Mit Ausbreitung des Coronavirus in Deutschland hat die Deutsche Eishockey-Liga (DEL) ihre Saison abgebrochen. Für Marcel Goc, den einstigen Kapitän der Adler Mannheim, bedeutete das ein plötzliches Karriereende. Wie er die Situation verarbeitet hat und was er von der Verschiebung der Olympischen Spiele hält.

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Herr Goc, die Meldungen haben sich überschlagen in den vergangenen Wochen. Wie haben Sie die Entscheidung Anfang März aufgefasst, dass die DEL-Saison abgebrochen wird?

Marcel Goc: Die Deutsche Eishockey-Liga hat richtig entschieden. Das ist sicher niemandem leicht gefallen, aber sie wollten eine Entscheidung, bevor die Playoffs starten. Das wäre am nächsten Tag gewesen. Der Playoff-Start konnte nicht einmal verschoben werden, denn niemand wusste, um wie viele Tage, Wochen oder Monate. Ich kann verstehen, dass viele Ligen das so lange wie möglich herauszögern wollten. Aber im Moment ist anderes wichtiger als der Sport.

Wie haben Sie in der DEL die Anfänge der Coronakrise zu spüren bekommen?

Schon als in China die Firmen geschlossen haben, hat uns das betroffen. Denn Firmen aus China stellen die Schläger und Schlittschuhe her, die wir benutzen. Uns wurde gesagt, wir sollen die Schläger im Training benutzen, bis sie wirklich kaputt sind, weil niemand weiss, wie schnell wir neue bekommen. Da war alles noch weit weg.

Und wie ist die Lage jetzt?

Jetzt stecken wir mittendrin. Jetzt lachen wir nicht mehr darüber. Jetzt sind wir so weit, dass Olympia verschoben ist. Als Sportler verdienst du deinen Lebensunterhalt damit – von heute auf morgen darfst du das nicht mehr. Wir alle müssen schauen, dass wir weltweit zusammen helfen, das Virus einzudämmen, sodass alles wieder schnell normal wird. Was auch immer normal ist danach.

Planungen für die nächste Saison fallen derzeit jedem Sportverein schwer. Wie sieht die Welt der Adler Mannheim im Moment aus?

Da ist im Moment der Pause-Knopf gedrückt. Wir warten darauf, dass wir den Play-Button wieder drücken können, so schnell wie möglich. Für diejenigen, deren Verträge auslaufen ist es schwer, da alle Vereine abwarten. Die Spieler wollen und müssen sich fit halten, aber die Fitnessstudios haben zu. Nicht jeder hat zu Hause eine 200- oder 400-Meter-Bahn, manche haben zumindest ein Spinningrad. Die Situation ist frustrierend.

Frustrierend dürften die vergangenen Wochen auch für Sie gewesen sein. Mit dem plötzlichen Saisonende endete auch ihre Karriere sehr abrupt.

Die Saison wurde abgesagt, auf einmal war es für alle vorbei. Vorher hatte ich den Gedanken: "Letztes Vorrundenspiel, dann Playoffs. Da kann ich nochmal Gas geben und will das letzte Spiel gewinnen." Aus dem letzten Spiel habe ich den Puck mitgenommen. Für mich persönlich war es toll, dass es gegen Schwenningen war, wo ich meine Profikarriere begonnen habe. Es war für mich erst der Vorrundenabschluss – und dann kam Corona. Ich kann nicht sauer sein auf mich oder auf jemand anderen. Es ist so viel grösser.

Ihnen dürfte es sicher schwergefallen sein, die Dimension sofort zu begreifen.

Sicher, wenn man hört man, wie sich das Virus ausbreitet, von Land zu Land, von Kontinent zu Kontinent. Ich bin mir vorgekommen wie in einem falschen Film - dass so etwas überhaupt passieren kann. Klar bin ich traurig und hätte mir das Karriereende anders vorgestellt. Vielleicht kommt das Gefühl erst richtig, wenn der Alltag zurückkehrt. Im Moment bin ich sehr auf die Nachrichten fokussiert, bin viel am Telefon. Mit meinen zwei Kids mache ich vormittags Hausaufgaben und nachmittags halten sie mich mit ihrem Programm auf Trab. Das ist gar nicht ohne.

Mit welchem Programm halten Ihre Kinder Sie denn fit?

Manchmal spielen wir ein Brettspiel, aber dann wollen sie raus, aufs Trampolin, dann Hockey, Fussball. Da verbrennt man einige Kalorien (lacht).

Scheint so, als würden Sie mit der neuen Situation gut klarkommen.

Als Sportler trainierst du jeden Tag, spielst um einen neuen Vertrag. Wenn du dich von zu vielen Dingen ablenken lässt, kannst du daran kaputtgehen oder schöpfst nicht dein volles Potenzial aus. Im Moment haben wir aber Vorgaben von den Regierungen, daran müssen wir uns halten. Manche haben damit mehr zu kämpfen als andere.

Wie läuft der Austausch mit den Teamkollegen?

Wir haben einen gemeinsamen Chat mit der Mannschaft. Manchmal habe ich plötzlich 50 ungelesene Nachrichten, wenn ich aufs Handy schaue. Dann ist Ruhe, bis wieder einer schreibt. Nach der Saison geht jeder heim und dann ist erstmal Familienzeit, private Zeit. Wenn das Sommertraining oder das Programm wieder losgeht, hat man wieder mehr Kontakt. Die paar Tage Ruhe nach der Saison braucht jeder von uns. Aber ob das Sommertraining wie geplant stattfindet, weiss noch niemand.

Finanziell geht es den Adlern recht gut, aber für die Deutsche Eishockey-Liga und speziell kleinere Klubs ist die Coronakrise eine Katastrophe. Welche Auswirkungen könnte die Krise haben?

An die Auswirkungen mag ich gar nicht denken. In der SAP-Arena dürfen keine Events stattfinden, keiner darf seine Hallen gerade voll machen. Alle Vereine planen mit den Einnahmen aus den Zuschauerzahlen, und dann gibt es auch noch die Sponsoren. Momentan denken wir vielleicht, bis zu den Camps im August geht es wieder. Aber garantieren kann einem das niemand.

Glauben Sie denn, dass die Saison im August normal startet?

Ich hoffe zumindest, dass die DEL-Saison normal starten kann. Man muss ja planen. Und ich denke, im Moment planen die Vereine, als würde es normal losgehen.

Lange war auch in der Schwebe, ob die Olympischen Spiele stattfinden können. Jetzt wurden sie um ein Jahr verschoben, was sich viele Sportler gewünscht haben. Andere waren dafür, die Entscheidung möglichst lange offen zu lassen, um den Traum nicht zerplatzen zu lassen. Welche Sicht können Sie besser verstehen?

Ich denke, die Lösung, die Olympischen Spiele um ein Jahr zu verschieben, ist die richtige Entscheidung. Das ist ein weltweites Ereignis, da wäre es nicht möglich gewesen, das im kleineren Rahmen stattfinden zu lassen.

Für Sie geht es direkt weiter als Skills und Development Coach. Wie sehen die Planungen aus und was wird Ihre neue Aufgabe sein?

Die konkreten Planungen sind aufgeschoben. Ich werde mit der Jugendmannschaft und den Jugendtrainern arbeiten. Die Trainer werden mir sagen, wie sie mich brauchen. Bei den Profis unterstütze ich die Trainer, wenn die Mannschaft auswärts spielt. Mit den Spielern, die zu Hause bleiben, mache ich Übungen und Trainingseinheiten. Auch vor und nach dem Mannschaftstraining wird immer mehr individuell gearbeitet, da kann ich den Jungs helfen, sich zu verbessern. Vor allem werde ich versuchen, den jungen Spielern die Unterschiede zwischen den Jugendmannschaften und Profi-Eishockey bewusst zu machen. Ihnen zu zeigen, was anders ist, wenn der Sport der Job ist und nicht mehr nur das Hobby.

Das wird eine 180-Grad-Drehung, vom Spieler zum Trainer zu werden und die ganz andere Sichtweise zu sehen.

Ich will von jedem Trainer - sei es der U9-, U20- oder der Cheftrainer - so viel wie möglich lernen, um irgendwann meine eigene Idee zu entwickeln. Mit ein paar ehemaligen Kollegen, mit denen ich früher gespielt habe und die jetzt auch Trainer sind, will ich mich austauschen. Was das angeht, wird es mir jetzt nicht langweilig.

Momentan beschäftigt uns ohnehin alle noch das Coronavirus.

Diese Hürde werden wir meistern, davon bin ich überzeugt. Je mehr wir zusammen helfen, desto schneller wird sich das Problem lösen.

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