Gout Gout wird in Australien als neuer Usain Bolt gefeiert. Wer ist der 17-Jährige, was kann er und was könnte tatsächlich aus ihm werden? Wir haben mit einem Experten über das Sprintwunder gesprochen.

Ein Porträt
Dieser Text enthält neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Andreas Reiners sowie ggf. von Expertinnen oder Experten. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Kann ein 17-jähriger Australier das Erbe des wohl grössten Sprinters der Geschichte antreten? Usain Bolt glaubt: Ja. Er heizte die Vergleiche selbst an. Dafür reichte bereits ein einziger Satz. "Er sieht aus wie mein junges Ich", sagte der frühere Leichtathletik-Superstar laut "Jumpers World" über Gout Gout. Der Shootingstar ist gerade einmal 17 Jahre alt und mischt im Moment die gesamte Szene auf.

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Völlig überzogener Hype? Oder ist Gout Gout tatsächlich der neue Bolt? "Als Jugendlicher ist er schon mal schneller", sagt Zehnkampf-Legende Frank Busemann im Gespräch mit unserer Redaktion und lacht. Und wird dann schnell ernst. "Er sieht tatsächlich aus wie der junge Usain Bolt. Auch von den Hebeln her, also wie er läuft. Das ist beeindruckend. Und die Anlagen hat er."

Übersetzungsfehler beim Namen

Deshalb musste Bona Guot dringend etwas richtigstellen. Es droht nämlich die Gefahr, dass sich der Name seines Sohnes ein Stück weit "vergaloppiert". Dass er sich in den Köpfen der Fans einbrennt und er das Ganze nicht mehr einfangen kann. Sein Sohn heisst nämlich nicht Gout Gout, sondern eigentlich Guot Guot. Da "Gout" im Englischen "Gicht" bedeutet, ist es nachzuvollziehen, dass der Papa nicht will, dass sein Sohn wie eine Krankheit heisst und er das Missverständnis aufklären möchte.

Hinter dem kleinen Dilemma verbirgt sich ein Übersetzungsfehler bei der arabischen Schreibweise, nachdem die Eltern 2005 aus dem ebenso armen wie krisenreichen Südsudan geflüchtet sind. Korrigiert wurde der Fauxpas bislang nicht. "Ich möchte nicht, dass mein Sohn als Krankheit bezeichnet wird. Das ist inakzeptabel", sagte der Vater laut "Fox Sports". Sein Sohn wurde nach der Flucht 2007 als eines von sieben Kindern in Australien geboren.

Bei den Erwachsenen schon Weltklasse

Dort sorgt er nun mit seinen Fabelzeiten für Schlagzeilen. Das letzte Ausrufezeichen: 20,04 Sekunden über 200 Meter, gelaufen im Dezember bei den australischen Schulmeisterschaften. Dadurch fiel der nationale Rekord, den Peter Norman mit 20,06 Sekunden bei den Olympischen Spielen 1968 in Mexiko-Stadt aufgestellt hatte.

Bolts Zeit mit 16 im Jahr 2003: 20,13 Sekunden. Dass es Gout mit 10,04 Sekunden über 100 Meter nicht in die Bestenliste schaffte, lag am starken Rückenwind, der den Lauf begünstigte. Ohne Wind waren es 10,17 Sekunden – immer noch eine starke Leistung. Und ein Versprechen.

"Mit seiner Zeit wäre er bei den Erwachsenen jetzt schon Weltklasse", sagt Busemann. Der Sprung in den Erwachsenenbereich ist aber immer nochmal etwas anderes. Es bestehe immer die grosse Gefahr für junge Athleten, dass dann keine Entwicklung mehr stattfinde: "Man weiss nie, ob die als Jugendliche schon so belastet worden sind, dass sie ausgereizt sind mit 18, 19. Dass im Erwachsenenalter gar keine neuen Reize mehr kommen können, um Leistung zu entwickeln." Denn auf dem ganz hohen Niveau hat es immer eine exponentielle Wirkung, wenn man nochmal zwei, drei Prozent Leistung entfalten kann.

So schätzt Gout Gout sich selbst ein

Gout selbst ist sich darüber im Klaren, was er da abliefert. "Das sind Zeiten für Erwachsene, und ich bin nur ein Kind", sagte er bei "Athletics Australia". Doch die Entwicklung ist beeindruckend. 2022 startete er über 100 Meter mit 10,95 Sekunden in die Saison, um sich innerhalb weniger Monate auf 10,57 Sekunden zu verbessern. Über 200 Meter sieht es ähnlich aus, da benötigte er im Herbst 2024 noch 20,6 Sekunden, als er Silber bei den U20-Weltmeisterschaften gewann.

Es sind nicht nur die Zeiten, auch sein Laufstil und die Posen schüren den Vergleich mit Bolt, dem achtmaligen Olympiasieger und Weltrekordhalter über die 100 (9,58 Sekunden) und 200 Meter (19,19 Sekunden), sowie den Hype in Australien. Von einer behutsamen Entwicklung kann schon jetzt keine Rede mehr sein. Videos von ihm gehen viral, und "das hat bereits Druck erzeugt. Aber wie heisst es so schön: Druck macht Diamanten, und ich schätze, ich bin im Moment besser als ein Diamant", sagte Gout.

Gout Gout findet den Vergleich mit der Legende "cool"

Und den Vergleich mit Bolt findet er "cool, denn Usain Bolt ist wohl der grösste Athlet aller Zeiten, und es ist ein tolles Gefühl, mit ihm verglichen zu werden. Wenn ich das Niveau von ihm erreichen kann, wäre das eine grossartige Leistung", meinte er bereits im Frühjahr bei "News.com.au".

Doch der Umgang mit dem gestiegenen Druck, mit der grösseren Aufmerksamkeit und der höheren Erwartungshaltung trägt einen grossen Teil dazu bei, wie es weitergeht. "20 Meter vor den anderen herzuballern ist die eine Sache. Dann nachher unter Druck zu funktionieren, ist eine andere", sagt Busemann. Für das Umfeld sei es eine ganz grosse Kunst, ihn wertzuschätzen, aber nicht auf dem Silbertablett durch die Gegend zu tragen. "Man muss schauen, dass die Kirche im Dorf bleibt und er weiter konzentriert läuft. Er muss Demut mitbringen", rät Busemann.

So kann er Weltklasse werden

Was braucht eine Karriere in einem so frühen Stadium noch? "Gesundheit. Das ist das A und O", so der 49-Jährige: "Ausserdem müssen, wenn es um den Unterschied zwischen Endlauf und Weltklasse geht, die Rahmenbedingungen von vorne bis hinten stimmen."

Dafür dürfte der angeblich sechs Millionen Dollar schwere Deal mit Adidas sorgen, den der 17-Jährige bekommen hat. Im Januar kann er auf Einladung des Sportartikelherstellers in einer Trainingsgruppe in Florida mitmischen, zu der unter anderem auch der 100-Meter-Olympiasieger Noah Lyles gehört. Gout wird von Manager James Templeton, Trainerin Diane Sheppard und Trainingspartner Jonathan Kasiano begleitet.

Der Adidas-Deal "hilft ihm natürlich, ist aber auch richtig gefährlich. Geld darf nie Antrieb sein, aber wenn man jetzt auf einmal von null auf den Geld-Olymp zusteuert, dann denkt man schnell: 'Ich hab's ja drauf', warnt Busemann. Denn dann könne man relativ schnell auch satt sein, wenn man nicht gefestigt sei: "Für einen Teenager ist das alles ein hartes Brett. Sich an der Ursprünglichkeit des Sports zu erfreuen, es geil zu finden, schnell zu laufen, das sind die Sachen, um die es gehen muss. Das ist eine riesige Aufgabe, den Jungen in der Spur zu halten. Und er muss das jetzt gleichzeitig sportlich bestätigen".

Das soll er im April bei den nationalen Leichtathletik-Meisterschaften. Dort wird er laut seinem Manager über 100 Meter in der U20-Kategorie antreten, über 200 Meter aber bei den Senioren. Im September könnte das internationale Debüt folgen, dann steht die WM in Tokio auf dem Programm. Gleichzeitig soll seine Schulausbildung – er geht in die zwölfte Klasse der Ipswich Grammar School – dafür sorgen, dass er sich ein Fundament für die Zukunft schafft und auf dem Boden bleibt.

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Wird Gout Gout die Leichtathletik aufmischen?

Die grosse Frage, die sich Beobachter stellen: Wie wahrscheinlich ist es, dass er die Leichtathletik tatsächlich aufmischen kann? "50:50", sagt Busemann. "Das ist schwer abzuschätzen, weil so viele Unwägbarkeiten auf dem Weg lauern. Da gehört auch Glück zu, dann zur richtigen Zeit an der richtigen Stelle zu sein."

Es gehe jetzt darum, die richtige Balance zu finden zwischen Trainingsbelastung und Trainingssteuerung und gleichzeitig auch das Interesse der Menschen und Sponsoren zu füttern: "Er darf nicht vergessen, dass er Sportler ist und kein Entertainer. Er darf aber auch nicht verheizt werden."

Denn die grosse Hoffnung ist, dass er 2032 bei den Olympischen Spielen in Brisbane auf dem Höhepunkt seines Schaffens ist. Dann wäre Gout 24. Und damit nur ein wenig älter als Bolt, als der 2009 seine Weltrekorde aufstellte.

Über den Gesprächspartner

  • Frank Busemann hat als Zehnkämpfer 1996 in Atlanta Silber geholt, ein Jahr später bei der WM in Athen Bronze. Im Sommer 2003 trat er zurück.

Verwendete Quellen

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