In der Nacht auf Donnerstag endet die reguläre NBA-Saison und am Samstag beginnt endlich die richtige Basketball-Saison: Die NBA-Playoffs starten. Doch zum ersten Mal seit zwölf Jahren wird Dirk Nowitzki, bester deutscher Basketballer aller Zeiten, nicht dabei sein. Seine Dallas Mavericks verpassten die Qualifikation für die Playoffs - und der 34-Jährige Superstar legte eine seiner schlechtesten Saisons seit langem hin. Beginnt der Stern des deutschen Basketball-Gotts bereits zu sinken? Eine Chronik des Niedergangs der Dallas Mavericks.
Im Juni 2011 stand die Basketball-Welt in Deutschland Kopf: Die Mannschaft um
Doch der Abstieg in die Bedeutungslosigkeit begann direkt nach dem Titelgewinn: Anstatt das erfolgreiche Team zusammenzuhalten, liess Mavericks-Eigentümer Mark Cuban wichtige Spieler ziehen: Insbesondere der Abgang von Tyson Chandler, Jason Terry und Jason Kidd machten die Hoffnungen auf eine Titelverteidigung eigentlich schon vor Beginn der neuen Saison zunichte.
Mavs-Eigner Cuban wollte unbedingt einen zweiten Superstar neben Dirk Nowitzki verpflichten und musste deshalb Kidd und Terry in die Wüste schicken. Hintergrund war der neue NBA-Tarifvertrag, dessen Strukturen nur noch wenige Grossverdiener in einem Team zulassen. Auch der defensivstarke Center Tyson Chandler, der nach Meinung vieler Experten den entscheidenden Unterschied für die bislang "soften" Dallas Mavericks gemacht hatte, musste deshalb gehen.
Doch Cubans Favorit, Aufbauspieler Deron Williams von den New Jersey Nets, der aus der Region Dallas stammt, machte ihm einen dicken Strich durch die Rechnung: Der zu diesem Zeitpunkt wohl beste Point Guard der Liga verlängerte lieber mit den Nets, die nach ihrem Umzug nach New York jetzt Brooklyn Nets heissen. So war schon vor Beginn der Saison 2011/2012 klar, dass Nowitzki weitgehend auf sich alleine gestellt sein würde.
Der Streit um den neuen Tarifvertrag, der erst nach einer langen Aussperrung der Spieler durch die Eigentümer der NBA-Klubs beigelegt werden konnte, sorgte darüber hinaus für eine verkorkste Saison des komplett neu formierten Teams. Zwar erreichten die Mavericks im Frühjahr 2012 nach einer stark verkürzten Saison noch die Playoffs, wurden jedoch schon in der ersten Runde vom späteren Finalteilnehmer Oklahoma City Thunder mit 0:4 brutal abgefertigt.
Auch Nowitzki machte Fehler
Doch der Niedergang der Dallas Mavericks ist nicht alleine dem Management anzulasten. Auch der deutsche Superstar wird sich rückblickend fragen, ob er die ein oder andere Entscheidung richtig getroffen hat. So reiste Nowitzki während des NBA-Tarifstreits mit der deutschen Basketball-Nationalmannschaft zum EM-Turnier 2011 in Litauen. Ein ausgelaugt wirkender Nowitzki lieferte eine seiner schlechtesten Leistungen im Trikot der Nationalmannschaft ab und schied sang- und klanglos aus. Zum Start der neuen NBA-Saison war er dann nicht wirklich fit und setzte später sogar einige Spiele aus, um sich der Reha zu widmen.
Auch die Knieverletzung, die ihn während der Vorbereitung zur aktuellen Saison arg behinderte, hätte man wohl anders angehen und vor allem früher behandeln sollen. Erst kurz vor dem Start der Saison entschloss sich "Dirkules" zu der notwendigen Operation und fehlte seinem Team dann bis Weihnachten - da hatten die Mavericks fast schon den Anschluss in der starken Western Conference der NBA verloren. Und bis Nowitzki seinem Team wirklich wieder helfen konnte, vergingen weitere Wochen. Doch zu diesem Zeitpunkt deutete bereits alles auf eine verlorene Saison hin. Doch das ist nicht alleine Nowitzki anzulasten.
Denn auch vor Beginn dieser Saison hatte es das Management erneut nicht geschafft, dem deutschen Superstar die nötigen Talente an die Seite zu stellen. Zwar kamen mit Elton Brand und Chris Kaman zwei verdiente NBA-Veteranen, doch niemand erwartete Wunderdinge von diesen beiden Spielern. Und die beiden jungen und hochtalentierten Spieler Darren Collison und O.J. Mayo, auf die man grosse Hoffnungen gesetzt hatte, schlugen nicht so ein wie erwartet. Über weite Strecken der Saison wirkten die Mavs wie ein Team, das einfach nicht harmonierte.
Wie könnte es für Nowitzki weitergehen?
Die heisse Phase der NBA-Neuverpflichtungen beginnt nach den NBA Finals im Juli und erneut stehen einige grosse Namen vor einem Vereinswechsel. Doch auch in diesem Jahr könnten die echten Superstars Dallas meiden - obwohl die Kasse von Mark Cuban gut gefüllt ist. Dirk Nowitzki hat dem Management seine Hilfe bereits angeboten, echte Stars von einem Wechsel nach Dallas zu überzeugen - ein Akt der Verzweiflung?
Chris Paul, Andrew Bynum und Josh Smith dürften in diesem Sommer die begehrtesten Spieler sein. Doch alle haben entscheidende Nachteile: Chris Paul, genialer Aufbauspieler der Los Angeles Clippers, hat bereits angedeutet, bei "Lob City" verlängern zu wollen und weiter die Bälle für Blake Griffin zu verteilen. Der langzeitverletzte Andrew Bynum hat für die Philadelphia 76ers kein einziges Spiel bestritten und gilt aufgrund seiner bereits zahlreichen Knie-OPs als grosses Risiko. Und der zuletzt stark aufspielende Josh Smith von den Atlanta Hawks spielt die gleiche Position wie Nowitzki und dürfte nur schwer bei den Mavericks zu integrieren sein. Gut möglich also, dass "Dirkules" erneut ohne grosse Verstärkung wird auskommen müssen.
Nowitzki hat noch ein Jahr Vertrag und er wird sich fragen müssen, ob er wirklich seine Karriere in Dallas beenden will. Dies hatte er zuvor immer betont. Aber es erscheint momentan unwahrscheinlich, dass die Mavericks in der ihm verbleibenden Zeit als NBA-Star jemals wieder um die Meisterschaft mitspielen werden. Wie könnte also die Exit-Strategie des deutschen Basketball-Gotts aussehen?
In Dallas vor dem Absprung?
Natürlich könnte Dirk Nowitzki nach der kommenden Saison einfach aufhören und als bester Mavericks-Spieler aller Zeiten Dallas verlassen - doch niemand kann wirklich glauben, dass Nowitzki auf diese Art abtreten möchte. Immerhin brachte er es selbst in dieser verkorksten Saison noch auf einen Punkteschnitt von über 17.
Ebenfalls könnte Nowitzki hinter die kommende Saison schon jetzt einen Haken machen und die Mavericks dann im Sommer 2014 also so genannter Free Agent verlassen - er könnte sich selbst einen neuen Club suchen und sich so möglicherweise einem Team anschliessen, dass eine echte Titelchance hat. Ein Weg, den schon andere alternde NBA-Stars gegangen sind, wenn auch mit wechselndem Erfolg.
Doch das für alle Seiten wohl beste Szenario wäre ein Wechsel vor der kommenden Saison zu einem Team, das bereits einen konkurrenzfähigen Kader hat. Die Mavericks könnten dann ohne ihren Superstar und ohne hohe Erwartungen den Neuaufbau angehen, während Nowitzki vielleicht noch ein letztes Mal um den Titel mitspielen könnte.
Bleibt die Frage, ob Team-Eigentümer Mark Cuban bei diesem Plan mitspielen würde. Rein moralisch betrachtet bliebe ihm fast keine Wahl: Nowitzki hat immer alles für die Mavericks gegeben und bei seinem derzeitigen Vertrag sogar auf viel Geld verzichtet, um die Verpflichtung anderer hochkarätiger Spieler zu ermöglichen - doch eine Garantie für sein Wohlwollen gibt es nicht. Wie immer die Entscheidung des Mavs-Bosses ausfallen wird: Auf die deutschen NBA-Fans kommt ein spannender Sommer zu.
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