Deutschland verliert sein zweites Spiel bei der WM 2023 mit 1:2 gegen Kolumbien – und scheint dennoch zufrieden zu sein. Ignoriert das DFB-Team längst bekannte Probleme?
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Es ist unschwer zu erkennen, dass sie sich beschwert. Über mangelnde Optionen, ein träges Freilaufverhalten und die Tatsache, dass sie ständig Kolumbianerinnen auf ihren Füssen hat, weil sie den Ball nicht schnell weiterverteilen kann. Zwar ist es nur ein kleiner Moment innerhalb eines langen Spiels, doch er ist bezeichnend.
Ratlosigkeit, Trägheit, irgendwie auch kein echtes Aufbäumen – in der Schlussphase deutet wenig darauf hin, dass Deutschland den 0:1-Rückstand nochmal drehen kann. Zwar sehen die Bundestrainerin und ihre Spielerinnen das nach der Partie anders, doch abseits eines hohen Ballbesitzwertes gelang Deutschland offensiv nur wenig.
DFB-Team zufrieden mit harmloser Leistung
"Wir hatten das Spiel grundsätzlich im Griff", resümierte im "ZDF" etwa
In der 89. Minute verwandelte Popp einen Elfmeter zum sicher geglaubten Punkt. In der Entstehung schafften es die Deutschen erstmals, sich durch die Mitte zu kombinieren und die kolumbianische Defensive zu überraschen. Am Ende einer schönen Passstafette wurde Oberdorf für einen klugen Lauf in die Tiefe belohnt – und anschliessend von Torhüterin Catalina Perez gefoult.
Doch strenggenommen war es die einzige Szene, in der Deutschland strukturiert zu einer Grosschance kam. Viele andere Abschlüsse kamen aus der Distanz oder entstanden zufällig. Im Spiel nach vorn gab es lange nur ein Schema: Langer Ball auf Popp, die anschliessend per Kopf verlängerte. Darauf folgte ein zweites: Viel Flügelspiel mit wenig Ertrag.
25 Flanken flogen in den kolumbianischen Strafraum, fünf davon kamen an. Das DFB-Team schaffte es nicht,
Deutschland hat auch defensiv Probleme
Auch die defensive Leistung kann durchaus kritischer betrachtet werden. Zwar kam Kolumbien ebenfalls nur selten richtig gefährlich vor das deutsche Tor, doch das lag nicht ausschliesslich an einer guten Teamleistung des DFB-Teams.
Taktisch lief man wie schon gegen Marokko in zu viele Konter, weil der Ball im Mittelfeld leichtfertig hergeschenkt wurde. Die starke individuelle Leistung von Sara Doorsoun verhinderte allerdings im ersten Durchgang Schlimmeres. In der zweiten Halbzeit zog sich Kolumbien vor allem nach der Führung zunehmend zurück.
Dass Svenja Huth keine Aussenverteidigerin ist, ist ihr in jedem Defensivzweikampf anzumerken. Überhastet und mit viel Aggressivität versucht sie ihre oftmals körperliche Unterlegenheit zu kompensieren. Dabei reisst sie allerdings Löcher auf, die die schnellen Spielerinnen Kolumbiens mehrfach nutzten. Auf der anderen Seite konnte Chantal Hagel nicht für Stabilität sorgen. Neben einigen leichtfertigen Ballverlusten schien sie defensiv mit dem Tempo von Mayra Ramírez und Lady Andrade überfordert zu sein.
Zu viel Optimismus beim DFB-Team?
Für das letzte Spiel gegen Südkorea gibt es also einiges zu analysieren. Umso mehr überrascht es, dass es nach Abpfiff wenig Unzufriedenheit über die eigene Leistung gab. Auch Doorsoun sprach über viel Leidenschaft und war bemüht darum, dem Geschehen einen positiven Dreh zu geben.
Klar ist, dass Kolumbien kein einfacher Gegner war. Neben ihrer im Vorfeld häufig hervorgehobenen Körperlichkeit verfügen sie über ein temporeiches und technisch hochwertiges Offensivspiel. Insofern ist die Leistung der Deutschen nicht ausschliesslich negativ zu bewerten.
Und doch fehlte es sowohl vor als auch nach dem Abpfiff an Energie. Unzufriedenheit und Selbstkritik können Katalysatoren sein. Im richtigen Mass können sie beflügeln und dazu führen, dass die Spielerinnen über sich hinauswachsen. In der Schlussphase hat genau das gefehlt. Deutschland lief zwar an, doch im letzten Drittel fehlte es neben richtigen Ideen auch schlichtweg an Geschwindigkeit und Durchschlagskraft.
DFB-Team: Längst bekannte Probleme zeigen sich
Der Optimismus des deutschen Teams kann eine Stärke sein. Die Europameisterschaft in England vor gut einem Jahr hat das unter Beweis gestellt. Wenn die Zweifel von aussen am grössten wurden, waren sie am stärksten.
Und doch scheint die Situation diesmal eine andere zu sein. Es wirkt fast so, als würden offensichtliche Probleme ignoriert werden. Die allerseits gelobte Spielkontrolle war mehr Schein als Sein. Ständige Ballverluste im Spielaufbau erschweren es, Rhythmus ins eigene Spiel zu bekommen. So wird es gegen viele Nationen bei dieser WM schwer.
Zumal diese Probleme nicht neu sind. Deutschland tut sich schon seit Jahren schwer damit, gegen gut organisierte Defensivreihen spielerische Lösungen zu entwickeln. Oft ist Popp mit ihrer Kopfballstärke der Ausweg. Erwischt die Stürmerin allerdings einen Tag wie gegen Kolumbien, wird es zäh. Der Erfolg bei der EM hat den Kritikpunkt verstummen lassen.
Damals konnte Deutschland in den meisten Spielen aber eine andere Art von Fussball spielen. Weniger Ballbesitz, mehr Überraschungs- und Umschaltmomente. Als Mitfavoriten auf den WM-Titel hat sich die Spielanlage verändert. Damit umzugehen, ist die grösste Herausforderung. Und genau deshalb ist die verzweifelt nach Mitspielerinnen suchende Oberdorf in der 73. Minute so bezeichnend für die aktuelle Situation.
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