Playstation statt Stadion, FIFA statt Bundesliga – E-Sport erlebt in der Corona-Zeit einen regelrechten Boom. Selbst Stars des echten Sports mischen mit und erreichen Millionen Fans. Ist der E-Sport der grosse Profiteur der Coronakrise?

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RB Leipzig gegen Werder Bremen, Borussia Dortmund gegen Holstein Kiel, VfL Wolfsburg gegen den FC Schalke 04 – ein spannender Spieltag steht den Fussball-Fans am Wochenende bevor. Ausgetragen werden die Spiele allerdings nicht auf dem Rasen, sondern auf der Playstation.

Weil die Ausbreitung des Coronavirus die aktive Sportwelt lahmgelegt hat, verlagert sich der Wettkampf nun auf das Videospiel FIFA 20. Echte Fussballprofis und E-Sportler bilden jeweils ein Team, sodass Stars wie Achraf Hakimi von Borussia Dortmund oder Maximilian Eggestein vom SV Werder Bremen nun auf der Konsole mitmischen.

Verschiedene Medienkanäle wie "ran.de" oder der YouTube-Kanal der virtuellen Bundesliga übertragen die sogenannte Bundesliga Home Challenge.

Zwei Millionen Zuschauer beim virtuellen Fussball

Die Resonanz scheint gross zu sein: Christian Seifert, der Geschäftsführer der Deutschen Fussball Liga DFL, verriet gegenüber "Bild.de", dass am vergangenen Wochenende rund zwei Millionen Menschen den ersten Spieltag verfolgt haben.

E-Sport war schon vor der Coronakrise populär, erlebt nun aber einen regelrechten Boom. Weil der echte Sport ruht, sind die Duelle auf der Konsole momentan konkurrenzlos – und zwar fast weltweit.

In Spanien erreichte ein virtuelles Fussball-Turnier, bei dem die Profis zahlreicher Erstligisten gegeneinander antraten, eine Million Fans.

Auch die Formel 1 und die NBA mischen im E-Sport mit

Andere Sportarten springen auf den Erfolgszug auf. Die Formel 1 hat den Grossen Preis von Bahrain, welcher in der Realität nicht stattfinden konnte, spasseshalber virtuell ausgetragen. Echte Formel-1-Stars wie Lando Norris und Nicholas Latifi sowie der ehemalige deutsche Ex-Formel-1-Fahrer Nico Hülkenberg nahmen daran teil.

Auch hier war das Interesse gross: Mehr als 1,8 Millionen Menschen haben die Übertragung auf YouTube bereits aufgerufen. Kein Wunder also, dass fast täglich neue Formate dieser Art angekündigt werden.

Die Basketball-Profiliga NBA startet an diesem Freitag ihr virtuelles Turnier. 16 Profis, darunter der Weltstar Kevin Durant von den Brooklyn Nets, treten in dem Videospiel NBA2k20 gegeneinander an. Der US-Sportsender ESPN überträgt das Turnier. Der Gewinner erhält 100.000 Dollar zugunsten eines guten Zwecks im Kampf gegen Corona

DFB veranstaltet virtuelles Charity-Turnier

Und auch in Deutschland wird es neben der eingangs beschriebenen Bundesliga Home Challenge weitere Formate geben.

Vergangene Woche kündigte der DFB ein virtuelles Charity-Turnier an. Jeder Nutzer kann sich über einen Ausscheidungskampf für das Turnier am 23. April qualifizieren und tritt dann gegen eNationalspieler, Hobby-Gamer, Fussball-Profis sowie Entertainment- und YouTube-Stars an. Ist der E-Sport also der grosse Profiteur der Coronakrise?

"Die aktuelle Situation ist alles andere als gut, sie bietet aber natürlich eine Chance für den E-Sport und für Sport-Simulationen, weil der echte Sport momentan abwesend ist", verrät Holger Merk vom DFB im Gespräch mit unserer Redaktion. Als Senior Head of Strategic Marketing verantwortet er den Bereich E-Sport beziehungsungweise E-Football. E-Sport bietet dann noch die beste Möglichkeit, über Headset mit den Mitmenschen im Kontakt zu bleiben und einen Wettkampf auszutragen. "Der E-Sport kann das, was wir an dem Sport schätzen und lieben, in die Wohnzimmer transportieren", sagt Merk.

Spielfreude und Vielfalt

Auch wenn der aktive Fussball mittelfristig wieder im Fokus stehen soll, wird der Bereich eFootball beim DFB ausgebaut. Zumal virtueller Sport auch Vorteile gegenüber dem echten Sport bietet.

Merk erklärt: "E-Football ermöglicht uns Spielfreude und Vielfalt. Jungs und Mädchen können in Mixed-Teams zusammenspielen, Personen mit und ohne körperliche Behinderungen ebenfalls, auch Altersunterschiede spielen keine Rolle."

Grossveranstaltungsverbot trifft auch E-Sport

Allerdings gibt es auch im E-Sport nicht nur Gewinner. Die Zeiten, in denen die weltbesten Gamer sich vor Tausenden Zuschauern gemessen haben, sind erst einmal vorbei. Grossveranstaltungen sind fast in der ganzen Welt untersagt.

Bereits im Februar musste die E-Sport-Organisation ESL ihr erstes grosses Event des Jahres, das Intel "Extreme Masters" im polnischen Kattowitz, vor leeren Rängen austragen. Seitdem hat die ESL auf Onlineevents umgestellt.

"Wir bewegen unsere Turniere vom Physischen zurück ins Digitale", sagt deren CEO Lars Reichert gegenüber dem "Spiegel". "Wie die Situation sich auch entwickeln mag, wir sind auf alle möglichen Szenarien eingestellt."

Ein weiteres Problem: Da E-Sport normalerweise durch Sponsoring viel Geld einnimmt, wirkt sich die problematische wirtschaftliche Entwicklung auch hier aus.

Hans Jagnow, der Präsident des E-Sport-Bunds Deutschland (ESBD), sagt: "Wir sind nicht entkoppelt von der konjunkturellen Gesamtsituation. Auch im E-Sport geht es darum, Arbeitsplätze zu sichern."

Und trotzdem: Der E-Sport scheint bessere Chance zu haben als der aktive Sport, die Coronakrise einigermassen unbeschadet zu überstehen.

Verwendete Quellen:

  • Interview mit Holger Merk
  • YouTube.com: Bahrain Virtual Grand Prix
  • Espn.com: Nets' Kevin Durant leads field of 16 in NBA 2K20 tournament on ESPN
  • Spiegel.de: Okay, dann gucken wir halt Counter-Strike
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