Deutschland steht gegen Schweden mit dem Rücken zur Wand, der Bundestrainer muss nun personelle und taktische Varianten präsentieren, die auch greifen. Aber welche Möglichkeiten bleiben Joachim Löw, um das Desaster des frühen Ausscheidens zu verhindern?
Ein paar gute Ideen hatte
Zwei Jahre später reaktivierte Löw die lange Zeit vermisste Dreierkette im Viertelfinale der EM gegen Italien. Das kam zwar nicht bei jedem Experten gut an, reichte aber immerhin zum ersten Sieg über den Angstgegner überhaupt bei einem Turnier.
Nun steht Löw - mal wieder - vor einem bedeutsamen Gruppenspiel. In jedem seiner fünf Turniere als Bundestrainer gab es ein entscheidendes Spiel in der Vorrunde, nach Österreich (2008), Ghana (2010), Dänemark (2012), den USA (2014) und Nordirland (2016) sind es nun die Schweden (Samstag, 20 Uhr LIVE bei uns im Ticker) und wenige Tage später Südkorea, die Deutschland ins sportliche Verderben stürzen könnten. Nur einmal hat eine deutsche Mannschaft die Gruppenphase einer WM nicht erreicht: Das war vor 80 Jahren, bei einem völlig anderen Turniermodus.
Es riecht nach Dreierkette
Löw kennt diese Situation, aber in diesen Tagen ist die Lage besonders ernst. Deutschland muss wohl beide Spiele gewinnen, um noch ins Achtelfinale der WM 2018 einzuziehen. Und Löws Mannschaft ist offenbar wankelmütig und unberechenbar wie kaum eine andere zuvor unter seiner Regie.
Klar ist, dass auch dieses Team mehr kann als es in den trostlosen 90 Minuten gegen Mexiko gezeigt hat. Klar ist aber auch, dass es dafür Änderungen auf allen Ebenen bedarf.
Personell und spieltaktisch wird Löw variieren müssen. Ein "Weiter so", seine Nibelungentreue zu verdienten Spielern kann es im wohl wichtigsten Spiel der jüngeren deutschen Länderspielgeschichte nicht mehr geben. Deshalb wurden im Training auch alternative Übungsformen eingeübt. Unter anderem soll Löw dort die A-Mannschaft mit einer Dreierkette aufgestellt haben, wie es die "Bild" berichtet. Das würde tatsächlich auf ein sehr offensives 3-4-3 schliessen lassen.
In den letzten Tagen kristallisierte sich in den Gesprächen mit einigen Spielern heraus, dass Deutschland von Mexiko überrascht wurde. Der Weltmeister war von einem aggressiven, früh pressenden Gegner ausgegangen, der hohes Risiko geht und dafür hinter diesem hochstehenden Pressingblock genug Raum bieten würde. Genau das Gegenteil war der Fall und Deutschland wussten damit offenbar kaum umzugehen.
Schweden ist wohl leichter zu lesen
Die Schweden sind dagegen vergleichsweise leichter zu lesen. Die "Trekronor" spielen nun seit Jahren in einem handelsüblichen 4-4-2 gegen den Ball. Alle Spieler sollen dabei möglichst hinter dem Ball sein, um mit zwei eng stehenden Viererketten und den beiden Angreifern davor erst ab der Mittellinie angreifen und das Zentrum kontrollieren zu können.
Die Schweden scheinen mit ihren sehr konservativen Ansätzen deutlich vorhersehbarer und in der Vorbereitung auch eine Spur einfacher für Löws Analysten. Dazu kommt das recht durchschaubare Offensivspiel mit vielen langen und hohen Bällen in die Spitze, um den Rest der Mannschaft nachrücken zu lassen. Schnell und riskant durchs Zentrum spielen die Schweden fast nie. Die Torsicherung mit einer sehr starken Restverteidigung bleibt ihr oberstes Gebot - zumal der Aussenseiter mit einem Remis gegen Deutschland absolut leben könnte.
Konterabsicherung muss besser werden
Deutschland benötigt also so viele Überzahlsituationen wie möglich im Mittelfeld. Mit zwei hängenden Flügelspielern im 3-4-3, den beiden Sechsern und den hochschiebenden Aussenverteidigern wäre dieser Bereich des Spielfelds stets mit sechs Spielern besetzt, was bei der Viererkette des Gegners immer wieder für Zuordnungsprobleme führen dürfte und die Frage: Wer rückt wann aus seiner Position heraus, um die deutsche Überzahl zu neutralisieren?
Weiterer Vorteil: Die furchtbar schlechte Konterabsicherung aus dem Mexiko-Spiel könnte auf einen Schlag gleich doppelt verbessert werden. Zum einen stünden in der Restverteidigung drei Spieler und ziemlich wahrscheinlich dann auch drei gelernte Innenverteidiger. Und zum anderen blieben die beiden Aussenverteidiger als zusätzliche Absicherung. Gegen Mexiko war besonders Marvin Plattenhardt stets zu breit stehengeblieben, war bei eigenem Ballbesitz nicht eingerückt und so bei Ballverlusten nie zur Stelle, um noch auszuhelfen.
Gündogan im Mittelfeld, Müller zentraler Angreifer?
Ebenfalls ein mögliches Szenario: Eine Umstellung auf 4-1-4-1. Mit der gewohnten Viererkette, davor einem reinen Abfangjäger, der eng an den Innenverteidigern bleibt und zwei kreativen Spielern auf den Halbpositionen im Mittelfeld. Die Aussenverteidiger könnten mit den beiden Flügelspielern Pärchen bilden und den Gegner über die Aussen knacken - und sie müssten nicht stets ganz so hoch stehen und damit grossen Raum in ihren Rücken preisgeben.
Ganz generell dürfte das tiefe Pressing der Schweden Deutschland liegen, um schneller ins Ballbesitz- und Positionsspiel zu kommen und jene Spielkontrolle zu erlangen, die gegen Mexiko vermisst wurde. Was unweigerlich auch zu den offenen Personalfragen führt.
Ein Spieler wie
Die Schweden werden in der letzten Linie noch weniger Räume anbieten als Mexiko. Für Timo Werner ist das Gift, der Angreifer benötigt zumindest ein wenig Platz, um seine Stärken auch auszuspielen. Ein klassischer Wandspieler ist Werner nicht und auch nicht kreativ genug, mit einleitenden Pässen die Mitspieler einzusetzen.
Bekommt Süle eine Chance?
Müller, Hector, Gündogan, sehr wahrscheinlich Marco Reus stehen als Startspieler oder in anderen Rollen als zuletzt bereit. Dazu noch ein dritter Innenverteidiger, wenn Löw mit einer Dreierkette spielen lässt. Im Sinne der Blockbildung dürfte da dann Niklas Süle die Nase vorn haben und die komplette Abwehr mit Spielern des Rekordmeisters auffüllen.
Der Bundestrainer hat sich in diesen Tagen in Sotschi betont lässig und aufgeräumt gezeigt. Aber Löw weiss auch, dass das Spiel gegen die Schweden sehr entscheidend für seine ganz persönliche Zukunft wird. Ab sofort sollte jede seiner Ideen auch fruchten.
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.