Lionel Messi ist das berühmteste Beispiel, Johannes Thiemann das aktuellste: Bei Sportlern werden im jugendlichen Alter mitunter Hormonbehandlungen vorgenommen. Das Risiko ist nicht ohne, doch es gibt auch Fälle, in denen die Behandlung gesundheitsfördernd ist. Wir haben uns mit dem Endokrinologen Patrick Diel darüber unterhalten.
Der 14. Dezember 2000 geht in die Geschichte ein – zumindest in der Welt des Fussballs. Auf einer Serviette wird eine Art Vorvertrag unterschrieben, dass
Messi litt an seltener Form von Kleinwüchsigkeit
Der damals 13-Jährige litt an Wachstumsstörungen, an einer seltenen Form von Kleinwüchsigkeit. Damals war der junge Argentinier wohl nur 1,43 Meter klein. Die Prognose sagte knapp über 1,50 Meter voraus – zu klein für eine Profikarriere. Die Lösung aber war zu teuer für die Eltern. Eine Behandlung mit Wachstumshormonen kostete 900 Dollar im Monat.
Die Bedingung der Familie Messi für einen Wechsel des Mega-Talents, der passend zur Grösse "La Pulga", der Floh, genannt wurde: Barca sollte die Behandlung zahlen. In dem Wissen, was der Junge trotz der Grösse am Ball konnte, griffen die Katalanen zu. Der Rest ist Geschichte: Die Therapie schlug an, Messi wurde 1,69 Meter gross und prägte über gut zwei Jahrzehnte den Weltfussball. Er gilt heute als einer der Grössten, im übertragenen Sinne.
Hormonbehandlung: Lange Liste an Nebenwirkungen
Dabei könnte eine Wachstumshormonbehandlung abschrecken, die Liste an Nebenwirkungen ist lang. "Das ist kein Spass. Denn natürlich gibt es Risiken. Es gibt immer Risiken", stellt Patrick Diel im Gespräch mit unserer Redaktion klar. Der Endokrinologe arbeitet an der Sporthochschule Köln am Institut für Sportmedizin. "Andere Organe reagieren zum Beispiel mit Längenwachstum. Es kann zu Fehlbildungen kommen, zu Schäden an Organsystemen, zu Leberschäden, bei Erwachsenen steigt das Krebsrisiko", erklärt Diel.
Bei Messi sorgten die über vier Jahre verabreichten zwei Spritzen täglich, eine ins rechte Bein und eine ins linke Bein, für Übelkeit und Schwindel, die Muskeln schmerzten, die Knochen auch. 125.000 Euro soll die Behandlung gekostet haben.
"Heute kann man das sehr gut behandeln, weil man in den 1980er-Jahren das gentechnisch produzierte Wachstumshormon entwickelt hat. Das kann man den Kindern geben. Und die werden dann, wie das bei Herrn Messi der Fall war, zwar keine Riesen, aber sie können eine Körpergrösse erreichen, die ihnen ein normales Leben ermöglicht", sagt Diel. In Deutschland übernimmt die Krankenkasse die Kosten. Allerdings nur bei entsprechender Diagnose und Prognose. Bekannte Fälle aus dem Spitzensportbereich gibt es allerdings kaum. Als Erwachsener fallen Hormone umgehend unter Doping.
Bei der Hormonbehandlung gibt es auch Grenzbereiche
Das bedeutet aber nicht, dass eine Behandlung grundsätzlich nachteilig ist. "Es ist gesundheitsfördernd, wenn wir eine Situation vorliegen haben, bei der eine Person viel zu langsam wächst und zu klein werden würde", sagt Diel. "Dann können diese Nebenwirkungen auch auftreten, aber dann entscheidet der Arzt zwischen Nutzen und Risiko zugunsten des Nutzens." Doch es gibt auch Grenzbereiche.
"Wenn nämlich jemand einfach nur ein bisschen klein ist oder gar nicht zu klein ist und ganz normal wächst und es kosmetischen Zwecken oder im schlimmsten Fall der Steigerung der Leistungsfähigkeit dient", sagt Diel. "Zum einen ist das der Missbrauch eines Medikamentes für etwas, das nicht notwendig ist. Das ist illegal in Deutschland, sowohl nach den Doping-Regularien als auch nach dem Arzneimittelgesetz."
Und zum anderen gebe es sowieso noch die ethische Komponente, fährt Diel fort, "dass man sich im Prinzip einen Athleten designt, in dem Fall mit Medikamenten. Dass man Wachstum beschleunigt, um jemanden sportlich top zu machen".
In Deutschland gelten Menschen unter 1,50 Meter als kleinwüchsig. "Und Messi hätte mit zum Beispiel 1,52 Metern ein relativ normales Leben führen können. Und da hat man möglicherweise gedacht: 'Das ist ein Talent, das boostern wir jetzt. Überspitzt formuliert.'" Für Diel ist daher klar, dass eine hormonelle Behandlung im jugendlichen Alter auch bei Spitzensportlern nur dann angebracht ist, wenn es aus medizinischer Sicht notwendig ist.
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Wie bei Johannes Thiemann, er hatte das gegensätzliche Problem: Der Basketball-Weltmeister war auf dem besten Weg, zu gross zu werden. Bereits mit 14 Jahren war er knapp zwei Meter gross. Eine ärztliche Prognose ging damals davon aus, dass Thiemann sogar eine Grösse von ungefähr 2,15 Metern erreichen würde. "Als ich das hörte, habe ich gesagt: 'Auf gar keinen Fall'", sagte Thiemann der "Sport Bild".
Die enorme Körpergrösse sei zu Schulzeiten für den heute 30-Jährigen nicht einfach gewesen. "Man möchte ja dazugehören. Aber einige Kinder sahen neben mir wie Erstklässler aus", erinnert sich Thiemann. Er habe sich deswegen einer Hormon-Therapie unterzogen. "Für mich war die Entscheidung sehr einfach. Damit sollte ausgeschlossen werden, dass ich so gross werde", erklärte der Kapitän von Alba Berlin. Nebenwirkungen habe es während der Behandlungsphase keine gegeben.
In Thiemanns Fall könne die Behandlung das gesundheitliche Risiko sogar senken, betont Diel. "Würde man ihn nicht behandeln, hätte er gesundheitliche Nachteile, die für ihn sehr gefährlich werden könnten. Das ist eine Erkrankung, es ist ja nicht normal, dass man so gross wird." Kardiovaskuläre Probleme könnten auftreten. "Das Herz-Kreislauf-System ist gar nicht darauf ausgelegt, dermassen grosse Höhenunterschiede zu überwinden. Das heisst, ab einer Körpergrösse von über zwei Metern kann es für einen Menschen gesundheitlich gefährlich werden."
Dann ist die Behandlung mit Wachstumshormonen zwar immer noch "kein Spass" – kann in diesem Fall aber Leben retten.
Über den Gesprächspartner
- Prof. Dr. Dr. Patrick Diel arbeitet am Institut für Kreislaufforschung und Sportmedizin, Abteilung Molekulare und zelluläre Sportmedizin, der Sporthochschule Köln.
Verwendete Quellen
- sportbild.bild.de: Basketball-Weltmeister liess sein Wachstum stoppen
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