Jetzt ist es endgültig: Lance Armstrong werden wegen Dopings alle sieben Tour-de-France-Titel aberkannt. Schon seit Jahren plagt sich nicht nur der Radsport mit dem Problem der illegalen Leistungsförderung herum. In der Konsequenz gibt es von manchen Stellen schon seit längerem die Forderung, den Dopingmarkt einfach zu öffnen und so unlauteren Wettbewerb zu vermeiden.

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Lance Armstrong, Jan Ullrich, Dieter Baumann, Claudia Pechstein - die Liste der Dopingsünder kann schier endlos weitergeführt werden. Scheinbar tut es sowieso jeder. Also kann man sich doch auch den ganzen Aufwand sparen und Doping ganz einfach legalisieren, oder?

Dieser Meinung ist zumindest der Bioethiker und Philosoph Prof. Julian Savulescu. In einem Spiegel-Interview sprach er sich für die Verabreichung von Dopingmitteln unter der Aufsicht von Ärzten aus. Professor Dr. Alfred Aigner lehnt dies ab. "Ganz klar, nein!", entgegnet Aigner auf die Frage, ob kontrolliertes Doping sinnvoll wäre. Aigner war jahrelang Leiter des Instituts für Sportmedizin des Landes Salzburg und gehört der medizinischen Kommission der National Anti-Doping Agentur in Österreich an.

Schaden und Nutzen sind abzuwiegen

"Es ist gegen die medizinische Ethik, einem gesunden Menschen Arzneimittel zu verabreichen, die auch mit Nebenwirkungen behaftet sind. Eine Schädigung in Kauf nehmen, ohne abzuwägen, ob der Nutzen grösser ist als der Schaden, verbietet sich." Der sportliche Erfolg mag zwar etwas Schönes sein, einen gesundheitlichen Nutzen hat er jedoch nicht. Insofern ist der Schaden um ein Vielfaches grösser als der Nutzen.

Auf der internationalen Verbotsliste der WADA ("World Anti-Doping Agency") stehen auch Substanzen ohne schädliche Nebenwirkungen. Einige Schnupfen- oder Hustenmittel sind auf dem Index zu finden. Sie enthalten Ephedrin, das nicht nur schleimhautabschwellen, sondern auch leistungssteigernd wirken kann. Dem erkälteten britischen Skirennläufer Alain Baxter wurde dies im Jahr 2002 zum Verhängnis. Der Schotte hatte bei den Olympischen Spielen in Salt Lake City überraschend Bronze gewonnen. Die Medaille wurde ihm aberkannt, nachdem in seinem Blut Spuren von Methylamphetamin gefunden wurden. Baxter wies später nach, dass die Substanz von seinem Nasenspray stammte, das das in den USA eine andere Zusammensetzung hatte als in seiner Heimat. Baxter wurde dennoch drei Monate gesperrt.

Ist die WADA kleinkariert?

Das mag kleinkariert wirken. Dennoch ist Professor Dr. Aigner dafür, auch diese Medikamente weiterhin auf der Dopingliste zu führen. "Das ist eine Frage der Dosis. Der Mensch ist leider immer wieder versucht, durch eine Steigerung der Dosis eine sportliche Steigerung herbeizuführen", erklärt Aigner. Eine „sichere Dosis“, von der Ethiker Savulescu spricht, gibt es laut Aigner zwar, doch diese hätte keinen relevanten leistungssteigenden Effekt und ist somit für Sportler uninteressant.

Eine weitere kontroverse These des Bioethikers Savulescu kann Aigner zwar nachvollziehen, hält sie aber für unrealistisch. Savulescu hält es für eine Pflicht von Ärzten, Dopingmittel zu verabreichen, um das gesundheitliche Risiko für die Sportler möglichst gering zu halten.

"Auch unter ärztlicher Aufsicht kann es zu Nebenwirkungen kommen. Es ist sehr idealistisch zu glauben, dass ein Patient auf alles hört, was der Arzt ihm sagt."

So verhält es sich auch bei vielen Sportlern. Sie missachten die möglichen Nebenwirkungen einer Überdosierung und nehmen das gesundheitliche Risiko in Kauf. Anabole Steroide gehören zu den am häufigsten verwendeten leistungssteigernden Substanzen.. Dabei bergen die künstlich hergestellten Derivate des männlichen Sexualhormons Testosteron einige schwerwiegende Risiken: Depressionen, Leberschäden, Nierenversagen, Herzerkrankungen und Krebs sind nur einige der bekannten Nebenwirkungen.

Der Spitzensport würde interessant bleiben

In einem Punkt stimmen Sportmediziner Aigner und Bioethiker Savulescu überein. Die Angst, Spitzensport könnte langweilig werden, wenn es einen freien Markt für Doping gäbe, ist unbegründet. Denn der Erfolg eines Sportlers ist nicht nur von seiner körperlichen Leistungsfähigkeit abhängig. Psychische Faktoren wie Willensstärke oder das "Sich-Quälen-Können", spielen laut Professor Dr. Aigner eine sehr grosse Rolle im Spitzensport und entscheiden oft über Sieg oder Niederlage.

Doch inwieweit kann die tatsächliche Leistung der einzelnen Sportler bewertet werden, wenn im Hintergrund Mediziner an neuen unterschiedlichen Mitteln arbeiten, um ihre Schützlinge so zu neuen Höchstleistungen zu führen?

Aigner hat auch dazu eine ganz klare Meinung: " Mich interessiert, wie gut Sportler A und Sportlerin B sind. Mich interessiert aber nicht, wie gut Sportler A und Sportlerin B plus Ärztestab plus Medikamente sind.

"Da geht doch jeglicher Reiz verloren."

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