Geld regiert die Welt. Das gilt vor allem auch im Sport. Für die Vergabe sportlicher Grossveranstaltungen wie den Olympischen Spielen oder Fussball-Weltmeisterschaften ist nicht in erster Linie wichtig, wie es den Sportlerinnen und Sportlern während des Wettkampfs ergeht oder ob sportliche Höchstleistungen in dieser oder jener Klimazone überhaupt möglich sind.
Am Sonntag ging die Leichtathletik-WM in Katar nach zehn Tagen zu Ende. Während die sportlichen Leistungen der Athleten im Vordergrund stehen sollten, drehten sich viele Diskussionen um die unwirtlichen Bedingungen in dem Wüstenstaat.
Das Klima in Katar ist nicht für ein Grossereignis wie die Leichtathletik-WM geeignet: Die Veranstalter mussten das Stadion um rund 15 Grad Celsius künstlich herunterkühlen und die Marathonwettbewerbe in die Nachtstunden verschieben.
Natürlich wusste der internationale Leichtathletikverband IAAF von den Bedingungen und vergab die WM trotzdem nach Katar. Der Fussballverband Fifa wird seine Weltmeisterschaft 2022 ebenfalls in Katar austragen und dabei das prestigeträchtige Turnier erstmals seit 1930 in den Winter verlegen.
Die Olympischen Sommerspiele im kommenden Jahr finden ihrerseits in der japanischen Hauptstadt Tokio statt, wo im Juli und August für gewöhnlich um die 30 Grad Celsius und über 70 Prozent Luftfeuchtigkeit vorherrschen.
Angesichts dieser Fakten stellt sich die Frage: Weshalb vergeben die internationalen Sportverbände ihre Grossereignisse an Bewerber, die allein aus klimatischen Gesichtspunkten kaum geeignet sind?
Politische Machtkämpfe statt sportliche Wettkämpfe
Die Sportverbände möchten alle Mitglieder so gut es geht zufrieden stellen. Deshalb findet beispielsweise die Fussball-WM nicht zweimal hintereinander auf demselben Kontinent statt. Die Europäer mögen den Fussball mit ihren grossen Ligen dominieren, aber sie sind innerhalb der Fifa nicht allein.
Da jeder einzelne Nationalverband in der Fifa nur eine Stimme hat, haben die Afrikaner oder Asiaten ähnlich grossen Einfluss wie Europa. Die Führung muss auf die Interessen aller achten, um gerade auch die eigene Machtposition zu festigen.
Grossereignisse: Kritik aus der Bevölkerung
Abgesehen von diesen internen Konstellationen hat sich im vergangenen Jahrzehnt gezeigt, dass in den grossen Industrienationen die Ausrichtung von sportlichen Grossereignissen keineswegs unumstritten ist. Die deutsche Bewerbung um die Olympischen Winterspiele 2018 war mit Widerstand aus Garmisch-Partenkirchen konfrontiert, wenngleich sich die Gegner bei Bürgerentscheiden nicht durchsetzen konnten. Ein Referendum in Hamburg über die Sommerspiele 2024 kam zu dem Ergebnis, die Bewerbung zurückzuziehen.
Ähnlich war es in Budapest, als sich 2015 hunderttausende Bewohner in Unterschriftenlisten eintrugen und ein Referendum zur Bewerbung für die Sommerspiele 2024 forderten. Die Wiener Bevölkerung lehnte ihrerseits eine mögliche Bewerbung für die Sommerspiele 2028 bei einer Volksbefragung ab.
Andernorts wäre diese Art der Bürgerbeteiligung undenkbar. Bei der Vergabe der Winterspiele 2022 standen sich Peking und die kasachische Metropole Almaty gegenüber. Selbst wenn dort Bedenken berechtigt wären, würden diese in autoritär regierten Ländern kaum Gehör finden.
Nachhaltigkeit ist zweitrangig
Regierungen haben oftmals das Prestige von sportlichen Grossereignissen vor Augen. Allerdings kritisieren immer mehr Europäer und Nordamerikaner die Ressourcenverschwendung - vor allem angesichts des zunehmenden Klimawandels.
Vor einigen Jahren ermahnte beispielsweise der damalige UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon die Organisationskomitees der Fussball-Weltmeisterschaften in Russland und Katar zu nachhaltigem Planen. "Die positiven Folgen solcher Veranstaltungen waren in der Vergangenheit nicht immer von Dauer, doch das müssen sie sein", forderte der Südkoreaner. "Derartige Grossveranstaltungen müssen ein bleibendes Vermächtnis hinterlassen, das der Gesellschaft noch lange nach dem Ende der Wettkämpfe zugutekommt."
Ban dachte wahrscheinlich an Veranstaltungen wie die Fussball-WM 2014 in Brasilien, wo Teile der teuren Infrastruktur im Nachgang ungenutzt blieben. Das Olympische Komitee IOC hat sich auf seine "Agenda 2020" gesetzt, ab 2026 so viele bestehende Anlagen wie möglich für Sommer- und Winterspiele zu nutzen.
Auch Klimakompensation – etwa durch den Kauf von Regenwald durch Veranstalter – sind angedacht. Darauf setzte bereits die erfolglose Bewerbung Stockholms für Olympia 2020.
Aber Skepsis bleibt. "Wenn man sich die letzten Olympischen Spiele anschaut – die hatten alle sehr ambitionierte Programme. Das Thema Nachhaltigkeit ist eins, das relativ schnell hinten überfällt, wenn die Kosten steigen und wenn gespart werden soll", bemängelt Henning Wilts, Klimaexperte des Wuppertal Instituts.
Regelmässige Korruptionsvorwürfe
Schlussendlich zählten und zählen für die Organisationskomitees, ob nun in Russland, Katar, Japan oder auch Deutschland, vor allem das Prestige und die öffentliche Aufmerksamkeit dieser kostenintensiven Veranstaltungen.
Nicht selten dominieren zudem Einzelinteressen innerhalb der Verbände. Nährboden für Korruptionsvorwürfe - so auch im Internationalen Olympischen Komitee (IOC).
Der frühere Chef des Leichtathletik-Weltverbandes Lamine Diack steht unter Verdacht, sowohl von Katar für die Leichtathletik-WM als auch von Japan für Olympia 2020 Zahlungen erhalten zu haben. Der Senegalese hatte innerhalb des IOC grossen Einfluss auf das Stimmverhalten des afrikanischen Blocks und könnte dafür gesorgt haben, dass die Spiele nach Tokio gingen.
Mittlerweile steht Diack unter Hausarrest in Paris und wartet auf seinen Prozess. Sein Sohn Papa Massata Diack ist in der Heimat abgetaucht und wird von Interpol gesucht. Auch innerhalb der Fifa soll es bei Vergaben immer wieder zu Schmiergeldzahlungen und ähnlichem gekommen sein.
Bedenken bezüglich der klimatischen Bedingungen bei Wettbewerben oder Regularien zum nachhaltigen Bauen sind in diesen Kreisen ohne Bedeutung. Es geht vor allem ums Geld.
Verwendete Quellen:
- Informationen der World Meteorological Organization
- Bericht vom Treffen von Ban Ki-Moon mit den russischen und katarischen Organisationskomitees
- Kommentar der FAZ zu den Ermittlungen gegen Lamine Diack
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