Immer wieder explodiert die Gewalt im griechischen Fussball, zuletzt knallte es sogar beim Volleyball. Die Hintergründe sind komplex, weshalb der Kampf gegen Ausschreitungen und Krawalle kein einfacher ist.
Der ältere Mann mit den grauen Haaren liess sich nicht aufhalten. Er stapfte auf den Platz, war kaum zu beruhigen, wollte dem Gegner an den Hals, dem Schiedsrichter auch. Denn Ivan Savvidis protestierte gegen eine Abseits-Entscheidung gegen seine Mannschaft kurz vor Spielende. Der Besitzer von PAOK Saloniki sorgte damals, im März 2018, für eine ganz neue Qualität: Der heute 64-Jährige trug bei seiner Wut-Aktion gleichzeitig eine Pistole an seinem Gürtel zur Schau. Die griechische Meisterschaft wurde anschliessend für drei Wochen unterbrochen.
Ein bisschen Cowboy, ein bisschen Wildwest: Es ist ein Zwischenfall, der kein Einzelfall ist, sondern stellvertretend steht für ein generelles Problem in Griechenland, wo der Sport immer wieder von Krawallen und Schlägereien überschattet wird, Verletzte an der Tagesordnung und selbst Tote keine Seltenheit sind.
Eskalation beim Volleyball
Zuletzt kam es zu schweren Ausschreitungen zwischen Hooligans und der Polizei, ein Polizist wurde durch eine Leuchtkugel schwer verletzt. Das passierte beim Volleyball (!), ausserhalb einer Sporthalle während des Spitzenspiels zwischen Olympiakos Piräus und Panathinaikos Athen. Erst Ende Oktober musste ein Fussballspiel der beiden Erzrivalen abgebrochen werden. Die Konsequenz: Bis zum 12. Februar 2024 werden in der heimischen Superliga nur noch Geisterspiele stattfinden.
Pavlos Marinakis, Sprecher des griechischen Ministerpräsidenten Kyriakos Mitsotakis, erklärte, dass "die Täter all dieser schrecklichen Verbrechen nichts mit dem Sport und den Tausenden von Fans zu tun haben, die ins Stadion wollen. Sie sind gewöhnliche Kriminelle, die mit der Duldung einiger Menschen agieren und manchmal Leben nehmen und Eigentum zerstören. Weder die Sportler noch die Fans sollten unter dem mörderischen Verhalten krimineller Banden und der erbärmlichen Toleranz einer winzigen Minderheit von Fans leiden".
Mit einer Änderung des Strafgesetzbuches soll der Kampf gegen Hooligans intensiviert werden. "Wir werden nicht noch einmal das erleben, was wir in den vergangenen Jahren erlebt haben, wo sie in flagranti erwischt und verurteilt werden und wieder freikommen. Das endet mit den anstehenden Änderungen des Strafgesetzbuches", sagte Marinakis.
Konkret will man in allen Stadien der ersten Liga hochwertige Kameras installieren, die den UEFA-Standards entsprechen, und Fans sollen "nur noch mit ihrem Ausweis eingelassen" werden, sagte Marinakis. Dazu soll es endlich auch härtere Strafen geben.
Druck auf die Behörden wächst
Der Druck ist nach den neuerlichen Ausschreitungen gross, denn die Behörden, der Verband und die Vereine bekommen das Problem nicht in den Griff. Polizeivertreter kritisieren die aktuellen Pläne und sagen, die Strafen seien zu lasch und würden Unruhestifter sogar zu noch mehr Gewalt ermutigen.
"Es spielt keine Rolle, was wir tun, wie viele Verhaftungen wir vornehmen oder wie viele wir einkassieren, wenn diese Leute nach der Verhaftung vor Gericht keine Strafe oder Verurteilung erhalten", sagte der Vorsitzende der Polizeigewerkschaft, Stavros Balaskas, bei CGTN.
Doch warum sind die Probleme in Griechenland überhaupt so massiv? Zum einen ist Hooliganismus in der Gesellschaft tief verwurzelt. "Seit den 60er-Jahren werden die meisten Fussballstadien, aber auch andere Sportarten zur Rekrutierung von Bandenmitgliedern, aber auch zur Durchsetzung einer politischen Agenda genutzt", erklärte Anastasia Tsoukala, Professorin für soziales Verhalten und Hooliganismus, bei CGTN.
"Extreme politische Ideologien wie Rechts- oder Linksextremismus können durch Sport ihre Macht demonstrieren", fügte sie hinzu. Am 9. September 1983 gab es im Zusammenhang mit Ausschreitungen beim Fussball das erste Todesopfer zu beklagen, bis heute sind 13 Menschen ums Leben gekommen. Hinzu kommen unzählige Verletzte sowie hohe Sachschäden.
Streitigkeiten zwischen den Klubbesitzern
Auf der anderen Seite gibt es Streitigkeiten zwischen Oligarchen, denen die wichtigsten Teams gehören. Konkret sind das die Reeder Vangelis Marinakis (Olympiakos Piräus), Jannis Alafouzos (Panathinaikos Athen) sowie Dimitris Melissanidis (AEK Athen) und der Grossunternehmer Savvidis (PAOK Saloniki). Dabei geht es natürlich um viel Geld, aber auch um Macht, um Politik. Mit den Klubs können die Besitzer ihr Profil schärfen und ihre Interessen durchsetzen. Eine gefährliche Mischung.
Ihnen wird dann auch eine gewisse Mitschuld an der Gewalt-Misere vorgeworfen, denn zum einen kontrollieren sie zu einem Teil die Medienlandschaft. Und wie es scheint, haben sie die Kontrolle über die eigenen Fans verloren. Oder sie haben gar kein Interesse daran, die eigenen Anhänger zurückzupfeifen. Und da die Klubs auch in anderen Sportarten wie beim Basketball oder Volleyball mitmischen, verlagern sich die Gewalt-Orgien eben auch dorthin.
Ein weiteres Problem ist ein sportliches. Unter Marinakis, der übrigens auch Super-League-Präsident ist, ist Olympiakos zum griechischen Serienmeister geworden. Olympiakos hat 22 der letzten 27 Titel gewonnen, was die nationale Kluft extrem vergrössert hat. Ausserdem wurde der griechische Fussball jahrelang von Korruption und den Folgen geprägt.
"Wenn die Fans verzweifelt sind und das Gefühl haben, dass Spiele gestohlen werden, werden sie gewalttätig", sagte Alafouzos bei Sky Sports. Die sportliche Alleinherrschaft "hat für jede Mannschaft ausser Olympiakos grosse Probleme geschaffen. Das hat die Situation noch verschlimmert", so Alafouzos, der aber betonte, dass der Kampf gegen die Korruption voranschreitet.
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Es ist nicht alles schlecht
Die Einführung des VAR hat geholfen, ebenso wie die Hilfe der UEFA durch den Einsatz ausländischer Schiedsrichter. "Die einzige Möglichkeit, der Korruption Einhalt zu gebieten, besteht darin, ein Licht auf sie zu werfen. Wenn es unter dem Tisch geschieht, kann es so weitergehen", sagte Alafouzos. "Das Schiedsrichterwesen ist besser. Deshalb erleben wir eine Renaissance im griechischen Fussball mit vier Mannschaften, die an europäischen Wettbewerben teilnehmen, und einer wettbewerbsfähigeren Meisterschaft, denn vorher gab es Leute, die den Verband und die Schiedsrichter kontrollierten."
Bei der Gewalt stossen die Klubs aber an Grenzen: "Es ist nicht leicht zu stoppen. Nicht mit der Security, die wir haben. Sie können sich nicht mit den Ultras anlegen. Sie würden nur verprügelt werden, und die Polizei würde sie nicht schützen." Die gewalttätigen Fans seien eine kleine Minderheit, so Alafouzos: "Kinder ohne Hoffnung. Die soziale Lage verschlechtert sich in ganz Europa. Es gibt diese 20 Prozent, die immer ärmer und verzweifelter werden. Sie haben keine Möglichkeiten gefunden, das Leben der weniger Wohlhabenden zu verbessern. Das ist der Nährboden".
Und auch Alafouzos verwies auf die zu laschen Strafen: "Wenn man gegen das Gesetz verstösst und gewalttätig ist, wird man oft nicht bestraft". Solange sich das nicht ändert, wird die Gewalt wohl an der Tagesordnung bleiben.
Verwendete Quellen
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