Der erste Gegner des DFB-Teams bei der WM 2023 in Australien und Neuseeland heisst Marokko. Wir stellen das Nationalteam von Reynald Pedros vor.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Annika Becker (FRÜF) sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfliessen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Am Montag, dem 24. Juli 2023 startet Deutschland gegen Marokko in die Fussball-Weltmeisterschaft der Frauen in Australien und Neuseeland. Das Spiel wird in Melbourne im Rectangular Stadium ausgetragen und um 10:30 Uhr deutscher Zeit angepfiffen. Wir stellen das Nationalteam Marokkos vor.

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Der Trainer

Reynald Pedros hat in seiner noch gar nicht so langen Profi-Trainerkarriere bereits Grosses erreicht. Vor seinem Engagement beim marokkanischen Verband ab November 2020 trainierte der 51-jährige Franzose die Frauen von Olympique Lyon. Mit ihnen gewann er in der Saison 2017/18 die französische Meisterschaft und die Champions League, in der Folgesaison wurde es gar das Triple. Pedros selbst wurde bei Nantes als Mittelfeldspieler ausgebildet, dort verbrachte er während seiner aktiven Karriere auch die meiste Zeit am Stück.

1993 gewann er den Coupe de France sowie die Meisterschaft 1995. Als Nationalspieler für Frankreich kam er in der Zeit zwischen 1993 und 1997 auf 25 Einsätze und vier Tore. Als Trainer des marokkanischen Nationalteams der Frauen sind seine grössten Erfolge das Erreichen des Finales vom Women’s African Cup of Nations (WAFCON) 2022 gegen Südafrika und die erstmalige Qualifikation für eine Weltmeisterschaft.

Der Fussball im Land

Marokko hatte es im Jahr 2003 bereits auf den 52. Platz der Fifa-Weltrangliste geschafft, befand sich danach aber im Niedergang, aktuell steht Marokko auf Platz 72. Seit ein paar Jahren gibt es wieder einen Aufschwung, weil Verband und Regierung in Person von König Mohammed VI viel tun für Sport im Land allgemein und den Fussball der Frauen im Besonderen. Cheftrainer Reynald Pedros ist nur einer der vielen Bausteine dieser Strategie, den Fussball der Frauen im Land zu professionalisieren.

Nach der Verabschiedung eines Plans für die Entwicklung des Sports im August 2020 durch den marokkanischen Fussballverband wurde wenige Monate später im Dezember 2020 die National Professional Women’s Football Championship als neue erste Liga gegründet. Sie ist mit 14 Klubs besetzt, in der 2. Liga spielen 32 Vereine und auch diese Liga soll professionell sein.

Frauen-WM 2023 Der Spielplan.
© AFP

Damit es einen nachhaltigen Unterbau gibt, sind die Vereine der ersten beiden Ligen dazu verpflichtet, auch eine U17 (spielen in einer nationalen Meisterschaft) und eine U15 (spielen in einer regionalen Meisterschaft) anzubieten. Wer einen Mann als Cheftrainer anstellt, ist dazu verpflichtet, eine Co-Trainerin einzustellen, auf der U-15-Ebene muss der gesamte Staff aus Frauen bestehen.

So soll es bis 2024 dann 90.000 aktive Spielerinnen im Land geben und Marokko schliesslich eine internationale Grösse im Fussball werden. Finanziell möglich ist das alles durch den herrschenden König. Dessen Bevölkerung war anfangs in Teilen skeptisch, inzwischen gibt es im allgemein fussballbegeisterten Marokko aber viel Unterstützung für die Atlas-Löwinnen. Das liegt auch am Erreichen des WAFCON-Finales vor 50.000 Menschen im Jahr 2022 im eigenen Land. Marokko ist auch 2024 Gastgeber des Wettbewerbs.

Der Kader

Laut Pressekonferenz einen Tag vor dem Aufeinandertreffen mit Deutschland sind alle Spielerinnen fit und einsatzbereit. Sieben von ihnen spielen beim erfolgreichsten Verein Marokkos, dem AS FAR, dazu gehören Stammtorhüterin Khadija Er-Rmichi (33) und Kapitänin Ghizlane Chebbak (32). Gerade jüngere Spielerinnen sind aber oft in europäischen Vereinen, wie zum Beispiel Sarah Kassi (19) vom FC Fleury 91 und Yasmine Mrabet (23) von Levante.

Alterstechnisch besteht der Kader aus einer gesunden Mischung an Spielerinnen auf dem Höhepunkt ihrer Karriere und Talenten, die in Zukunft noch auf sich aufmerksam machen wollen. Eines davon ist die Flügelspielerin Sakina Ouzraoui (21), die der RSC Anderlecht erst vor Kurzem erneut für ein Jahr unter Vertrag nahm. Sie wird versuchen, Felicitas Rauch in Bedrängnis zu bringen.

Der Star

Es kommt darauf an, wo man wen fragt. Innerhalb Marokkos ist Ghizlane Chebbak das bekannteste Gesicht, sie hat bereits zehn nationale Titel gewonnen und war bereits sechsmal Torschützenkönigin der heimischen Liga. Sie hat mit dem verstorbenen Labi Chebbak ausserdem einen prominenten Vater, der ebenfalls Nationalspieler war. Auf der PK vor dem Spiel gegen Deutschland sagte Chebbak, ihr Vater habe sie immer unterstützt und wäre über ihre WM-Teilnahme mit Sicherheit stolz. Diese Akzeptanz durch die Familie hatten nicht alle Spielerinnen, Verteidigerin Hanane Aït El Haj musste sich zum Beispiel erst gegen ihre Familie durchsetzten.

Ausserhalb Marokkos ist Rosella Ayane die bekannteste Spielerin. Sie wurde in der Jugend bei Chelsea ausgebildet, dann vom Verein aussortiert. Über Umwege fand sie anschliessend ihren Weg zurück in die WSL - zum Rivalen Tottenham. "Ich war jung. Rückblickend musste ich viel lernen und ich musste über mich und meinen Charakter nachdenken", sagte Ayane zu ESPN.

Der Spielstil

"Wir haben es einfach gehalten. Wir haben uns die Qualität der Mannschaft angeschaut und uns eine Taktik ausgedacht, die zu unseren Spielern passt. Und wir waren uns sicher, dass das, was wir uns ausgedacht haben und was wir anbieten, das Beste für die Gruppe ist", sagte Pedros vor der WM in einem Interview mit der Fifa.

Auf der Spiel-PK liess der Trainer sich kaum in die Karten gucken, er sagte allerdings, dass Marokko an der eigenen Defensive gearbeitet hat. Das war auch schon in den Tests vor dem Turnier zu beobachten, denn bis hierhin war die Defensive die grosse Schwäche Marokkos.

Die Formation der Wahl ist oft ein 4-4-2 oder eine Variante davon, mit den auffälligen Ouzraoui und Tagnout auf den beiden Flügeln und Ayane vorne im Sturm. Während sie für Tottenham meistens über die Flügel spielt, kommt sie nämlich für Marokko zentral zum Einsatz.

Eine der Strategien Marokkos ist es, über die Aussen mit Dribblings für Gefahr zu sorgen - häufig dadurch, ein Foul zu provozieren. Denn Standards sind eine Spezialität des Teams.

Aufgezogen wird das Spiel von Chebbak und Nakkach im Zentrum, Torfrau Er-Rmichi zeigt immer wieder schnelle Reflexe und ist auf der Linie nicht leicht zu überwinden.

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Der Moment der WM-Historie

Für Marokko ist es die erste WM-Teilnahme überhaupt und es ist auch die erste WM-Teilnahme eines nordafrikanischen, arabischen Landes bei einem Turnier der Frauen. Dementsprechend gross sind die Gefühle zu diesem Ereignis: "Wir fühlen uns geehrt, das erste arabische Land zu sein, das an der Frauen-WM teilnimmt. Wir haben das Gefühl, dass wir eine grosse Verantwortung übernehmen müssen, um ein gutes Bild abzugeben und zu zeigen, welche Fortschritte wir durch die Qualifikation für die WM gemacht haben. Es ist ein Meilenstein für uns und wir hoffen, dass unser Spiel gegen Deutschland den Weg für weitere Spiele ebnen wird", sagte Ghizlane Chebbak.

Verwendete Quellen:

  • Fifa.com: Fifa-Weltrangliste (Frauen)
  • Fifa.com: Pedros: We will take pride in representing Morocco
  • pulsesports.ng: Fifa WWC Morocco: Player Profiles
  • espn.com: Leaving Chelsea was the best thing Morocco's Rosella Ayane did for her career
  • lestimes.com: Morocco King’s vision behind Atlas Lions’ growing status
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