Der Traum vom neuen Wintermärchen lebt weiter. Das Halbfinale ist für die deutsche Nationalmannschaft zum Greifen nahe. Lediglich die neuen Verletzungsausfälle bereiten Sorgen - aber damit hat die DHB-Auswahl ja bereits Erfahrung.
Nicht einmal schlechte Schiedsrichter können sie stoppen. Obwohl der deutschen Nationalmannschaft zwei reguläre Treffer aberkannt wurden, bezwangen sie am Sonntagabend Russland mit 30:29.
Mit einem Sieg gegen Dänemark am Mittwochabend könnte die Mannschaft von Bundestrainer Dagur Sigurdsson in das Halbfinale einziehen.
Erinnerungen an die Weltmeisterschaft 2007 werden wach, als Deutschland im eigenen Land den Titel gewann.
Damals standen Stars wie
Unberechenbarkeit als grosse Stärke
Doch die Truppe der grösstenteils unbekannten Talente ist zu einer Einheit geworden - und diese ist kaum zu stoppen.
Torwart Carsten Lichtlein brachte es gegenüber der ARD-Sportschau auf den Punkt: "Das ist eine junge Mannschaft, die sich auf dem Spielfeld zerreisst."
Die Unberechenbarkeit ist die grosse Stärke von Deutschland. Fast in jeder Partie dieser Europameisterschaft wuchs ein anderer Spieler über sich hinaus.
Da wäre zum Beispiel Tobias Reichmann: Der einzige Akteur, der nicht in der Bundesliga, sondern beim polnischen Spitzenverein KS Kielce spielt, entpuppt sich als unerwartet guter Siebenmeterschütze.
Mit 16 Toren bei 17 Versuchen ist er der aktuell treffsicherste Schütze der EM - und das, obwohl er in seinem Verein nie an die Siebenmeterlinie darf.
Auch der 23-jährige Kreisläufer Erik Schmidt, der gegen Russland sechs Tore erzielte und grossen Anteil am Sieg hatte, zählt zu den überraschenden Aufsteigern des Turniers.
Ebenso wie Linksaussen Rune Dahmke, der erst im November sein Debüt für die Nationalmannschaft gab und nun auf internationaler Bühne genauso verlässlich trifft wie im Vereinshandball.
Auch im Tor ist Deutschland mit Carsten Lichtlein und Andreas Wolff stark besetzt.
Dass mit Silvio Heinevetter (nicht nominiert) und Johannes Bitter (Nationalmannschaftsrücktritt) die beiden renommiertesten Torhüter des Landes nicht dabei sind, fällt nicht ins Gewicht.
Zumal die Verteidigung meist sicher steht. "Ich bin unheimlich stolz auf das Team", sagt Sigurdsson.
Wieder zwei Verletzte mehr
Lediglich die neuen Verletzten bereiten dem Bundestrainer Sorgen. Mit Kapitän Steffen Weinhold und Shooting-Star Christian Dissinger zogen sich gegen Russland gleich zwei unverzichtbare Rückraumspieler eine Muskelverletzung zu. Die Europameisterschaft ist für beide beendet.
Der Bundestrainer bleibt trotzdem optimistisch: "Die Partie hat gezeigt, dass wir einen breiten Kader haben und dass wir nicht von einem oder zwei Spielern abhängen."
Kai Häfner von der TSV Hannover-Burgdorf und Julius Kühn vom VfL Gummersbach wurden nachnominiert.
Immerhin: Die Nationalmannschaft hat Erfahrung damit, immer wieder neue Lücken zu schliessen.
Bereits vor der EM fielen mit Uwe Gensheimer, Patrick Groetzki, Patrick Wiencek und Paul Drux vier Leistungsträger aus. Geschadet hat es der DHB-Auswahl bisher nicht.
Allerdings dürfte die Nationalmannschaft aus Dänemark, die 2008 und 2012 Europameister wurde, der bisher stärkste Gegner Deutschlands sein.
Die mangelnde Erfahrung könnte zu einem Problem werden, wenn die Nationalmannschaft auf Welthandballer Mikkel Hansen, den zweimaligen Bundesliga-Torschützenkönig Hans Lindberg und Weltklasse-Torhüter Niklas Landin trifft.
Selbst eine Niederlage würde allerdings die Leistung der jungen deutschen Nationalmannschaft nicht schmälern.
DHB-Vizepräsident Bob Hanning stellte bereits freudig fest: "Wir sind jetzt unter den besten sechs Teams der Welt angekommen." Wer hätte das vor einigen Tagen gedacht?
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