- Der Deutsche Schwimm-Verband hat Wassersprung-Bundestrainer Lutz Buschkow suspendiert.
- Der ehemalige Weltklasse-Wasserspringer Jan Hempel erhebt in der ARD-Dokumentation "Missbraucht – Sexualisierte Gewalt im deutschen Schwimmsport" schwere Vorwürfe gegen seinen ehemaligen Trainer und den Deutschen Schwimm-Verband.
- Am Tag des Olympischen Wettkampfes in Barcelona 1992 sei er von seinem Trainer vergewaltigt worden, erzählt Hempel und wirft dem DSV Vertuschung des jahrelangen Missbrauchs vor.
- Die erschütternde Dokumentation berichtet von weiteren Missbrauchsfällen und zeichnet ein erschreckendes Bild des deutschen Schwimmsports.
Der Deutsche Schwimm-Verband hat Wassersprung-Bundestrainer Lutz Buschkow in Zusammenhang mit der Missbrauchs-Affäre um den ehemaligen Weltklasse-Springer Jan Hempel suspendiert.
"Dem amtierenden Bundestrainer Wasserspringen Lutz Buschkow wird in der Dokumentation vorgeworfen, er habe zum damaligen Zeitpunkt Kenntnis über die Vorwürfe Jan Hempels gegenüber seinem damaligen Trainer Werner Langer gehabt. Der DSV-Vorstand prüft diesen Vorwurf aktuell intensiv", hiess es in einer ersten Stellungnahme des Verbandes am Donnerstagabend. Zum jetzigen Zeitpunkt habe die bereits durchgeführte Akteneinsicht keinerlei derartige Anhaltspunkte ergeben, hiess es weiter.
Der DSV-Vorstand rechtfertigt die Freistellung mit "hohen moralischen Ansprüchen"
Der Prozess der Aufklärung sei noch nicht abgeschlossen. "Dennoch hat sich der DSV-Vorstand aufgrund seiner hohen moralischen Ansprüche dazu entschieden, Herrn Buschkow bis zur finalen Klärung des Sachverhaltes mit sofortiger Wirkung von seiner Tätigkeit als Bundestrainer Wasserspringen im DSV freizustellen".
In einer Dokumentation der ARD unter dem Titel "Missbraucht - Sexualisierte Gewalt im deutschen Schwimmsport" berichtete der Olympia-Zweite von Atlanta 1996, Hempel, in bewegenden Worten erstmals öffentlich über die Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs gegen den inzwischen gestorbenen Werner Langer - und darüber, dass Hempel Buschkow Vorwürfe beim Umgang damit machte.
Jan Hempels Trainer nahm sich 2001 das Leben
Der Missbrauch durch seinen Trainer habe 1982, als er elf Jahre alt war, begonnen, erzählt der ehemalige Weltklasse-Wasserspringer. Erst 1997 fand er die Kraft, sich gegen seinen Trainer zu wehren. Hempel, der am 21. August 51 Jahre alt wird, informierte die damalige Bundestrainerin Ursula Klinger. Klinger, die 2006 verstarb, leitete Schritte ein, um Langer zu suspendieren.
Der Rauswurf Langers erfolgte aber nicht wegen der Vorwürfe der sexuellen Gewalt und des Kindesmissbrauchs, sondern wegen dessen Stasi-Vergangenheit. Langer, der sich 2001 das Leben nahm, konnte deshalb als Schwimmtrainer in Österreich weiterarbeiten.
Weshalb Hempel dem DSV nun Vertuschung vorwirft. "Alle habe geschwiegen, bis heute", sagt er.
Hempel erhebt Vorwürfe gegen Bundestrainer Lutz Buschkow
Explizit nennt der Silbermedaillengewinner der Olympischen Spiele von 1996 in diesem Zusammenhang den Namen von Lutz Buschkow, der aktuell Cheftrainer Wasserspringen ist und Leistungssportdirektor des DSV war. Buschkow sei bereits 1997 von Klinger über den Missbrauch informiert worden, sagt Hempel, ein anderer Schwimmer bestätigte dies der ARD. Zu einer Aufarbeitung der Vorfälle habe Buschkow aber nicht beigetragen. Die Redaktion der ARD-Doku bat den Trainer, der aktuell bei den European Championships im Einsatz ist, um eine Stellungnahme, erhielt aber keine Antwort.
In dem erschütternden Film, der seit Donnerstagmorgen in der ARD-Mediathek abrufbar ist und am Samstagabend um 22.40 Uhr in der ARD zu sehen sein wird, entsteht der Eindruck, dass der geschilderte sexuelle Missbrauch kein Einzelfall im Schwimmsport ist. Drei Schwimmerinnen, die anonym bleiben wollen, berichten von Übergriffen durch einen Trainer im Nachwuchsbereich. "Er hat vor niemandem Halt gemacht", sagt eine von ihnen. Bis heute kann sie sich nicht mehr in einer Schwimmbadkabine umziehen.
Auch der ehemalige Leistungsschwimmer Till Michalak berichtet von Belästigungen durch einen ehemaligen Trainer. Bei den Olympischen Spielen 2021 in Tokio soll ARD-Recherchen zufolge ein Delegations-Mitglied des DSV zwei Frauen verbal belästigt haben.
Die ARD-Dokumentation zeichnet ein erschreckendes Bild des Schwimmsports
Im Februar sorgte der Fall von Stefan Lurz für Aufsehen. Der ehemalige Langstrecken-Bundestrainer wurde vom Amtsgericht Würzburg zu einer sechsmonatigen Bewährungsstrafe wegen des sexuellen Missbrauchs einer minderjährigen Leistungsschwimmerin in zwei Fällen verurteilt. Der viele Jahre am Bundesstützpunkt Würzburg tätige Lurz hatte sich bereits in der Vergangenheit mit einer anderen Schwimmerin aussergerichtlich geeinigt, die Vorwürfe der sexuellen Nötigung erhoben hatte.
Während der dreijährigen Bewährungszeit darf Lurz eigentlich weder beruflich noch ehrenamtlich als Schwimmtrainer tätig sein. Videoaufnahmen, die der ARD zugespielt wurden, zeigen Lurz aber auf dem Gelände des Schwimmvereins Würzburg 05. Den Recherchen zufolge soll der 45-Jährige dort wieder als kaufmännischer Angestellter beschäftigt sein.
Die ARD-Dokumentation zeichnet ein erschreckendes Bild des deutschen Schwimmsports. "Man ist es anderen für die Zukunft schuldig, dass man darüber spricht", sagt Jan Hempel. Auch weil bei ihm kürzlich Alzheimer diagnostiziert wurde, entschied sich Hempel, jetzt mit seinen Vorwürfen an die Öffentlichkeit zu gehen. Denn die Krankheit bedroht sein Erinnerungsvermögen. Was ihm angetan wurde, soll aber auf keinen Fall in Vergessenheit geraten. (Aktualisierung: jst/dpa)
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