1982 und 1988 im Tor des FC Bayern. Der Belgier galt als einer der besten Torhüter der Welt. Im Interview erklärt er, weshalb die fehlende Spielpraxis für den Nationaltorhüter kein Problem ist und weshalb Neuer unter einem Fussball-Burnout litt.

Manuel Neuer stand am Montag zum ersten Mal seit knapp 8 Monaten wieder in einem Spiel auf dem Platz. Torwarttrainer Andi Köpke meinte anschliessend, er müsse auch im Test gegen Österreich spielen. Sind zwei Einsätze vor der WM ausreichend, um fit zu werden?

Jean-Marie Pfaff: Natürlich reichen die beiden Einsätze. Ich bin mir sehr sicher, dass er das schafft. Mir ging es im Dezember 1985 ähnlich, als ich mich verletzt habe. Ich habe noch ein Spiel gemacht, bin an der Bauchmuskulatur und der Leiste operiert worden. Nach monatelanger Pause habe ich gleich wieder gespielt. Ich glaube, das ist möglich.

Bei Feldspielern ist Spielpraxis unerlässlich, um Top-Leistungen abrufen zu können. Wie wichtig ist Spielpraxis bei Torhütern?

Manuel Neuer ist nicht wie alle anderen. Er hat so viel Erfahrung. Natürlich hat er lange Zeit nicht gespielt, aber das schafft er. Denn er tut alles, um dabei zu sein. Die Mannschaft braucht ihn, Deutschland braucht ihn.

Inwiefern macht es für Deutschland einen Unterschied, ob Manuel Neuer oder ob Marc-Andre ter Stegen im Tor steht?

Marc-Andre ter Stegen hat eine sehr gute Saison gespielt in Barcelona, aber Manuel Neuer ist anders. Wenn Neuer schon 30 Minuten ohne Probleme gespielt hat, kommt er wieder rein, je länger er mit der Mannschaft zusammen ist. Vorher hatte er ja auch schon bei Bayern München mittrainiert. Er ist dabei, er macht alles mit. Wer so viele Jahre an der Spitze steht, braucht nicht so viele Spiele, um wieder reinzukommen.

Neuer pflegt als Torhüter einen sehr offensiven Spielstil. Sehen wir einen vorsichtigeren Manuel Neuer, wegen seiner Fussverletzung?

Die Verletzung hat mit seinem Spiel nichts zu tun. Das Spiel bleibt das gleiche, sein Einsatz bleibt auch der gleiche. Er wird spielen wie früher, warum sollte er das nicht? Wenn er dann im Tor steht, denkt er nicht mehr an seine Verletzung und wird einfach mitspielen.

Seit mehr als einem Jahr kämpft er mit Verletzungen, die immer wieder aufgebrochen sind. Nun muss er innerhalb kurzer Zeit wieder auf Top-Niveau sein, um spielen zu dürfen. Auch psychisch keine einfache Situation für Neuer.

Er hat sich im Spiel gegen Madrid (April 2017, Mittelfussbruch, d. Red.) verletzt und recht schnell wieder gespielt, natürlich mit Spritze. Ich habe auch schon mit Spritze gespielt, aber ich denke mir: Wenn ich verletzt bin, welchen Sinn macht es, gleich wieder zu spielen? Das hat Neuer vielleicht falsch gemacht. Er wollte dabei sein und dachte sich, es wird nicht schlimm sein, wenn es nur ein bisschen wehtut. Aber es ist schlimmer geworden – dann musste er operiert werden. Ein Fussball-Burnout ist das. Du musst dir alles gefallen lassen und bekommst kein "Danke" dafür. Heilt die Verletzung, ist es gut. Wenn sie nicht heilt, heisst es gleich: Warum spielt er nicht? Als Spieler hast du einen Ehrgeiz. Er hat seinen Ehrgeiz getestet und gemerkt, dass es nicht so einfach ist. Manuel Neuer hat nur einen Fehler gemacht, indem er immer weiter gemacht hat.

Sie glauben, Neuer hatte einen „Fussball-Burnout“?

Ich sage nicht, dass Neuer Burnout hatte. Wer aber verletzt ist und nicht spielt, gerät sofort in die Kritik und alle fragen, warum er nicht spielt. Das ist wie im normalen Leben: Jeder arbeitet immer mehr, immer länger. Wenn wir krank sind, arbeiten wir weiter. So war es auch bei Manuel: Er wollte helfen und hat deshalb trotz seiner Verletzung gespielt.

Welchen Einfluss hat Neuers Leistung auf das gesamte Team bei der WM?

Deutschland hat keine Mannschaft wie Panama, Deutschland ist der Titelverteidiger. Bei Deutschland kannst du zehn Mannschaften aufstellen und sie würden trotzdem gewinnen.

Ist Marc-Andre ter Stegen die beste Alternative für Neuer?

Lassen Sie uns davon ausgehen, dass Neuer dabei ist. Ter Stegen ist sowieso dabei. Er macht das sehr gut, aber er ist kein Manuel Neuer. Ich vergleiche keine Menschen miteinander, denn beide haben viel Erfahrung, sind aber unterschiedlich. Leider kann man nicht zwei Leute ins Tor stellen, da muss man so ehrlich sein und sagen, wenn Manuel zurück ist, ist er die Nummer eins. Nichtsdestotrotz: Deutschland ist so gut, sie bräuchten oft gar keinen Torwart.

Wer ist Ihr Favorit auf den WM-Titel?

Deutschland ist immer Favorit. Dieses Jahr wird das Finale Deutschland gegen Belgien heissen (lacht). Wenn sich in der belgischen Nationalmannschaft niemand verletzt, glaube ich, dass wir (mit "wir" meint er die Mannschaft seines Heimatlandes Belgien, d. Red.) ein gutes Turnier spielen. Und dann werden wir gegen euch (Deutschland, d. Red.) endlich einmal gewinnen (lacht).

Wie verfolgen Sie die Weltmeisterschaft?

Ich halte während der Zeit viele Vorträge und werde zu den Spielen in Belgien in den Stadien sein bei den Fans, im Pulverfass (lacht).

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