Durch die Niederlage gegen Irland ist die WM-Qualifikation ganz weit weg. Österreich ist unter Marcel Koller ist wieder dort angelangt, wo die Mannschaft vor zwei Jahren war: im tristen Mittelmass. Und derzeit deutet nicht viel darauf hin, dass der Teamchef noch einmal eine Trendwende einleiten könnte.
Manchmal genügt eine einzige Szene, um ein komplettes Spiel zu beschreiben - oder den Gemütszustand einer ganzen Mannschaft. In Österreichs Partie gegen Irland waren 36 Minuten gespielt, es gab einen Freistoss für das ÖFB-Team im linken Halbfeld. Das Spiel war längst ins Stocken geraten, ein Standard also eine sehr manierliche Gelegenheit.
Der Leichtsinnsfehler führte zu einem Rückspiel auf Julian Baumgartlinger. Der hätte jetzt den Ball nach vorne dreschen können, in die gefährliche Zone vor dem irischen Tor. Aber Baumgartlinger spielte den Ball zurück auf Ramazan Özcan, den eigenen Torhüter. Innerhalb von sieben Sekunden war aus einer veritablen Chance eine Sicherheitsrückgabe zum Goalie geworden. Der Hoffnungsträger und der Kapitän als Sinnbild einer fahrigen, verunsicherten Mannschaft.
Kopf- und planlos
Österreich hat das Sechs-Punkte-Spiel gegen Irland 0:1 verloren. Die Mannschaft hat eine Partie förmlich hergeschenkt, die so viel hätte reparieren können.
Sie hat nicht ausserordentlich schwach gespielt, aber eben verzagt, uninspiriert, unentschlossen. Das reicht auf diesem Niveau nicht einmal gegen biedere Iren, die eigentlich nur verteidigen und gar nicht angreifen wollten - und trotzdem zu den besseren Chancen und dem einzigen Tor des Abends kamen. Es war übrigens Irlands erster Sieg überhaupt auf österreichischem Boden.
Dabei spielte Österreich mehr als zehn Minuten lang jenen Fussball, durch den sich die Mannschaft in den Jahren 2014 und 2015 bis hinauf auf Platz zehn der Weltrangliste gearbeitet hatte. Forsch, zielstrebig, aggressiv, mit permanentem Pressing und eisernem Willen.
Wie fragil das Gebilde aber derzeit ist, zeigte sich daran, dass mit dem ersten Hauch einer Chance für die Gäste der Glaube an die eigene Stärke auf einmal wie vom Erdboden verschluckt war - und Österreich in den verbliebenen 77 Minuten kopf- und planlos anrannte. Die Iren spielten einfach, aber solide, sie drückten Österreich immer raus auf die Flügel, um da sauber zu isolieren und beherrschten das Zentrum.
Österreichs Plan im 4-2-3-1 war spätestens nach einer Viertelstunde dechiffriert und kaum noch zu gebrauchen - so wie das nun schon einige Male in diesem Jahr zu erkennen war. Die individuelle Klasse der Mannschaft verwässert in längst durchschauten Abläufen und es scheint derzeit keine Idee greifbar, dem entgegenzuwirken.
Erstaunlich einfaches Gegentor
"Das Momentum ist nicht auf unserer Seite", sagte Teamchef Koller nach dem Spiel. "Es sind Kleinigkeiten, der eine oder andere Spieler ist nicht in Form."
Niemand würde dem Schweizer widersprechen, aber Koller macht es sich mit dieser Sicht der Dinge wohl auch eine Spur zu einfach. Die strukturellen Probleme seiner Mannschaft sind kaum zu übersehen und münden dann gepaart mit eine lässigen Einstellung einzelner Spieler in einem kuriosen Gegentor wie beim 0:1.
Kevin Wimmer verlor auf der linken Seite nahe des gegnerischen Strafraums den Ball also rund 80 Meter vom eigenen Tor entfernt in einer völlig ungefährlichen Zone. Wenige Sekunden später schossen drei Iren in vollem Tempo durch das verwaiste Zentrum, während Österreichs Spieler trabten. Zwei Pässe, ein Abschluss, Tor. "Wenn du vorne links den Ball verlierst, darfst du hinten rechts kein Gegentor bekommen", sagte Koller.
Szenen wie diese erinnern an ein Österreich vor dem steilen Formanstieg, aus einer längst vergessen geglaubten Zeit. Sie sind so real wie die Tabelle der Gruppe D. Österreich liegt mit vier Punkten aus vier Spielen abgeschlagen auf Rang vier. Aus den drei Spielen gegen die Konkurrenten Wales, Serbien und Irland holte Kollers Mannschaft trotz zwei Heimspielen nur einen Punkt.
Koller unter Druck
Irland ist bereits sechs Zähler enteilt und lediglich dem Remis der Serben in Wales ist es zu verdanken, dass nicht auch schon Rang zwei in weite Ferne gerückt ist. Der Kontakt dazu ist noch da - mit Wales aber eben auch ein zusätzlicher, starker Bewerber.
Es muss jetzt fast schon ein kleines Wunder her, soll es mit der Qualifikation für die Weltmeisterschaft noch klappen. "Wir haben noch sechs Spiele und da sind 18 Punkte zu vergeben", rechnet Koller artig vor.
Aber auch dem Teamchef ist klar, wie schwer das Unterfangen jetzt wird. "Es wird jetzt natürlich noch schwieriger, es wird eng. Wales und Serbien können ja auch gut Fussball spielen."
Ob es auch für den 56-Jährigen bald eng wird? Die Misserfolge der letzten Monate haben wieder jene Debatten in Gang gesetzt, die zu Beginn von Kollers Engagement an der Tagesordnung waren.
Argwohn und Zweifel begleiteten den Schweizer, die Erfolge der EM-Qualifikationskampagne und die signifikanten Fortschritte der Mannschaft machten damit - vorübergehend - Schluss. Jetzt dürften die Diskussionen wieder von Neuen beginnen.
"Kritik an meiner Person gibt es schon seit der Europameisterschaft, das gehört dazu", sagte Koller. "Ich bin auch schon seit 20 Jahren im Geschäft und weiss, wie das läuft."
Manchmal genügt ein Halbsatz, um das Geschäft auf einen einfachen Nenner zu bringen. Es wird eng für Österreich. Und womöglich auch für Teamchef Marcel Koller.
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