Umjubelter Held oder einsamster Spieler im Stadion - keine Position im American Football birgt eine grössere Fallhöhe als die des Kickers. Obwohl er nur einen kleinen Teil des Spiels auf dem Feld steht, kann sein Schuss den Unterschied zwischen Ekstase und Entsetzen bei Millionen Fans ausmachen.

Mehr News zum Thema Sport

Im Vorfeld des 59. Super Bowls zwischen den Kansas City Chiefs und den Philadelphia Eagles dominieren – neben US-Präsident Donald Trump, der die Partie besuchen wird – die üblichen Verdächtigen die Schlagzeilen: Patrick Mahomes, der Quarterback-Superstar der Chiefs, der sein Team in New Orleans zum dritten Titel in Serie führen will. Tight End Travis Kelce, einer der besten seiner Generation, der durch seine Beziehung zu US-Popstar Taylor Swift weit über die Football-Welt hinaus Berühmtheit erlangte. Und Saquon Barkley, der als erst neunter Running Back die 2000-Yards-Marke in einer Regular Season knackte und in den Playoffs bereits fünf Touchdowns für die Eagles erzielte.

Während sich der Fokus auf diese und weitere Topstars beider Mannschaften richtet, geraten zwei Spieler oft in den Hintergrund – obwohl sie in der Nacht von Sonntag auf Montag (MEZ) eine Schlüsselrolle spielen könnten: Harrison Butker von den Chiefs und Jake Elliott von den Eagles – zwei der besten Kicker der NFL.

Butker verwandelte in seiner Karriere beeindruckende 88,6 Prozent seiner Field-Goal-Versuche und rangiert damit knapp hinter Justin Tucker von den Baltimore Ravens (89,1 Prozent) auf Platz zwei der ewigen Bestenliste. Elliott belegt mit 84,8 Prozent den 24. Rang.

Im entscheidenden Moment abliefern

Auf den ersten Blick erscheinen die Aufgaben eines Kickers simpel: Kickoffs in die gegnerische Hälfte befördern sowie Field Goals und Extrapunkte verwandeln, indem sie den Football aus unterschiedlichen Entfernungen über die 3,05 Meter hohe Querlatte und durch die 5,64 Meter breiten Torpfosten in der Endzone schiessen.

Rund 85 Prozent der Field-Goal-Versuche, die einer Mannschaft drei Punkte bescheren, waren in der abgelaufenen Regular Season erfolgreich. Bei den Extrapunkten, die nach Touchdowns getreten werden können, liegt die Trefferquote bei etwa 96 Prozent.

Während der insgesamt rund drei Stunden, die ein Football-Spiel in der NFL brutto durchschnittlich dauert, stehen Kicker oftmals keine fünf Minuten aktiv auf dem Platz. Doch wenn sie gebraucht werden, müssen sie abliefern. "Es kommt darauf an, dass man sich als Kicker auf jeden einzelnen Schuss fokussiert – egal, ob es der erste oder der letzte im Spiel ist", erklärt der ehemalige NFL-Kicker Dominik Eberle im Gespräch mit unserer Redaktion. "In der NFL wird ein Kicker jede Woche neu bewertet. Egal, ob man einen Einjahresvertrag oder einen Zehnjahresvertrag hat – man ist nur so gut wie sein letzter Kick."

Eberle kennt die Schattenseite als NFL-Kicker

Feine Nuancen entscheiden darüber, ob ein Kicker sehr gut oder herausragend ist. "Jeder Kicker hat es schon einmal erlebt: Der Snap war nicht perfekt, der Hold war nicht ideal oder man rutscht leicht weg und trifft den Ball nicht sauber. Doch dass der Ball trotzdem durch die Stangen geht – das ist eine besondere Fähigkeit, die den Unterschied ausmacht", sagt Eberle, der sich während seiner Laufbahn auch intensiv mit der mentalen Seite seines Sports beschäftigt hat.

"Ich glaube, dass man sein Gehirn genauso trainieren kann wie seinen Körper. Als Leistungssportler kann man auf dem Feld nur so viel tun, bis der Körper an seine Grenzen stösst. Aber wie kann man sich darüber hinaus noch verbessern? Für mich war es immer wichtig, die richtige Balance zu finden – wie viel Training investiere ich physisch auf dem Feld oder im Fitnessstudio, und wie viel Zeit nehme ich mir für mentale Weiterentwicklung", sagt der gebürtige Fürther, der vor einigen Jahren seinen persönlichen NFL-Traum verwirklichte, aber auch schnell die Schattenseite dieses knallharten Geschäfts kennenlernte.

FAQ zum Super Bowl 2025

Alle Fragen und Antworten zum Super Bowl 2025

Im vergangenen Jahr haben in Deutschland über 2 Millionen Menschen den Super Bowl angesehen. Hier gibt es die wichtigsten Fragen und Antworten zum grössten Sport-Event der Welt.

Für die Houston Texans gab Eberle am 26. Dezember 2021 sein NFL-Debüt, verwandelte alle fünf Extrapunkte und zwei von drei Field Goals. Rund ein Jahr später folgte ein weiterer Auftritt im Trikot der Detroit Lions, bei dem ihm jedoch mehrere Fehler unterliefen – zwei vergebene Extrapunkte und ein ins Aus getretener Kickoff, der für eine gute Feldposition der gegnerischen Mannschaft sorgte.

Zwei Tage später folgte die Entlassung. "Ich bin überzeugt, dass ich bei den Lions eine weitere Chance genutzt hätte, wenn man mir eine gegeben hätte. Aber in der NFL kann ein einziges schlechtes Spiel dazu führen, dass man ersetzt wird – das gehört zum Geschäft", sagt Eberle rückblickend. Eine Rückkehr in die NFL blieb aus, stattdessen spielte er in der schwächer einzuschätzenden XFL und der europäischen ELF. Im November 2024 verkündete Eberle via Instagram im Alter von 28 Jahren sein Karriereende.

Faire Bezahlung im Millionen-Geschäft

Wie ihm erging es schon Hunderten von Kickern. Bei 32 NFL-Teams gibt es nur 32 Stammplätze, und jedes Jahr drängen neue hoffnungsvolle Talente aus dem College und dem Ausland auf ihre Chance, in der besten Liga der Welt Fuss zu fassen. Karrieren wie die von Butker oder Elliott, die seit 2017 bei ihren Mannschaften spielen, sind eher die Ausnahme.

Mit einem Jahresgehalt von 6,4 Millionen US-Dollar gehört Butker zu den bestbezahlten Kickern der Liga. Elliott verdient über vier Jahre insgesamt 24 Millionen US-Dollar – im Vergleich zu Quarterbacks wie Mahomes (450 Millionen US-Dollar über zehn Jahre) oder Eagles-Spielmacher Jalen Hurts (255 Millionen US-Dollar über sechs Jahre) ein Bruchteil.

Dennoch hält Eberle die Bezahlung für angemessen: "Es gibt Kicker wie Harrison Butker oder Justin Tucker, die in ihren Teams mehr verdienen als Running Backs. Dabei wird ein Running Back bei fast jedem Spielzug entweder getackelt oder muss blocken, während ein Kicker vielleicht drei Field Goals oder Extrapunkte im gesamten Spiel ausführt. Deshalb würde ich sagen: Die Kicker-Position ist definitiv mehr als gut bezahlt."

Helden und tragische Figuren

Wie wichtig ein zuverlässiger Kicker für den Super-Bowl-Erfolg sein kann, hat die NFL-Geschichte bereits gezeigt. Adam Vinatieri schoss die New England Patriots 2002 und 2004 mit Last-Minute-Field-Goals in den Endspielen gegen die St. Louis Rams und die Carolina Panthers zum Titel.

"Der wichtigste Punkt ist, Emotionen ausblenden zu können, denn Gefühle verwandeln den Kick nicht."

Dominik Eberle, ehemaliger NFL-Kicker

"Für mich war die Antizipation bei einem Game-Winning-Kick immer entscheidend. Man bleibt in seiner Routine, vertraut dem Prozess und macht alles genauso wie zuvor. Der wichtigste Punkt ist, Emotionen ausblenden zu können, denn Gefühle verwandeln den Kick nicht. Erst in dem Moment, in dem der Ball den Fuss verlässt und in der Luft ist, kann man die Emotionen wieder zulassen", erklärt Eberle.

Vinatieri ist es auch, der mit insgesamt 2673 erzielten Punkten den NFL-Rekord hält. Zum Vergleich: Wide-Receiver-Legende Jerry Rice, der erfolgreichste Nicht-Kicker der Liga, kommt auf 1256 Punkte – weniger als die Hälfte.

Lesen Sie auch

Doch wo es Helden-Geschichten gibt, gibt es auch Tragödien. Im Januar 1991 wurde Scott Norwood zur tragischen Figur, als er im Super Bowl acht Sekunden vor Schluss das potenziell siegbringende Field Goal für die Buffalo Bills aus 47 Yards vergab. Sein Fehlschuss, bekannt als "Wide Right", besiegelte die 19:20-Niederlage gegen die New York Giants. Die Bills verloren auch die drei darauffolgenden Super Bowls und haben bis heute keinen Titel gewonnen.

Es sind Momente wie diese, die verdeutlichen, wie wichtig Kicker sein können – und wie ein einziger Schuss über Triumph und Trauer entscheiden kann.

Über die Person

  • Dominik Eberle ist ein ehemaliger NFL-Kicker, der unter anderem für die Houston Texans und Detroit Lions unter Vertrag stand. Nach seiner aktiven Karriere teilt er bei "Football Bromance" seine Expertise und analysiert aktuelle NFL-Themen. Zudem moderiert er gemeinsam mit Tim Hanswillemenke den Football-Podcast "Bromance State University".

Verwendete Quellen

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.