Präsident Wolfgang Niersbach trägt weiter nichts zur Aufklärung der grössten Affäre in der DFB-Geschichte bei. Der Verband versinkt immer tiefer in der Krise - während sein Präsident krampfhaft um die eigenen Pfründe kämpft.
Wolfgang Niersbach war immer ein Schattenmann. Als gelernter Sportjournalist rutschte der mittlerweile 64-Jährige Ende der Achtzigerjahre in den Dunstkreis des Deutschen Fussball-Bundes.
Er wurde zum Pressesprecher der Europameisterschaft 1988, danach Mediendirektor beim DFB. Beim WM-Titel von 1990 war er Adjutant von
Das erklärt den stillen Aufstieg hinter den Kulissen, vom Pressechef des WM-Organisationskomitees über den Posten des DFB-Direktors und Generalsekretärs bis zur Krönung im März 2012, als Niersbach Präsident des grössten Sportfachverbands der Welt wurde.
Karriere im Fahrwasser grosser Namen
Niersbach hat sich immer mitziehen lassen im Fahrwasser der ganz Grossen. Das hat ihn zum DFB-Chef gemacht und zum Topkandidaten für die Platini-Nachfolge bei der UEFA.
Manch einer hätte sich ihn sogar als Chef der FIFA vorstellen können, wenn der ewige Sepp Blatter irgendwann tatsächlich aus dem Amt taumelt.
Die Verbindung Niersbachs zu Beckenbauer war traditionell sehr eng und im Laufe der Jahre hatte er sich auch mit Michel Platini angefreundet. Niersbach hat die Sponsoren gewähren lassen und sich aus hitzigen Debatten stets vornehm herausgehalten.
Ein Leben zwischen Kalkül und Loyalität. Im Rückblick würden seine mittlerweile zahlreichen Kritiker wohl aber eher von servilem oder opportunem Handeln sprechen.
Schattenmann holen Schatten ein
Den Schattenmann hat der lange Schatten des Sommermärchens längst eingeholt. In der Affäre um die Vergabe der WM 2006 ist der bisher recht ungescholtene Niersbach mittlerweile schwer beschädigt.
Nach der Razzia in den Geschäftsräumen des DFB sowie in seinem Privathaus ist der DFB-Präsident wie vom Erdboden verschluckt.
Seit der desaströsen Pressekonferenz vor rund zwei Wochen, als sich der Medienprofi Niersbach nahezu unvorbereitet in allerhand Widersprüche verstrickte und mehr neue Fragen aufwarf, als Antworten zu liefern, ist seine Reputation rapide gesunken.
Und mit jedem Tag mehr, den der DFB ohne weitere Erklärungen zur Aufklärung der mysteriösen 6,7-Millionen-Euro-Zahlung verstreichen lässt, gerät Niersbach weiter in die Schusslinie.
Die Sache mit den 6,7 Millionen Euro
Die "Süddeutsche Zeitung" will herausgefunden haben, dass es Niersbach war, der im Herbst 2007 die Steuererklärung unterzeichnet hatte, auf der die 6,7 Millionen Euro als Betriebsausgaben vermerkt seien. Auf eine Erklärung dazu wartet man von Niersbach vergebens.
Auch die Presseabteilung des DFB, mit dem von Niersbach ins Amt gehievten Ralf Köttker an der Spitze, hat sich verschanzt. Kein Wort zur Razzia, keine weiteren Kommentare zur Sache als solche.
Das Krisenmanagement des DFB ist schlecht und damit so weit von dem entfernt, wofür Niersbach einst angetreten war und wofür er sich vor etwa einem Jahr auch hat feiern lassen.
Seine Nähe zu DFB-Teammanager Oliver Bierhoff hat den Weg vorgegeben, auf den Niersbach den oft altbackenen DFB hatte führen wollen: Hin zu einer modernen unternehmerischen Struktur mit Weitblick und Transparenz.
Nichts dringt nach draussen
Jetzt, in der womöglich schlimmsten Krise in der Geschichte des Verbands, verfallen Niersbach und der DFB in die üblichen Muster. Nichts dringt nach draussen, auf Gutsherrenart sollen Probleme gelöst werden, am besten intern.
Das alles erinnert so frappierend an das Geschäftsgebaren der FIFA, dass es ironisch wirkt, wenn man sich an Niersbachs Attacken gegen den Weltverband und Sepp Blatter erinnert.
Der DFB ist derzeit wie die FIFA im Kleinen, aus dem angeblichen Modernisierer Niersbach ist einer geworden, der sich aus reiner Verlustangst krampfhaft an sein Amt klammert - wo doch um ihn herum schon der Wirbelsturm tobt und eine über sechs Millionen Mitglieder starke Gemeinschaft in ihren Grundfesten erschüttert.
Die Auswirkungen des Skandals sind derzeit nur zu erahnen. Der DFB-Campus in Frankfurt am Main ist geplant, unter anderem subventioniert durch Steuergelder. Für einen Verband, der womöglich in Schmiergeldzahlungen verstrickt ist oder schwarze Kassen unterhalten haben soll.
Beckenbauer und Netzer auf Distanz
Derzeit trennt sich in Fussball-Deutschland wieder die Spreu vom Weizen. Lichtgestalt Franz Beckenbauer oder auch Günter Netzer distanzieren sich von ihren ehemaligen Weggefährten, zu denen auch Niersbach gehört.
Die grossen Partner und Sponsoren halten sich bedeckt, weder "Adidas" noch "Mercedes-Benz" haben sich bisher ausführlich geäussert. Das kann alles und nichts bedeuten.
Den Vorzeige-Verband, der es mal zu sein schien, wird es nach dieser unappetitlichen Affäre so nicht mehr geben. Dafür ist bereits zu viel passiert.
Wolfgang Niersbach könnte im Sinne des Verbandes und seiner Mitglieder ein Zeichen setzen für einen Neuanfang - und seinen Stuhl räumen. Nur gibt es dafür keinerlei Anzeichen. Von Professionalität keine Spur.
Derzeit verhalten sich der Verband und sein Präsident eher wie Amateure. Dabei wollen sie doch eigentlich Weltmeister sein.
WM 2006: Hintergründe zur DFB-Affäre
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