Bordeaux - Umringt von Autogrammjägern rollte Altstar Mark Cavendish auf dem Prachtboulevard Quai Louis XVIII in Bordeaux mit gesenktem Kopf zum Teambus, wenige Meter weiter feierte der neue König der Sprinter dagegen seine Triple-Party.
Der Belgier Jasper Philipsen hat mit seinem dritten Etappensieg bei der 110. Tour de France die Krönung von King Cav vorerst verhindert, der britische Ex-Weltmeister muss weiter auf seinen 35. Etappensieg warten, womit er die Legende Eddy Merckx endgültig hinter sich lassen würde.
"Es ist ein wenig frustrierend. Die Jungs haben unglaubliche Arbeit geleistet, ich bin genau im richtigen Moment los. Aber ich hatte ein Problem mit der Schaltung. Die Ziellinie war nur noch 30 Meter weg. Da musste ich mich kurz hinsetzen und dann wieder aus dem Sattel gehen. Wir werden es aber weiter versuchen", haderte Cavendish.
Bauhaus ohne Chance auf Etappensieg
Dabei schien die Bühne bereitet zu sein beim Sprint royal in Bordeaux, wo er 2010 bereits triumphiert hatte. Cavendish sprintete nach 169,9 Kilometern schier unaufhaltsam den Sieg entgegen, ehe wenige Meter vor der Ziellinie 1500-Watt-Mann Philipsen doch noch vorbeirauschte. Der deutsche Sprinter Bauhaus, der in Bayonne und Nogaro zweimal auf das Podest gefahren war, hatte dieses Mal keine Chance und wurde Siebter.
Mit 34 Tageserfolgen hält Cavendish zusammen mit Merckx den Rekord bei der Frankreich-Rundfahrt, bei seiner 14. und letzten Tour-Teilnahme will er diesen Job noch erledigen. Mit seinem Etappensieg beim Giro d'Italia in Rom hatte Cavendish bereits gezeigt, dass er durchaus noch konkurrenzfähig ist.
Philipsen und van der Poel ein kongeniales Duo
Aber Philipsen ist derzeit eine Klasse für sich. "Wir können nicht stolz genug sein, wie wir das als Mannschaft geschafft haben. Wir versuchen alles, was geht. Schon drei Siege. Wer mir das vor einer Woche gesagt hätte, den hätte ich für verrückt erklärt", sagte der Belgier.
Wer soll Philipsen, der in den Finals über 1500 Watt tritt, bei den Massenankünften nur schlagen? Zusammen mit seinem Weltklasse-Anfahrer Mathieu van der Poel, der ihm in den Sprints wie ein Bulldozer den Weg ebnet, bildet der 25-Jährige ein kongeniales Duo. Rechnet man Philipsens Siege in Carcassonne und Paris im Vorjahr noch hinzu, hat er die letzten fünf Massensprints allesamt gewonnen. Kaum zu glauben, dass er bis dahin noch den Spitznamen "Jasper Desaster" hatte.
"Er folgt mir mit geschlossenen Augen", schwärmt van der Poel von seinem Teamkollegen. Dabei ist der Klassikerspezialist, der in diesem Jahr bei Mailand-Sanremo und Paris-Roubaix triumphierte, selbst ein potenzieller Siegfahrer.
Keine Bewegung in der Gesamtwertung
Die Favoriten auf den Gesamtsieg um den dänischen Titelverteidiger und Gelb-Träger Jonas Vingegaard konnten nach den spektakulären Pyrenäen-Etappen im Feld ein wenig entspannen, so dies denn bei Temperaturen von 33 Grad überhaupt möglich war. 25 Sekunden Vorsprung weist Vingegaard im Klassement auf seinen grossen Widersacher Tadej Pogacar auf, der mit seinem Sieg in Cauterets-Cambasque aber für weitere Spannung gesorgt hatte. Dahinter bleibt der Australier Jai Hindley vom deutschen Bora-hansgrohe-Team Dritter.
Bester Deutscher bleibt Emanuel Buchmann, der auf der zweiten Pyrenäen-Etappe vom vierten auf den 15. Platz abgerutscht war, nachdem er bei Hindleys vergeblicher Verteidigung des Gelben Trikots viel geschuftet hatte. Der Abstecher nach Bordeaux wurde im Tour-Tross auch mit einigen Sicherheitsbedenken begleitet, schliesslich war es in diesem Jahr das erste Gastspiel in einer französischen Metropole. Auch in Bordeaux war es in den vergangenen Tag nach dem Tod eines 17-Jährigen durch eine Polizeikugel bei einer Verkehrskontrolle in Nanterre zu Ausschreitungen gekommen.
Am Samstag könnte auf der achten Etappe über 200,7 Kilometer von Libourne nach Limoges die Stunde der Ausreisser schlagen. Vielleicht gelingt es dem Augsburger Georg Zimmermann, eine gute Gruppe zu erwischen. Ansonsten ist wieder mit einer Sprintentscheidung zu rechnen. Zwei Anstiege der vierten Kategorie und bis zu fünf Prozent Steigung auf den letzten 700 Metern machen das Etappenfinale aber schwer.
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