Viel Marketing, wenig Fannähe, zudem eine schlechte Quartier-Auswahl für die WM. Die Kritik an der deutschen Nationalmannschaft trifft vermehrt auch Oliver Bierhoff.

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Ein neuer Begriff macht in Deutschland die Runde: "Die Bierhoffisierung des Fussballs."

Damit gemeint ist die Zielsetzung von Nationalmannschaftsdirektor Oliver Bierhoff, die deutsche Nationalmannschaft zu einer Weltmarke zu entwickeln. "Wir müssen den Mut haben, die Nationalmannschaft als Premiumprodukt zu positionieren", sagte er bereits vor zwei Jahren.

Vorbilder waren zum Beispiel die brasilianische Nationalmannschaft, die in der ganzen Welt als "Selecao" bekannt ist, oder die italienische Auswahl, die weit über die eigene Landesgrenze "Squadra Azzurra" genannt wird.

Unter der Führung von Bierhoff wurde selbiges mit dem Begriff "Die Mannschaft" versucht. Dabei gibt es in Deutschland weder Fans noch Spieler, die diesen Begriff so richtig in ihren Wortschatz aufgenommen haben.

Gutes Management beim "Sommermärchen 2006"

Es passt zu der Strategie von Bierhoff, die DFB-Auswahl mit aller Gewalt in höhere Sphären zu pushen. "Die Nationalelf ist quasi die vierte Macht im Staat", hatte er einmal gesagt.

Damit griff er auf eine DFB-Studie zurück, in der es hiess: "Die Nationalmannschaft schafft einen sozialen Mehrwert für die Gesellschaft, indem sie integrierende Wirkung entfacht und für verbindende Gemeinschaftserlebnisse der Nation sorgt."

Tatsächlich hatte die deutsche Nationalmannschaft unter der Leitung von Bierhoff mit dem "Sommermärchen 2006" für einen neuen Nationalstolz gesorgt.

Die Liebe zur DFB-Auswahl hatte die Menschen in Deutschland vereint - ob nun mit oder ohne Migrationshintergrund.

Kritiker werfen Bierhoff jedoch vor, die Mannschaft habe sich seitdem von der Bevölkerung immer mehr distanziert. Fannähe rund um die WM 2018? Die hätte es vielleicht gegeben, hätte Deutschland wieder die WM gewonnen und sich vor dem Brandenburger Tor feiern lassen.

Während der Turniervorbereitung war das Trainingszentrum in Südtirol hingegen hermetisch abgeriegelt.

WM 2018: Hohle Phrasen, unnahbares Team

Die Marketing-Offensive von Bierhoff lief gefühlt ins Leere. Einerseits sollten hippe Marketing-Begriffe wie "#ZSMMN GROssES ERREICHEN" für ein Miteinander stehen. Andererseits wurden die Fans von der Mannschaft ferngehalten.

Marketing Fachmann Pierre Hatje kritisierte auf horizont.net: "Ein Marketingslogan kann immer nur so gut sein, wie er mit Leben gefüllt wird. Ohne erkennbare Authentizität wirkt die Phrase leer und austauschbar."

Das zeigte sich auch an den Zuschauerzahlen. Die mangelnde Fannähe, aber auch teure Ticket-Preise und familienunfreundliche Anstosszeiten haben mit dazu geführt, dass die Heimspiele der deutschen Nationalmannschaft schon längst nicht mehr automatisch ausverkauft sind.

Auch innerhalb der Nationalmannschaft waren Entscheidungen von Bierhoff nicht unumstritten. Der vielleicht grösste Streitpunkt: das Mannschaftsquartier in Russland.

Bundestrainer Joachim Löw und auch viele Spieler wünschten sich ein Quartier mit einem Wohlfühlfaktor wie Campo Bahia 2014.

Schöne Quartiere hätte es auch in Russland gegeben. Trainerteam und Mannschaft waren im Vorjahr, als Deutschland den Confed Cup gewann, von ihrem Quartier in Sotschi rundum begeistert.

Nun war alles anders: Bierhoff entschied, dass die Mannschaft das schmucklose Watutinki-Hotel bezieht.

Der Grund: Die Entfernung zu den Spielorten ist geringer. Vor allem hätte man das Halbfinale und Finale fast vor der Haustür gehabt. Konnte ja niemand ahnen, dass Deutschland nicht einmal die Vorrunde übersteht.

Begeisterung löste das Quartier weder bei der Mannschaft noch bei den Trainern aus. Löw verglich das Hotel mit einer Sportschule.

Unabhängig von der schmucklosen Atmosphäre soll das Quartier einige Mängel gehabt haben. Co-Trainer Thomas Schneider soll zeitweise kein Wasser auf seinem Zimmer gehabt haben. Zudem hatte der Trainingsplatz nicht die richtige Rasenlänge.

Entzweiung zwischen Löw und Bierhoff?

Laut mehrerer Medienberichte hat das Verhältnis zwischen Löw und Bierhoff zuletzt gelitten.

Während Löw für das Vorrundenaus die Verantwortung übernahm, behauptet Bierhoff auch im Nachhinein noch, er hätte mit dem WM-Quartier die richtige Wahl getroffen.

Gleichwohl nimmt die Kritik an Bierhoff zu. Ihm wird von den Medien auch mit angelastet, dass er Mesut Özil nach dem Ärger um die Erdogan-Fotos weder vor noch während der WM dazu bringen konnte, ein öffentliches Statement abzugeben.

Es wäre aber falsch, die plötzliche Misere der Nationalmannschaft lediglich Bierhoff anzulasten. Der EM-Held von 1996 hat auch Gutes vollbracht.

Unter seiner Führung erzielte der DFB Rekordgewinne, die hauptsächlich auf die Nationalmannschaft zurückzuführen sind. Diese Gelder kommen nicht zuletzt dem Amateur- und Jugendfussball in Deutschland zugute.

Zudem hat Bierhoff die in Frankfurt entstehende DFB-Akademie auf den Weg gebracht, wo Spieler, Trainer und Schiedsrichter gefördert werden sollen - ein wichtiger Schritt in die Zukunft.

Das Wichtigste wird allerdings sein, dass Bierhoff die deutsche Nationalmannschaft wieder auf Kurs bringt - und die Fans dabei nicht vergisst. Daran wird seine Arbeit letztendlich gemessen werden.

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