Ihr Körper ist Caster Semenyas Kapital, ein Stück weit aber auch seit Jahren ihr Problem. Denn er wird beurteilt nach international festgelegten Regeln. Und denen zufolge produziert er zu viel des männlichen Hormons Testosteron. Der Leichtathletik-Weltverband verbietet Semenya deshalb die Teilnahme an internationalen Wettkämpfen. Daran ändert auch ein erster Sieg der Südafrikanerin vor Gericht nichts.

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Olympiasiegerin Caster Semenya aus Südafrika hat in ihrem langjährigen Rechtsstreit gegen die umstrittene Testosteron-Regel des Leichtathletik-Weltverbandes World Athletics (WA) vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg einen wichtigen Sieg gefeiert - ihre Klage gegen die Schweiz war erfolgreich. Semenya sei diskriminiert worden, urteilten die Richter mit einer 4:3-Mehrheit.

Ein symbolischer Sieg für Caster Semenya

In seinem Urteil stellte das Gericht "insbesondere fest, dass die Klägerin in der Schweiz keine ausreichenden institutionellen und verfahrensrechtlichen Garantien erhalten hat, die ihr eine wirksame Prüfung ihrer Beschwerden ermöglicht hätten". Das Urteil hat für die 32-Jährige allerdings weitgehend nur symbolischen Charakter, da es die WA-Regel an sich nicht infrage stellt und Semenya damit auch keine Rückkehr geebnet wird.

World Athletics nahm das "Urteil der tief gespaltenen Kammer" zur Kenntnis, wie es in einer Stellungnahme hiess: "Wir sind nach wie vor der Ansicht, dass die DSD-Regelungen ein notwendiges, angemessenes und verhältnismässiges Mittel zum Schutz des fairen Wettbewerbs in der Frauenkategorie sind". Zudem sei die Klage "gegen den Staat Schweiz und nicht gegen World Athletics eingereicht" worden: "Wir werden uns mit der Schweizer Regierung über die nächsten Schritte abstimmen". Die gültigen Bestimmungen blieben in Kraft.

Semenya hat zwei Mal Olympia-Gold gewonnen

Semenya gewann 2012 und 2016 Olympia-Gold über 800 Meter, darf aber seit 2019 aufgrund der sogenannten Testosteron-Regel nicht mehr bei internationalen Rennen über ihre Paradestrecke antreten. Ihren Protest gegen ihr Startverbot trug Semenya zunächst vor den Internationalen Sportgerichtshof CAS. Dieser entschied gegen sie, wogegen sie Beschwerde vor dem Schweizer Bundesgericht in Lausanne eingereicht hat. Das Bundesgericht wies diese jedoch ab. Semenya wandte sich deshalb an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.

Im Kern des Rechtsstreits geht es um ein Testosteron-Limit für Athletinnen mit intersexuellen Anlagen. Die neueste Version der Regel verlangt, dass Sportlerinnen mit Varianten der Geschlechtsentwicklung (DSD) ihren Testosteronwert im Blut auf unter 2,5 Nanomol pro Liter senken und diesen Wert zwei Jahre lang unterschreiten müssen, um in der weiblichen Kategorie antreten zu können. Die dreimalige Weltmeisterin lehnt dies ab. Die Regel gilt mittlerweile für alle Disziplinen und nicht mehr wie bisher für die Laufstrecken von 400 m bis zu einer Meile. WA hatte die Regel eingeführt, um die Integrität der Frauen-Kategorie zu schützen.

Caster Semenya will nur die "Erlaubnis, frei zu laufen"

"Alles, was wir möchten, ist die Erlaubnis, frei zu laufen, jetzt und für immer, als die starken und furchtlosen Frauen, die wir sind und immer waren", hatte Semenya gesagt, als sie ihre Klage einreichte: "Bei diesem Kampf geht es nicht nur um mich, sondern darum, Stellung zu beziehen und für Würde, Gleichheit und die Menschenrechte von Frauen im Sport zu kämpfen." (sid/hau)  © SID

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