Am Sonntag wird einer völlig neuer Titelträger gekürt - völlig egal, wer das Finale der Frauen-Fussball-WM gewinnt. Weder England noch Spanien stand bisher in einem Endspiel, seit der Wettbewerb 1991 erstmals ausgetragen wurde.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Stefan Rommel sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfliessen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Die vorigen Gewinner und vermeintlichen Grossmächte USA (Sieger 1991, 1999, 2015 und 2019), Deutschland (2003 und 2007), Norwegen (1995) und Japan (2011) sitzen ja längst schon wieder zu Hause.

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Nun wird sich also eine fünfte Nation in die Riege der besten Mannschaften der Welt einreihen - wobei sich die Gelehrten streiten, ob nun Englands mannschaftliche Geschlossenheit und Erfahrung den Ausschlag geben wird oder aber Spaniens spielerische Dominanz.

Vor dem letzten Spiel dieser ebenso aufregenden wie überraschenden WM am Sonntag drängeln sich bei beiden Mannschaften jedenfalls unterschiedliche Spielertypen nach vorne, die zu Schlüsselfiguren werden könnten. Und auch auf der Bank sitzen zwei ganz entscheidende Faktoren.

England

Mary Earps (Tor): Die englische Torfrau dürfte nach den bisher gezeigten Leistungen sehr gute Chancen haben, ins Team des Turniers gewählt zu werden. Earps war schon bei der EM im vergangenen Jahr ein Garant für Englands Triumph, nun könnte die 30-Jährige als letzte Instanz gegen Spaniens Offensivpower erneut eine tragende Rolle zukommen. Auf dem Papier jedenfalls macht Earps einen besseren Eindruck als ihr Gegenüber Cata Coll. Mehr Erfahrung in grossen Spielen hat sie ganz gewiss.

Milie Bright (Innenverteidigung): Die Kapitänin der Three Lionesses und eine der wenig besungenen Heldinnen. Bright ist im Abwehrzentrum eine Institution, in der Luft quasi unbesiegbar und auch am Boden im Zweikampf kaum zu überwinden. Nicht umsonst hat Bright noch keine Sekunde im bisherigen Turnierverlauf verpasst: Sie ist für Trainerin Sarina Wiegman schlicht unverzichtbar.

Luca Bronze (Rechtes Mittelfeld): Im 3-4-3 der Engländerinnen ist Bronze so etwas wie die Unverwüstliche. Ein Dauerrenner, physisch unheimlich stark, mit Tempo, Kraft und Willensstärke unterwegs. Nach dem Ausfall von Kapitänin Leah Williamson die Anführerin der Mannschaft. Die ehemalige Weltfussballerin wittert ihre womöglich letzte Chance auf einen WM-Titel - der wiederum würde ihre glanzvolle Karriere mit 31 Jahren schon fast komplett machen.

Lauren Hemp (Angriff): Weil sich Beth Mead im letzten Herbst verletzt hatte und die EM-Torschützenkönigin des letzten Jahres damit ausfiel, lag die Last noch mehr auf den Schultern von Lauren Hemp. Und die enttäuschte bisher nicht, ganz im Gegenteil: Es waren Hemps Tore gegen Kolumbien und zuletzt Australien, die England erst auf den Weg ins Finale brachten. Als Teil der Doppelspitze neben Alessia Russo sieht sich Hemp auch als Vorbereiterin.

Lauren James: Die Jüngste im englischen Team war bis zum Achtelfinale auch die grosse Überraschung. Die 21-Jährige vom FC Chelsea war die wohl auffälligste Spielerin der gesamten Gruppenphase, führte die Scorerliste an - und flog dann nach einer Unbeherrschtheit gegen Nigeria mit Rot vom Platz. Nun aber ist James‘ Sperre abgelaufen. Ein Einsatz von Beginn an erscheint unwahrscheinlich, aber mit James hat Trainerin Wiegman nun wieder einen ganz vorzüglichen Joker in der Hinterhand.

Spanien

Olga (Linke Abwehrseite): Kapitänin der Furja Roja - und das mit erst 23 Jahren. Ihr Tor Sekunden vor dem Abpfiff gegen Schweden sicherte den Einzug ins Endspiel. Nach den Querelen im Vorfeld inner- und ausserhalb der Mannschaft war die angeblich fehlende Teamhygiene ein grosses Thema. Das haben Olga und ihre Mitstreiterinnen bisher nahezu geräuschlos gelöst.

Teresa (Zentrales Mittelfeld): Sie ist das Herz des spanischen Spiels. Kein Angriff, ohne dass Teresa Takt und Rhythmus bestimmt, einfädelt, orchestriert. Auf der Sechs, im 4-3-3 mit zwei eher offensiv ausgerichteten Halbraumspielerinnen daneben, kommt ihr dann auch gegen den Ball eine ganz entscheidende Rolle zu - die Teresa bisher glanzvoll ausfüllt.

Alexia Putellas (Offensives Mittelfeld): Rekordspielerin, Weltfussballerin, der eigentliche Star der Mannschaft. Aber irgendwie auch das Sorgenkind. Alexia kehrte nach ihrem Kreuzbandriss vom letzten Sommer erst spät zurück, lange stand die Teilnahme an der WM auf der Kippe. Diesen Rückstand merkt man ihr immer noch an, aber: Eine Spielerin ihrer Qualität kann ein Spiel mit einer einzigen Aktion alleine entscheiden. Bisher hat sie das noch nicht gezeigt. Aber grosse Spielerinnen entscheiden in der Regel ja grosse Spiele ...

Aitana Bonmati (Offensives Mittelfeld): Putellas‘ Gegenstück auf der rechten Mittelfeldseite. Kaum eine Spielerin bewegt sich geschickter und leichter über den Platz als die immer noch erst 25-Jährige vom FC Barcelona. Aitana ist exzellent im Dribbling und überragt mit ihrem Spielverständnis. Auch wenn Quervergleiche selten zulässig sind, aber ein wenig erinnert ihr Spiel tatsächlich an jenes von Andres Iniesta.

Salma (Angriff): Zuletzt durften wieder Redondo, Mariona und Jenni Spaniens Dreier-Sturm bilden, Salma war zunächst aussen vor. Als Einwechselspielerin hat die erst 19-Jährige ehemalige Leichtathletin aber jetzt schon Geschichte geschrieben und dürfte die beste Nachwuchsspielerin des Turniers sein. Salmas Geschwindigkeit und der unbedingte Drang zum Tor sind kaum zu bändigen. Sie ist wie auf der Gegenseite Lauren James so etwas wie die Geheimwaffe für Trainer Jorge Vilda.

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