- Lionel Messi hat im Halbfinale gegen Kroatien einmal mehr seine herausragende Klasse unter Beweis gestellt.
- Er steuerte zum 3:0-Sieg ein Tor, zwei Vorlagen und ein paar magische Momente bei.
- Am Sonntag wird er WM-Rekordspieler sein. Und endlich auch Weltmeister?
Lionel Messi blickte immer wieder ins Publikum. Er liess den Blick schweifen, sog die Atmosphäre und die Zuneigung der Fans auf, die völlig aus dem Häuschen waren. Der 35-Jährige geniesst die Liebe, die Freude, die er und seine Argentinier den Anhängern bei der WM in Katar bescheren. Er feiert, er singt und er tanzt mit ihnen, so auch nach dem 3:0 (2:0)-Sieg im Halbfinale gegen Kroatien. Es sind inzwischen gewohnte Bilder, verbunden mit der innigen Hoffnung einer ganzen Nation, dass auch am Sonntag nach dem Finale, dem wohl letzten grossen Tango in der Karriere
"Mir geht so viel durch den Kopf. Ich weiss nicht, wie ich meine Gefühle beschreiben soll, wenn ich die Leute sehe, die Menschen, die Familien, die Fans, die an unserer Seite stehen", sagte ein bewegter Messi nach dem Spiel. Dabei dachte er auch an seine eigene Familie. "Sie ist für mich das Allerwichtigste. Wir haben auch schwere Zeiten durchlebt, und meine Frau war immer an meiner Seite. Der Sieg ist also auch für meine Familie."
Halbfinale der WM 2022: Argentinien hat Gegner schnell im Griff
Am Ende sollen es ein weiterer Sieg gegen Frankreich oder Marokko und damit der ersehnte WM-Titel sein. Klar ist nach dem Halbfinale: Messi und die Argentinier sind bereit für den grossen Wurf, für die historische Chance, für diesen letzten Tanz, der dem Land so viel bedeutet. Von einer überschaubaren ersten halben Stunde abgesehen hatte die "Albiceleste" die Kroaten im Griff und dem sonst so unangenehmen und defensiv starken Gegner früh die Zähne gezogen.
Der Rest war eine souveräne Vorstellung und nach dem wilden Viertelfinale gegen die Niederlande noch einmal ein Ausrufezeichen und eine Ansage, dass man sich den Titel nicht mehr nehmen lassen will. "Es ist schwierig, gegen Argentinien zu spielen, gegen Messi. Die erste halbe Stunde waren wir gut, liegen aber 0:2 hinten. Messi hat beim dritten Tor gezeigt, was er schon seine ganze Karriere zeigt", sagte Kroatiens Verteidiger Borna Sosa.
Messi geht bei seiner wohl letzten WM nochmal an seine Grenzen, übernimmt die Verantwortung, führt seine Mannschaft an und schwingt den Taktstock, magische Momente inklusive. Den Foulelfmeter zum 1:0 verwandelte er selbst (34.), das 2:0 bereitete er ebenso vor (39.) wie das 3:0 (69.), vor dem er erst seinen Gegenspieler Josko Gvardiol wieselflink austanzte und den Ball dann massgenau in die Mitte passte. Die Argentinier sind im Flow, haben den Turnier-Rhythmus nicht nur gefunden, sondern auch Tempo aufgenommen. So sind sie nur schwer zu bremsen.
Die nächsten Rekorde
Da war es Messi sogar egal, dass er ein Rekordspiel absolviert und mal wieder Massstäbe gesetzt hatte. So stellte er mit seinem 25. WM-Spiel den Rekord von Lothar Matthäus ein. Diese Bestmarke wird am Sonntag mit dem Finale und seinem dann 26. Einsatz komplett ihm gehören.
Mit elf WM-Toren ist er schon jetzt der beste WM-Torschütze Argentiniens, er überholte Gabriel Batistuta. Ausserdem ist er jetzt an insgesamt 19 WM-Toren beteiligt - elf schoss er selbst, acht bereitete er vor. Damit steht er auf einer Stufe mit Miroslav Klose, Ronaldo und Gerd Müller. Den Goldenen Ball als bester Torschütze in Katar hat er mit fünf Toren auch im Blick.
"Daran denke ich gar nicht", sagte Messi: "Ich denke, dass wir uns riesig freuen und dass es mir Spass macht, so weit zu kommen. Das ist das Wichtigste. Wir haben auf uns vertraut und haben die Leute darum gebeten, uns zu vertrauen, weil wir wussten, dass wir bis hierhin kommen wollten", sagte Messi. Er wiederholte dann noch einmal die wichtigste Erkenntnis des Abends: "Jetzt sind wir erneut im Finale."
Khedira von Messi überrascht
Messi ruft bei diesem Turnier auf den Punkt genau viel von seiner alten Klasse ab, um es seinem Idol Diego Maradona mit dem WM-Titel nachzumachen. Messi ist in Katar an neun der zwölf Tore Argentiniens beteiligt, und damit, dass er Spielwitz und Spritzigkeit so nachhaltig wie effektiv einsetzt, überrascht er nicht wenige.
"Mich überrascht er total", gibt ARD-Experte
Messi ist zwar das Herz der Argentinier, trotzdem wäre der 35-Jährige nichts ohne das Kollektiv. Dazu gehört das Defensiv-Bollwerk, mit Rückhalt Emiliano Martinez im Tor. Oder Bluthunde wie Rodrigo de Paul, die ihm den Rücken freihalten. Oder Vollstrecker wie Julian Alvarez, die seine Vorlagen verwandeln. Der 22 Jahre alte Jungstar von Manchester City holte den Elfmeter zur Führung heraus und erzielte zwei Tore selbst. Herausragend war sein Solo zum 2:0, als er aus der eigenen Hälfte losstürmte, sich gegen drei Abwehrspieler durchsetzte und unwiderstehlich vollendete. "Ich habe meine Kollegen neben mir gesehen, ich dachte mir aber, ich versuche es einfach mal. Warum nicht?", sagte Alvarez. Was nur beweist: Wille, Spielfreude und Abgezocktheit sind weitere Attribute, die den Titel bringen sollen.
Argentiniens Nationaltrainer ist geehrt
Und während Alvarez, Messi und Co. mit den Fans tanzten, übermannten Nationaltrainer Lionel Scaloni seine Gefühle, er versuchte gar nicht erst, seine Tränen zurückzuhalten. Auch für ihn war es schwierig, das Ganze in Worte zu fassen.
"Davon habe ich als Argentinier immer geträumt. Es ist ein historischer Moment, den wir geniessen müssen", sagte er. Und verneigte sich vor seinem Superstar. "Ich fühle mich geehrt, Messi trainieren und spielen sehen zu dürfen. Jedes Mal, wenn man ihn spielen sieht, ist es eine Motivation für seine Mitspieler, für Argentinien und die ganze Welt", sagte Scaloni, der aber trotz aller Euphorie nur zu gut weiss: "Wir haben noch einen Schritt vor uns." Noch einen letzten Tango.
Verwendete Quelle:
- TV-Übertragung ARD
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