American Football ist der Lieblingssport der US-Amerikaner. Steht er vor dem Aus? Fans und Politiker in den Vereinigten Staaten diskutieren vor dem Super Bowl über eine "Epidemie" von schlimmen Verletzungen bei der wohl härtesten Sportart der Welt. Immer mehr ehemalige Spieler leiden an chronischen Hirnkrankheiten - und ein Spieler vom aktuellen Super-Bowl-Teilnehmer Baltimore Ravens, der am Sonntag gegen die San Francisco 49ers antreten wird, prophezeit gar den ersten Toten auf dem Feld.

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Auch Barack Obama zeigt sich besorgt: "Hätte ich Söhne, würde ich mir genau überlegen, ob ich sie Football spielen lassen würde", sagt der US-Präsident. Und die Verlobte von Chicago-Bears-Quarterback Jay Cutler, Schauspielerin Kristin Cavallari, hat sich für ihren gemeinsamen Sohn schon festgelegt: "Ich werde ihn zu einem Sport bringen, der nicht so aggressiv ist - vielleicht Baseball". Doch warum werden so viele Liebhaber des American Footballs auf einmal mit den Folgen der teilweise extrem brutalen Sportart konfrontiert?

Selbstmorde erschüttern US-Sportszene

In den letzten Jahren erschütterten eine beispiellose Serie von Selbstmorden von ehemaligen Footballspielern und neue Erkenntnisse über die Spätfolgen der Gehirnerschütterungen, unter denen viele Spieler leiden, die US-Sportwelt. Insbesondere die Folgen der regelmässigen Kollisionen der Köpfe der Spieler stehen im Mittelpunkt der Diskussion. Zahlreiche Fälle von Demenz sind dokumentiert und manche Spieler leiden nach dem Ende ihrer Karriere offenbar unter so starken Kopfschmerzen, dass sie den Freitod wählen.

Junior Seau, Linebacker-Legende der San Diego Chargers, nahm sich im Mai 2012 das Leben. Acht Monate später wurde bekannt, dass er an einer chronischen Hirnkrankheit litt, die auf die Folgen der zahlreichen Kopfverletzungen während seiner Karriere zurückzuführen war. Gleichwohl wurde bei Seau niemals eine Gehirnerschütterung diagnostiziert. Nun verklagt seine Familie die National Football League (NFL) im Rahmen einer Sammelklage gemeinsam mit anderen Spielerfamilien. Der Vorwurf: Die Liga schütze ihre Spieler nicht ausreichend vor schweren Kopfverletzungen, obwohl ihr das Problem seit langem bekannt gewesen sei.

Die zahlreichen Berichte über heftige Spätfolgen und neue Forschungsergebnisse lasten wie ein Fluch auf der lukrativsten Sport-Liga der Welt. Zwar bemühen sich die Funktionäre nach Kräften, mit neuen Regeln die Verletzungen zu reduzieren: Direkte Treffer gegen den Kopf eines Gegenspielers sind nicht mehr erlaubt. Auch müssen alle Spieler, die während einer Begegnung Symptome einer Gehirnerschütterung zeigen, von einem unabhängigen Arzt am Spielfeldrand untersucht werden. Viele dürfen danach nicht mehr zurück aufs Feld und müssen über Wochen mehrere Tests absolvieren, bevor sie wieder spielen dürfen. Trotzdem könnten die Folgen der zahlreichen Kopfkollisionen dem Spielbetrieb in seiner derzeitigen Form den Garaus machen.

So meint etwa Bernard Pollard, Abwehrspieler der Baltimore Ravens und einer der gefürchtetsten Verteidiger in der NFL, in einem CBS-Interview, dass es die Liga in 30 Jahren nicht mehr geben werde. Der Grund dafür seien die Fans, die auf harte Männer und spektakuläre Tacklings stehen.

Wollen die Fans brutale Tacklings?

Je ungefährlicher die Sportart jedoch würde, desto weniger Akzeptanz der Zuschauer erwartet der Mann, der im Halbfinale den Kopf von Patriots-Receiver Wes Welker so hart traf, dass die NFL ihn mit einer Strafe in Höhe von 15.250 Dollar belegte. Obwohl die Massnahmen der NFL für die Sicherheit der Spieler grundsätzlich richtig seien, käme es angesichts immer athletischerer Spieler einem Wunder gleich, dass noch niemand auf dem Spielfeld gestorben sei, so Pollard in dem Interview weiter.

Wie krass die Kollisionen zwischen den Spielern wirklich sind, beschrieb zuletzt ein ehemaliger Mannschaftskamerad von Seau. Bei einem Trainingsspiel im Jahr 2001 stiessen Seau und Fred McCrary so hart mit den Köpfen zusammen, dass McCrarys Helm auf einer Länge von 7,5 Zentimetern aufgerissen wurde. Beide Spieler berichteten danach von extremen Kopfschmerzen. McCrary sah den Rest der Saison ein weisses Licht und litt unter Gleichgewichtsstörungen. Gleichwohl waren sich beide Spieler einig, ihren Betreuern nicht von ihren zu Symptomen berichten. Die Sorge, ihren Platz in der Mannschaft und langfristig möglicherweise ihre Karriere in der NFL zu verlieren, wog stärker als die Angst vor möglichen Spätfolgen für ihre Gehirne.

Obama sorgt sich um Nachwuchsspieler

Und nicht nur die Profiliga ist betroffen. So sorgt sich US-Präsident Barack Obama als Vater zweier Kinder - genauso wie viele andere Eltern in den Staaten auch - vor allem um die jungen Spieler. Denn im Gegensatz zu den NFL-Profis haben die Spieler am College und in der High School nicht die hervorragende medizinische Versorgung wie die Profis.

Und da viele Jugendliche von einer Karriere in der NFL träumen, verschweigen sie ihren Trainer und medizinischen Betreuern eher eine Verletzung, als dass sie eine Auszeit riskieren wollen. Ob die Sportart American Football in ihrer heutigen Form und unter diesen Bedingungen noch eine Zukunft hat, muss wohl die US-Gesellschaft entscheiden.

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