Der Fussball der Frauen sollte nicht als Abziehbild des Männerfussballs entwickelt werden – und nicht ohne die Erfahrungen der Spielerinnen.

Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Mara Pfeiffer dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Nach der Europameisterschaft im Sommer wurde an vielen Stellen die Frage gestellt, wie der Schwung aus dem Turnier mitgenommen werden könne in die Ligen. Letztlich geht es dabei um viel mehr als Schwung, nämlich eine prinzipielle Entwicklung, zu der vor allem Nachhaltigkeit gehört.

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Dafür kann das Momentum der EM natürlich genutzt werden, aber auch eine andere Tatsache, die dieses Turnier mit sich gebracht hat: Die Spielerinnen sind sichtbarer geworden und sie äussern ihre Meinung zu Themen, die ihren Sport betreffen, mit grosser Selbstverständlichkeit.

Balance ist das Stichwort

In diesen Äusserungen steckt ein enormer Fundus an Wissen und Erfahrung, von dem alle, die den Fussball der Frauen weiterentwickeln möchten, immens profitieren können. Dafür ist zum einen die entsprechende Reichweite für Themen notwendig.

Ein Schritt ist dabei sicher, dass inzwischen mehr Ehemalige als Expertinnen unterwegs sind und aktive Spielerinnen häufiger in Medien zu Wort kommen, wo sie sich zu Themen wie einer Mindestentlohnung oder der generellen Entwicklung ihres Sports äussern. Auch hier ist Nachhaltigkeit aber ein Schlüssel: Die nahende WM darf die Themen, die seit dem Sommer diskutiert werden, nicht zuschütten.

Ja, diejenigen, die sich äussern, sind zahlreicher geworden, und das ist gut so. Aber wer hört in letzter Konsequenz zu? Denn nur, wenn Verantwortliche die Sportlerinnen anhören, können deren Erfahrungen und Bedürfnisse auch in die Weiterentwicklung beispielsweise der Ligen einfliessen. Und es wäre wichtig, dass genau das passiert. Der Fussball der Männer mag ein wirtschaftliches Erfolgsmodell sein, Konsens ist aber, dass er in vielerlei Hinsicht krankt. Der Fussball der Frauen sollte deshalb nicht als Abziehbild dieses Modells entwickelt werden.

Es geht um Balance. Den Fussball der Frauen als wöchentliche Veranstaltung zu bewerben, die sich durch grosse Familienfreundlichkeit auszeichnet, kann ein Weg sein, um neue Fans dafür zu erschliessen. Das sollte aber nicht dazu führen, die Spiele als Kirmesveranstaltungen für den Nachwuchs zu verniedlichen, denn es geht um Sport, um Wettbewerb und um wirklich schöne Spiele. Auch sollte der Fussball nicht verkauft werden als ein Sport "von Frauen für Frauen", er ist – wie auch der Fussball der Männer – vielmehr attraktiv für alle Menschen und Gruppen.

Cari Roccaro und Meleana Shim

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"Fick doch deine Chance, ey, ganz ehrlich"

Mit Vorsicht zu geniessen sind zudem Versuche, den Fussball der Frauen quasi in die Lücken zu pressen, die jener der Männer hinterlässt. Zwar kann es eine schöne Sache sein, die Spiele der Frauen während der WM der Männer an Doppelstandorten in den grossen Stadien abzuhalten.

Andere Lücken sind aber für die Protagonistinnen nicht passend, Beispiel: Montagsspiele. Mit einem leidenschaftlichen "Fick doch deine Chance, ey, ganz ehrlich", hat darum die ehemalige Nationalspielerin Josephine Henning im Podcast "Mittag's bei Henning" diesen neuen Termin kommentiert, den viele als Gewinn für den Fussball der Frauen beschwören.

Dies ist aber eine Betrachtung von aussen, die nicht mit einbezieht, dass die Spielerinnen – anders als ihre männlichen Kollegen – in der Regel einen Hauptjob neben dem Fussball haben oder parallel studieren. Für sie bedeuten Montagsspiele, dass Begegnungen auf Arbeitstage fallen, was gerade bei Auswärtsfahrten kompliziert zu organisieren ist.

Es ist nur ein Beispiel von vielen, aber ein prägnantes, wenn es darum geht, dass die Protagonistinnen selbst oft eine andere Sicht auf Themen haben, die für diesen Sport aber immens wichtig ist: Wer den Fussball der Frauen in deren Sinn weiterentwickeln will, sollte das nicht über ihre Köpfe hinweg tun, sondern mit (Ex-)Spielerinnen und anderen Frauen aus dem Fussball gemeinsam.

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