Die Suche nach einem Nachfolger für Danny Blind läuft in den Niederlanden auf Hochtouren. Die besten Chancen auf den Job als Nationalcoach hat offenbar Louis van Gaal, dicht gefolgt von einem seiner ehemaligen Schüler. Aber auch ausländische Trainer sind im Gespräch. Darunter Jürgen Klinsmann.

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Jetzt werden natürlich wieder Witzchen gerissen. Der niederländische Fussball liegt - mal wieder - am Boden. Die Entlassung von Danny Blind war nach den Leistungen der letzten Jahre nur konsequent, sie gibt dem ganzen Ausmass der Misere ein Gesicht.

Aus der Nachbarschaft prasseln gut mehr oder weniger gut gemeinte Ratschlägen ein. Einer der launigsten ist, Rudi Völler und Guido Buchwald als Doppelspitze für das Amt des neuen Bondscoachs zu installieren. Jeder auf seine ganz eigene Art ein "Held" des denkwürdigen Achtelfinal-Thrillers zwischen Deutschland und Holland bei der WM 1990.

Der Verband KNVB sucht mal wieder einen Trainer für die wichtigste Mannschaft des Landes. Es wird der siebte in den vergangenen zehn Jahren sein und auf Dick Advocaat, Marco van Basten, Bert van Marwijk, Louis van Gaal, Guus Hiddink und Danny Blind folgen.

Die lange Liste alleine weist schon das grösste Problem des niederländischen Fussballbunds aus: Kontinuität wurde im letzten Jahrzehnt nicht besonders gross geschrieben. Das muss jetzt anders werden, wenn sich die stolze Fussballnation nicht auf unbestimmte Zeit aus der Weltspitze verabschieden will.

Es wimmelt nicht gerade vor Alternativen, aber einige wenige Namen werden mittlerweile besonders heiss diskutiert. Eine Bestandsaufnahme.

Louis van Gaal:

Zweimal war Van Gaal bereits Bondscoach, zweimal stand er dabei für eine kleine Epoche. Und das, obwohl er insgesamt nur 43 Spiele lang Nationaltrainer war. Vor drei Jahren führte er Oranje ziemlich überraschend zum dritten Platz bei der WM in Brasilien. Van Gaal brach mit dem Dogma der 4-3-3-Grundordnung und verordnete der Mannschaft eine eher defensive, reaktive Spielweise.

Das brachte ihm jede Menge Kritik ein, sein ewiger Rivale Johan Cruyff warf ihm damals "einen armseligen Fussball" vor, "so geht das nicht weiter." Der Erfolg gab Van Gaal letztlich aber Recht. Daran erinnern sich die Niederländer jetzt, in allen Umfragen liegt Van Gaal in der Gunst der Fans weit vorne.

Nur der General könne die Talfahrt beenden, mit seinen ganz eigenen Methoden. Weniger Traditionalismus, mehr Pragmatismus. Von der schieren Holland-Romantik vom ewig dribbelnden Aussenstürmer müsse abgerückt werden. Van Gaal hat bewiesen, dass er Mannschaften in kurzer Zeit formen und ihnen einen eigenen Spielstil verpassen kann. Und dass er Erfolg haben kann.

Aber er ist auch ein unbequemer Geist, berüchtigt für seine Eskapaden und hat beim Verband und den grossen Klubs des Landes schon viel verbrannte Erde hinterlassen. Ein echter Neuanfang wäre das nicht mit einem Trainer, der schon zweimal im Amt war. Zumal Van Gaal auch für die dunkelste Episode der jüngeren Vergangenheit steht: Vor 16 Jahren verpasste er mit der Elftal die Qualifikation für die WM 2002.

Jürgen Klinsmann:

Das genaue Gegenteil von Van Gaal wäre Jürgen Klinsmann. Der ehemalige Bundestrainer bekam bei einer aktuellen Umfrage des "Telegraaf" immerhin satte 19 Prozent Zustimmung der Fans. Klinsmann steht für Innovation und Revolution - zwei Schlagwörter, die den niederländischen Fussball der kommenden Jahre bestimmen müssen.

Der 52-Jährige ist nach seinem Rauswurf als US-Coach auf dem Markt, hat mittlerweile wieder genügend Abstand finden können. Klinsmann wäre sicherlich die Radikal-Lösung. Als klassischer Projekttrainer hat Klinsmann bei seinen Stationen in Deutschland und den USA und sogar beim FC Bayern bewiesen, dass er viele Dinge im Hintergrund auf die Bahn bringen kann, dass er Strukturen aufbrechen und neue Leitlinien verfassen kann.

Aber bei allen strategischen Überlegungen für die Zukunft darf der KNVB auch die Gegenwart nicht aus den Augen verlieren. Und die heisst Platz vier in der WM-Qualifikation nach der Hälfte der absolvierten Spiele.

Die Lösung Klinsmann wäre sehr charmant, auf kurzfristige Sicht aber auch riskant. Dafür ist Klinsmann viel zu wenig Feuerwehrmann.

Frank de Boer:

Die Light-Variante. De Boer hat Stallgeruch, war Kapitän der Elftal und 2010 unter Van Marwijk Co-Trainer jenes Teams, das in Südafrika WM-Dritter wurde. Als Ajax-Coach hat er sechs Jahre lang die Geschicke des wichtigsten Klubs des Landes geführt.

De Boer hat Kontakte zu allen wichtigen Institutionen des niederländischen Fussballs, ist ein smarter Typ und nicht so sperrig wie etwa Van Gaal. Und trotzdem kann auch De Boer mit harter Hand regieren, wenn es sein muss.

Offenbar benötigt die junge Mannschaft klare Leitplanken, innerhalb derer sie sich bewegen darf - ohne sie mit zu vielen Regeln zu überhäufen. Daran sind Blind und Hiddink zuletzt mit ihrer sehr generösen, kommunikativen Art gescheitert.

De Boer hat nicht die schlechtesten Karten und eine Menge Fürsprecher im Verband und in den Medien.

Michel Preud'homme:

Die Niederlande und Trainer aus dem Ausland - das ist schon immer gute Tradition. In den Anfangsjahren des Verbands gaben sich die Engländer quasi die Klinke in die Hand, später folgten vier Österreicher, ein Rumäne, ein Tscheche und mit Georg Kessler sogar ein Deutscher. Insofern ist die Forderung einiger Experten nach Preud'homme gar nicht so besonders abwegig.

Der Belgier hat sich nur einem Jahr bei Twente Enschede einen sehr guten Namen in Holland gemacht, holte den Pokal und wurde in der Meisterschaft Zweiter. Der Lohn war die Auszeichnung zum Trainer des Jahres 2011.

Es gibt allerdings auch zwei grosse Haken: Der ehemalige Welttorhüter war noch nie Trainer einer Nationalmannschaft. Und Preud'homme steht derzeit als Coach beim FC Brügge unter Vertrag. Im Gegensatz zu den anderen Kandidaten müsste der Verband den 58-Jährigen aus seinem Kontrakt kaufen.

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