• Beim Sieg im zweiten Hauptrundenspiel gegen die Niederlande war Andreas Wolff mal wieder der überragende Rückhalt.
  • Das ist der 31-Jährige das ganze WM-Turnier schon.
  • Das liegt auch daran, dass er unter anderem mit einer Sportpsychologin an sich gearbeitet hat.

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Andreas Wolff liess sich nicht aus der Reserve locken. Keine Chance. Dabei hatte der Torhüter der deutschen Handballer mal wieder brilliert, die Niederländer im zweiten Hauptrundenspiel mit vielen Paraden entnervt, sein Team immer wieder gepusht und angetrieben. Doch zu einer konkreten Zielsetzung liess er sich, vollgepumpt mit Adrenalin und als Spieler des Spiels ausgezeichnet, selbst nach dem fünften Sieg im fünften WM-Spiel nicht hinreissen.

33:26 gegen die Niederlande, wieder ein sportliches Ausrufezeichen, gleichzeitig hielt er 17 von 40 Würfen, darunter drei Siebenmeter – insgesamt eine phänomenale Quote. Er war einmal mehr der Fels in der Brandung, Rückhalt, Antreiber, Leistungsträger. Er sorgte mit dafür, dass Deutschland gegen den Nachbarn früh auf die Siegerstrasse zusteuerte. "Es war extrem wichtig, das Viertelfinale zu erreichen. Und es ist extrem schön, das vorzeitig zu schaffen", sagte Bundestrainer Alfred Gislason und lobte Wolff für eine "überragende Leistung".

Wolff geniesst den Moment – und der heisst fünfter Sieg

Doch Wolff mauerte. "Das Ziel ist, Norwegen zu besiegen. Und wichtig wird es sein, den Flow so beizubehalten", blickte er auf den letzten Hauptrundengegner Norwegen, gegen den es am Montag (20:30 Uhr, live in der ARD) um den Gruppensieg geht und damit um die Frage, ob im Viertelfinale Spanien oder Frankreich der Gegner ist. Das Minimalziel bei dieser WM hat die DHB-Auswahl auf beeindruckende Art und Weise vorzeitig erreicht, doch Wolff geniesst den Moment, will sich mit dem Viertelfinale eigentlich erst dann beschäftigen, wenn es tatsächlich soweit ist.

Schritt für Schritt, Spiel für Spiel, eins nach dem anderen. So sind die Deutschen bislang furios durch das Turnier und von Sieg zu Sieg, von Highlight zu Highlight gefahren. Haben sich als Team gefunden, sind zusammengewachsen und halten das eigene Niveau, das Tempo und die Effizienz hoch. So wurden auch die zuvor so hochgelobten Niederländer früh entzaubert.

Doch Wolff weiss, dass da "zwei Gegner der absoluten Top-Kategorie" warten. "Grundsätzlich ist Frankreich eine Mannschaft, die uns eher liegen könnte, weil die Spanier unser Kryptonit sind. Wobei die Spanier etwas schwächer einzuordnen sind als die Franzosen", so Wolff. Im Grunde ist es also fast egal, wer es am Ende von den beiden Weltklasse-Mannschaften wird. Auch deshalb, weil das DHB-Team mit breiter Brust eigene Duftmarken setzt und sich in dieser Form vor keinem Gegner verstecken muss.

Wichtige Verwandlung

Auch dank Wolff, der zuletzt eine Verwandlung durchgemacht hat. Er hat sein A-Nationalmannschafts-Debüt bereits 2014 gefeiert, wurde 2016 Europameister, Olympia-Dritter, hat zahleiche grosse Turniere gespielt – und trotzdem jetzt noch einmal ein ganz neues Level erreicht, mit 31 Jahren. Der 1,98 Meter grosse Hühne ist lockerer geworden, entspannter, offener. Die Impulsivität ist einer neuen Ruhe gewichen, die ihm bei seinem Spiel hilft. Für ihn ist es wichtig, dass die Mannschaft gewinnt und er seinen Teil dazu beitragen kann. Was sich simpel anhört, fiel ihm lange nicht leicht. Der Ehrgeiz stand ihm oft im Weg, er galt als schwieriger Charakter.

Deutsches Handball-Team im Viertelfinale: Bundestrainer Gislason "sehr stolz"

Mit einem souveränen 33:26-Sieg haben die deutschen Handballer bei der Weltmeisterschaft das Viertelfinale erreicht. Bundestrainer Alfred Gislason lobte nach der Partie die "sehr gute Leistung" seiner Mannschaft.

Doch er sei er älter und gereift, sagte Wolff vor dem Niederlande-Spiel. "Ich habe mit einer Sportpsychologin gearbeitet, die genau die Thematik mit mir aufgearbeitet hat", verriet er. Früher bremste ihn sein Ehrgeiz, die Erwartung an sich selbst ein wenig aus. Er sah deshalb nach Niederlagen vor allem die negativen Dinge.

"Ich hatte grosse Probleme, mit negativen Erlebnissen umzugehen. Das hat viel Kraft gekostet. Ich habe jetzt verstanden, dass ich nicht von mir erwarten kann, jeden Ball zu halten", sagte er. Und zeigte den neuen Wolff, der die Entwicklung in einen Scherz verpackt: "Ich habe es aber bis dato noch nicht geschafft, zu Null zu spielen, und ich muss einsehen, dass ich das auch in Zukunft nicht schaffen werde."

Keine einfachen Jahre

Die letzten Jahre waren nicht so einfach, er hatte beim Titelgewinn 2016 die Latte sehr hoch gelegt, auch für sich selbst, konnte sie danach aber nicht so oft überspringen wie erhofft. 2021 erkrankte er zwei Mal an Corona, hinzu kam ein Leistungsloch. Und Gespräche. Mit der Psychologin, mit Trainern, mit Mitspielern. Die Erkenntnisse führten zum Wandel. Zum neuen Wolff, der eine neue Leichtigkeit an den Tag legt, die sich auch auf das Team überträgt. "Er ist eine Riesenerscheinung im Tor, spielt jede Woche auf Topniveau", lobt Torhüter-Kollege Joel Birlehm: "Er ist zu Recht hier unsere klare Nummer eins und ein echter X-Faktor."

Ein X-Faktor, der wieder Spass hat. "Der gehört beim Sport dazu und das ist untergegangen die letzten Jahre", sagte Wolff. Er habe erkannt, dass blinder Ehrgeiz nicht zielführend sei und es nichts bringe, sich unter Druck zu setzen, sodass man gefühlt die Last der ganzen Welt auf den Schultern trage, sagte Wolff. Ein Reifeprozess, den er durchgemacht hat: "Ich versuche mich nicht derart unter Druck zu setzen und von mir zu erwarten, dass ich jeden Ball halte, eine 100-Prozent-Quote habe und die Mannschaft alleine zum Sieg führe." Matchwinner ist er trotzdem noch oft genug.

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