Vor nicht einmal zwei Jahren schien seine Karriere fast beendet. Nun mischt Mischa Zverev die Australian Open auf. Er hat den alten Stil von Boris Becker wieder ausgekramt, um die Tennis-Stars in Bedrängnis zu bringen.
Nicht einmal zwölf Monate ist es her, als Deutschland ein Tennis-Wunder feierte.
Der in Moskau geborene Zverev sorgte am Sonntag für die Mega-Sensation: In vier Sätzen bezwang er den Weltranglisten-Ersten Andy Murray. Am Dienstag steht das Viertelfinale gegen Weltstar
Serve-and-Volley wie einst Boris Becker
Bislang war Zverev nicht unbedingt als Überflieger bekannt. Noch nie gewann der 29-Jährige ein ATP-Turnier. Bei einem Grand-Slam-Turnier kam er maximal in die 3. Runde. In der Weltrangliste steht er an Position 50. Zverev ging als totaler Underdog in das Turnier. Sein Erfolgsgeheimnis ist nun eine Taktik, die eigentlich schon ausgestorben zu sein schien: das Serve-and-Volley-Spiel.
Das Prinzip: Nach einem harten Aufschlag rückt der Spieler zügig zum Netz vor und erzwingt einen schnellen Punktgewinn. 118 Mal kam Zverev gegen Murray nach vorne. Rund 60 Prozent der Punkte gelangen ihm vom Netz aus. Boris Becker sagte in der Bild: "So habe ich früher auch gespielt. Das war Murray nicht mehr gewohnt. Es ist ein Zeichen an die jüngere Generation, dass Tennis mehr ist als Grundlinienduelle und Fitness."
Becker war in den 1980er- und 1990er-Jahren ein Meister des Serve-and-Volley. Doch der Tennissport veränderte sich. Die Bodenbeläge wurden so angepasst, dass der Ball langsamer springt. Seitdem gilt es als erfolgversprechender, auf der Grundlinie zu bleiben. Die Zeiten von Serve-and-Volley waren vorbei – bis Zverev diese Taktik wieder rauskramte.
Der kleine Bruder ist besser - und Vorbild
Das australische Publikum schätzt seinen unkonventionellen Stil. "Mischa" riefen sie begeistert, wenn Zverev wieder einmal vom Netz aus punktete. Die meisten Fans kommen zwar in den Melbourne Park, um die grossen Stars wie Murray oder Federer zu sehen. Doch die Geschichte des Aussenseiters, der die millionenschweren Topspieler in die Schranken weist, lässt ihr Herz erst richtig höher schlagen.
Die Karriere von Mischa Zverev schien vor drei Jahren fast beendet. Verletzungen warfen ihn immer wieder zurück. Das Handgelenk machte Probleme, auch die Knie gaben gelegentlich ihren Dienst auf. Wenn er überhaupt spielen konnte, musste er oft vorzeitig aufgeben. Vor knapp zwei Jahren stand er in der Weltrangliste nicht einmal unter den ersten 1.000. Während sein kleiner Bruder Alexander Zverev als potentieller Superstar galt, schien er selbst ein Auslaufmodell zu sein.
Neid hat es unter den Brüdern trotzdem nie gegeben. Im Gegenteil: Das Verhältnis ist so eng, dass sie von den Erfolgen des anderen profitieren. Als Alexander 2014 als 17-Jähriger das Halbfinale des ATP-Turniers in Hamburg erreichte, war das für Mischa eine zusätzliche Motivation. "Wenn er das hinbekommt, will ich das auch noch einmal versuchen", sagte er sich damals.
Haut er auch Roger Federer raus, ist alles drin
Die Brüder wohnen häufig zusammen, trainieren gemeinsam, geben sich gegenseitig Kraft. Mischa sagte einmal gegenüber der Bild: "Wir sind nicht nur Brüder, sondern auch Freunde. Wenn das Wetter schön ist, spielen wir im Garten auf einem kleinen Feld Mini-Tennis. Abends vor dem Schlafengehen auf der Wii Golf oder Basketball."
Während Alexander auf den grossen Turnieren mitmischte, musste Mischa Zverev sich bei kleinen Challenger-Turnieren beweisen. Mit Erfolg: Er gewann wieder Spiele und - wichtiger noch - fand seinen Spass am Tennis.
Nun steht plötzlich Mischa im Rampenlicht, während sein bereits ausgeschiedener Bruder von der Tribüne aus mitfiebert. Auch seine Eltern sind in Australien dabei. Mutter Irinia war selber als Tennisspielerin erfolgreich, Vater Alexander Senior trainiert seine beiden Söhne.
Gut möglich, dass die Erfolgsgeschichte von Mischa Zverev gerade erst begonnen hat. Ein Sieg gegen Federer scheint in der aktuellen Verfassung nicht unmöglich.
Zwar unterlag er dem Schweizer beim letzten Aufeinandertreffen im Jahre 2013 in zwei Sätzen mit 0:6 und 0:6. Der Deutsche ist der grosse Aussenseiter. Doch das war beim Aufeinandertreffen mit Andy Murray bekanntlich nicht anders.
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