• Nach dem Sturz-Chaos bei der Tour werden die üblichen Gründe aufgeführt.
  • Doch in diesem Fall trägt der Veranstalter mindestens eine Teilschuld.
  • Denn die Bedenken der Fahrer werden schlicht ignoriert.

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Die Stars der Tour de France treffen sich unfreiwillig beim Röntgen, die medizinischen Abteilungen schieben Überstunden: Nach den schlimmen Stürzen auf den ersten drei Etappen ist die Stimmung beim grössten Radsport-Spektakel der Welt im Keller.

Gefühlt lag das halbe Feld schon einmal auf dem rauen bretonischen Asphalt, da blieben selbst Protagonisten wie Primoz Roglic und Geraint Thomas nicht verschont. Das Zentralorgan "L'Équipe" schrieb süffisant von einer "Weltmeisterschaft im Domino". Die Kritik am Veranstalter ASO wird lauter, zumal Bedenken der Fahrer vor der dritten Etappe schlicht ignoriert wurden.

Greipel: "Mir fehlen da echt die Worte"

"Mir fehlen da echt die Worte, wie dieses Finale gestaltet worden ist. Es sah auf der Karte schon schlimm aus, aber live war es noch viel schlimmer", sagte ein sichtlich mitgenommener André Greipel.

Der 38-Jährige hat schon viel erlebt, nimmt zum zwölften Mal an der Tour teil. Doch dieses Mal war es auch ihm zu viel: "Man muss sich fragen, wo diese Sicherheitskommissäre sind."

Andere Fahrer wählten drastischere Worte. Ex-Weltmeister Michal Kwiatkowski sprach von "russischem Roulette", für den Kölner Nils Politt war die Streckenführung "einfach kriminell". Zumal die Fahrervereinigung CPA vor der Etappe bei der ASO vorstellig geworden war.

"Es wurde vorgeschlagen, die Zeit acht Kilometer vor dem Ziel zu nehmen. Das wurde abgelehnt", sagte Politt dem ZDF.

Auf Flachetappen wie jener nach Pontivy bekommen alle Fahrer nach der Drei-Kilometer-Marke dieselbe Zeit. Auf diese Regel verwies auch die ASO und stellte auf stur.

Streckenchef Thierry Gouvenou schaltete umgehend in den Verteidigungsmodus: "Es wird zunehmend schwerer, geeignete Zielorte zu finden. Es gibt einfach keine mittelgrosse Stadt ohne Verkehrsinsel, Kreisverkehr oder Strassenverengung mehr. Vor zehn Jahren hatten wir 1100 gefährliche Stellen bei der Tour. In diesem Jahr sind es 2.300."

Diskussion um die Sicherheit der Fahrer nimmt zu

Strassenmobiliar hin oder her, die ASO muss sich in diesem Fall dennoch fragen, ob eine kurvige Abfahrt auf schmalen Strassen wenige Kilometer vor der ersten Sprintentscheidung der 108. Tour wirklich sinnvoll war. "Hätte man hier eine fünf oder zehn Kilometer lange Schlussrunde gehabt, wäre die Abfahrt nicht so wichtig gewesen", sagte Roger Kluge in der ARD.

Der 35-Jährige war als Anfahrer für Caleb Ewan eingeplant, muss sich nun aber eine neue Aufgabe suchen. Denn auch der Sprintstar stürzte schwer und musste die Tour aufgeben.

Die Diskussion um die Sicherheit der Fahrer ist in den vergangenen Jahren intensiver geworden. Bessere Materialien für die Rennmaschinen sorgen mittlerweile dafür, dass in langen Abfahrten problemlos 90 Stundenkilometer und mehr erreicht werden.

Der Weltverband UCI verbot deshalb in diesem Jahr den "Supertuck", eine aerodynamische Haltung, bei der man auf dem Oberrohr des Rades sitzt. Zudem dürfen die Unterarme nicht mehr auf dem Lenker abgelegt werden, was bei langen, flachen Strecken von vielen Fahrer beliebt war.

Tour-Neuerungen stossen auf wenig Gegenliebe

Bei den Profis stiessen diese Neuerungen auf wenig Gegenliebe. Tony Martin bezeichnete sie bei der Deutschen Presse-Agentur vor der Tour als Aktionismus.

"Ich kenne niemanden, der gestürzt ist, weil er in einer Abfahrt auf dem Oberrohr sass oder in einer aerodynamischen Position auf dem Rad", sagte der 36-Jährige. "Aber schlecht abgesicherte Strecken mit unnötigen Hindernissen gibt es noch immer. Den grossen Sprung haben wir nicht gemacht. Manchmal macht mich das rat- und sprachlos."

Martin wird nach den ersten Tour-Tagen noch ratloser sein. Nicht nur, weil er selbst bereits mehrmals auf der Strasse lag. Auch sein Kapitän Roglic ist bereits schwer angeschlagen.

Der Top-Favorit erlitt eine Steissbeinprellung und Schürfwunden am ganzen Körper. Unter diesen Voraussetzungen ans Leistungslimit zu kommen, dürfte schon fast unmöglich sein. Das wird man womöglich schon am Mittwoch beim ersten Einzelzeitfahren der Tour sehen, in das Roglic unter normalen Umständen als einer der Favoriten gegangen wäre. (dpa/msc)

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