Roger Federer hat in seinem Leben eigentlich alles erreicht. Seit 14 Jahren steht er als Profisportler auf den wichtigsten Tennisplätzen der Welt, war Schweizer des Jahres, Sportler des Jahres, Olympiasieger und Weltranglisten-Erster. Doch langsam aber sicher drängt sich die Frage auf, was die Zukunft überhaupt noch für den Baselbieter bereit hält - und das nicht nur wegen seines Alters.

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Mit seinen 31 Jahren ist Roger Federer der Älteste unter den derzeit zehn besten Tennisspielern der Welt. Überhaupt gibt es derzeit niemanden in der ATP-Weltrangliste, der diese Altersgrenze überschreitet. Das legt den Verdacht nahe, dass selbst die Superstars des grünen Rasens irgendwann ihren Posten räumen und Platz machen für den Nachwuchs. John McEnroe war 33, Boris Becker und Pete Sampras waren beide 32, als sie ihre Karrieren beendeten - als Glanzlichter am Tennis-Horizont, die Ihresgleichen suchten. Mit Roger Federer steht nun aber ein Zeitgenosse auf dem Platz, der keine Anstalten macht, in Rente zu gehen.

Den bisher 872 Siegen sollen weitere folgen. Allein 2012 ging Federer als Sieger aus sechs grossen Turnieren hervor - die Trophäe in Wimbledon sowie die Silbermedaille bei den Olympischen Spielen in London gehörten zu seinen persönlichen Highlights des Jahres. Bei den Swiss Indoors in Basel will der Baselbieter seinen Heimtitel verteidigen - und denkt dabei noch lange nicht ans Aufhören. Im Gegenteil: Bei der Pressekonferenz der Indoors gab er zu Protokoll: "Ich erwarte von mir, dass ich besser werde."

Noch besser? Aber wie lange will sich Federer denn noch die gelben Tennisball-Fussel von seinem verschwitzten Körper zupfen, bevor er den Thron räumt? Offenbar noch eine ganze Weile, denn der Schweizer Schläger-Star setzt derzeit verstärkt Wert auf sein Training. Und zwar nicht nur, um den immer wiederkehrenden Rückenschmerzen vorzubeugen, sondern vor allem, um zu gewinnen: "Wenn ich noch drei, vier, fünf Jahre spielen will, brauche ich einen sauberen Aufbau", sagte Federer "Blick.ch". Das würde eine Karriere bis 2017 bedeuten. Der Schweizer wäre dann bereits 36 Jahre alt und definitiv der Opa unter den aktiven Profispielern.

Einen ersten Anflug von "Altersschwäche" zeigte Roger Federer bereits bei den Turnieren in diesem Jahr. Sowohl bei den Olympischen Spielen als auch beim Heimturnier in Basel wirkte er angestrengt und konzentriert, schien Mühe zu haben, mit seinen Gegnern Schritt halten zu können. Das Vorbereitungstraining kam zu kurz, Flüchtigkeitsfehler schlichen sich in Federers Technik ein.

Am 5. November kommt es zudem zu einen einschneidenden Ereignis in Federers Erfolgsjahr: Wegen Terminverschiebungen fallen drei Turniere aus der Jahreswertung, die Federer 2011 gewinnen konnte. Mit den Turnieren in Basel, Paris-Bercy und den World Tour Finals konnte der Schweizer 3.000 Punkte in der Gesamtwertung sammeln, die nun von seiner Gesamtpunkteliste abgezogen werden. Federer wird von 12.165 Punkten auf 9.165 Punkte abfallen und seine Weltranglisten-Führung somit an Novak Djokovic (aktuell 11.970 Punkte) abgeben müssen. Auch wenn der Basler die restlichen Turniere in diesem Jahr gewinnt, kann er Djokovics Vorsprung nicht ausgleichen.

Die Option, sich doch noch vor den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro 2016 zurückzuziehen, bleibt Federer erhalten. Eine Blamage wäre es sicherlich nicht, wenn er sich zu gegebenem Zeitpunkt gegen seine derzeitigen Pläne entscheiden würde. Und auch an Langeweile dürfte der Tennisstar nach seiner aktiven Profikarriere nicht leiden.

Für die Zeit im Ruhestand gibt es für ihn genug Inspirationsmöglichkeiten ehemaliger Kollegen: Andre Agassi gründete eine Schule in Las Vegas, Stefan Edberg arbeitet als Unternehmer in der Forstwirtschaft. Michael Chang betreibt mittlerweile eine Tennisschule, John McEnroe versucht sich als Schauspieler in amerikanischen Serien. Boris Becker machte dagegen nach seinem Karriereende hauptberuflich mit seinem verkorksten Privatleben und wechselnder Gespielinnen von sich reden. Doch sind das Zukunftspläne, die für Federer infrage kommen?

Es liegt nahe, dass der Basler es seinem deutschen Tenniskollegen Michael Stich gleichtut und sich verstärkt um seine eigene Förderstiftung kümmern wird, die Roger Federer Foundation. Mit ihr sorgt er für Kinder und ihre Bildung in Südafrika, der Heimat seiner Mutter. Auch der Job als Werbeikone, wie ihn bereits Ex-Tennisstar Steffi Graf betreibt, könnte für Roger Federer interessant sein: Laut des amerikanischen Wirtschaftsmagazins "Forbes" bringen seine neun Werbeverträge dem Profi schon jetzt 45 Millionen Dollar jährlich ein.

In jedem Fall hätte er mehr Zeit als bisher, sich seiner Familie und seinen Hobbys zu widmen. Die Zwillingsmädchen Myla und Charlene, inzwischen drei Jahre alt, würden mit ihrem Vater sicherlich gerne Playstation spielen, Musik hören oder Karten spielen. Das sind neben dem Ballsport Federers grosse Leidenschaften.

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