Dem Kapitän der Schweizer Fussball-Nationalmannschaft, Granit Xhaka, wird im Netz ein Zitat über Katar und die One-Love-Binde unterstellt. Er habe unter anderem gesagt: "Wir sind hier, um Ball zu spielen und niemandem Unterricht zu erteilen." Das stimmt so aber nicht – es fehlt Kontext.
Bei der Fussballweltmeisterschaft in Katar haben in diesem Jahr besonders Armbinden Furore verursacht. Auch der Kapitän der Schweizer Fussball-Nationalmannschaft, Granit Xhaka, hat sich zu dem Thema geäussert, aber seine Aussagen werden in sozialen Netzwerken, etwa auf Facebook oder Twitter, aus dem Kontext gerissen.
Der 30-Jährige soll gesagt haben: "Wir werden nicht das Gleiche tun, wie die deutsche Nationalmannschaft. Wir werden die Sitten und Gebräuche in Katar respektieren. Wir sind hier, um Ball zu spielen und niemandem Unterricht zu erteilen." Dazu wird ein Foto von
Was hat Xhaka wirklich gesagt?
Aber was hat er tatsächlich gesagt? Die Aufnahme der Pressekonferenz vom 23. November zeigt: Das Zitat, das im Netz geteilt wird, ist kein wörtliches Zitat. Die Aussage ist grösstenteils nicht so gefallen, wie behauptet. Tatsächlich sagte Xhaka, er glaube nicht, dass "wir als Schweiz irgendetwas machen müssen", um ein politisches Statement zu setzen, sondern dass sich das Team auf den Fussball konzentriere.
Er sagte nichts vom Respektieren der "Sitten und Gebräuche in Katar". Etwas später sagte er noch, man wolle niemanden "erziehen", es ist aber unklar, ob er sich dabei auf die Sitten in Katar oder einen vier Jahre zurückliegenden Vorfall bei einem Fussballspiel gegen Serbien bezog.
Der Hintergrund ist folgender: Der Schweizer Kapitän Xhaka wollte bei der Fussball-WM in Katar eigentlich eine sogenannte One-Love-Binde am Arm tragen. Der Fussballverband Fifa verbot dies unter Verweis auf die Kleidervorschriften, die Entscheidung wurde heftig kritisiert. Die deutsche Nationalmannschaft hielt sich beim Gruppenfoto vom ersten Spiel in Katar aus Protest den Mund zu.
Auf der One-Love-Binde ist ein Herz vor bunten Farben zu sehen. Die Armbinde soll für Offenheit und Toleranz stehen, aber auch ein Zeichen gegen Homophobie setzen. In Katar ist Homosexualität strafbar, unter Umständen sogar mit dem Tod.
Xhaka sagte bei der Pressekonferenz zur Fussball-WM nicht, man solle Katars "Sitten und Gebräuche respektieren"
Die fragliche Pressekonferenz mit Xhaka vom 23. November ist auf der Webseite der Fifa zu finden. Sie fand vor dem ersten Spiel der Schweizer gegen Kamerun statt, am selben Tag, an dem die Behauptung über sein angebliches Zitat auftauchte. Zudem trägt der Fussballer dasselbe T-Shirt wie auf dem Foto in den sozialen Netzwerken.
Ein britischer Journalist fragt bei Minute 12:00, ob die deutsche Mannschaft nicht isoliert von den anderen dastehe, wenn niemand sonst ein Statement wie das Zuhalten des Mundes liefere. Granit Xhakas Antwort scheint die Vorlage für das veränderte Zitat zu sein:
"Ich persönlich habe das Bild nicht gesehen, das die Deutschen gemacht haben. Ich habe nur mitbekommen, was sie gemacht haben. Eine Geste, die jetzt Deutschland entschieden hat, aber ich glaube nicht, dass wir als Schweiz irgendetwas machen müssen. Wir müssen das so akzeptieren, wie sie uns das gegeben haben, und that’s it. Da müssen wir nicht lange diskutieren, sondern wollen uns jetzt, wie der Trainer, aber auch Adrian [Arnold] gesagt hat, auf den Fussball konzentrieren." Vom Respektieren der "Bräuche und Sitten" in Katar ist hier also nicht die Rede.
Wer mit "sie" gemeint ist, deren Vorgaben man akzeptieren müsse, ist unklar, aber vermutlich ist es die Fifa. Denn der Schweizer Kapitän wollte die Armbinde laut Medienberichten tragen. Der Schweizer Verband beschloss, dieses Risiko nicht einzugehen, um Xhaka zu schützen. Er hatte die Binde bereits zuvor bei Spielen der Nations League gezeigt.
Mehrere Journalisten fragten während der Pressekonferenz nach der "One Love"-Armbinde
Sowohl die One-Love-Armbinden als auch die Aktion der deutschen Mannschaft kommen in der Pressekonferenz mehrfach zur Sprache. Schon bei Minute 5:50 bezieht sich ein Journalist auf beides und fragt Xhaka, ob er oder die Schweizer Mannschaft etwas machen wolle, um Solidarität zu zeigen.
Die Antwort auf die Frage liefert aber nicht Xhaka, sondern der Kommunikations-Chef Adrian Arnold. "Wir sind traurig, dass wir dieses Armband nicht tragen können. Unser Kapitän hätte das gerne getragen. Aber die sportlichen Sanktionen, die uns die Fifa angedroht hat, hatten zur Folge, dass wir unsere Spieler schützen wollen", sagt er. Auch ein Platzverweis sei angedroht worden. Das Team stehe aber ein für Werte wie Respekt, Solidarität und Toleranz.
Bei Minute 8:50 fragt ein anderer Journalist nach dem Umgang der Mannschaft mit "Nebengeräuschen" wie dem Verbot der Kapitänsbinde durch die Fifa. Der Trainer Murat Yakin antwortet darauf, dass der Plan sei, sich nur auf Fussball zu konzentrieren. "Was die Anderen machen, interessiert uns nicht."
Worauf sich Xhakas Aussage über das "Erziehen" bezieht, ist unklar
Xhaka sagt später auch das Wort "erziehen", jedoch in einem anderen Zusammenhang: Ein serbischer Journalist fragt bei Minute 13:38, ob Xhaka erwarte, dass sich die serbische Mannschaft im anstehenden Spiel gegen die Schweiz vor allem auf ihn und seinen Mannschaftskollegen Xherdan Shaqiri konzentrieren werde – wegen "allem, was vor vier Jahren passiert" sei.
Damit spielt der Journalist offenbar auf eine politisch verstandene Geste von Xhaka und Shaqiri vor vier Jahren bei einem WM-Spiel gegen Serbien an. Damals zeigten die Spieler, die beide albanische Wurzeln haben, den albanischen Doppeladler, ein altes Symbol für Kosovo und Albanien. Serbien erkennt die Unabhängigkeit des Kosovo nicht an.
Xhaka antwortet auf die Frage, dass es am Schluss um Fussball gehe. Man sei "professionell genug", um gegen Serbien oder andere Länder zu spielen; alle würden gewinnen wollen. "Wir sind hier, um Fussball zu spielen, und nicht, um an der Geschichte zu erziehen oder zu kreieren." Ob sich Xhaka mit dieser Antwort auf den Vorfall im Spiel gegen Serbien vor vier Jahren bezieht oder doch möglicherweise auf Katar und die Kapitänsbinde, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen.
Unabhängig von verschiedenen Interpretationsmöglichkeiten steht fest: Das Zitat von Granit Xhaka ist so, wie es im Netz kursiert, nicht gefallen. Auch den Satz "Wir werden nicht das Gleiche tun, wie die deutsche Mannschaft" hat Xhaka nicht gesagt.
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