Vorläufe um 13 Uhr, Finalschwimmen um 22 Uhr: Nicht nur unseren Schwimmern wird es bei der diesjährigen Olympiade nicht leicht gemacht. Weil der Rechteinhaber NBC seinem Publikum die Wettkämpfe zur besten Sendezeit zeigen will, wird die innere Uhr unserer Sportler kräftig durcheinander geschüttelt. Wie können sie trotzdem Höchstleistungen erbringen?

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Dr. Hans-Günter Weess, seit 2008 Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM), weiss, wie die Sportler ihre Körper optimal auf die ungewöhnlichen Wettkampfzeiten vorbereiten.

Herr Dr. Weess, was ist für den Körper die grössere Herausforderung: Die Vorläufe um 13 Uhr oder die Finalschwimmen um 22 Uhr?

Dr. Hans-Günter Weess: Das ist von Sportler zu Sportler unterschiedlich. Wenn es um den Schlaf-Wach-Rhythmus geht, dann unterscheiden wir zwischen den Lerchen und den Eulen. Die Lerchen sind morgens früh wach, haben ihr Leistungshoch bereits am frühen Vormittag, werden aber abends auch früh wieder müde.

Die Eule schläft morgens gerne aus, ist erst später am Tag leistungsfähig und kann abends gut lange aufbleiben. Deshalb lässt sich das pauschal nicht beantworten. Wichtig ist, dass jeder Sportler seinen Tagesrhythmus individuell so optimiert, dass er zur vorgegebenen Zeit die beste Leistung erbringen kann.

Was sind die grössten Herausforderungen für die Sportler in Rio in Bezug auf ihren Tagesrhythmus?

Grundsätzlich gibt es zwei Probleme, denn neben den späten Wettkampfzeiten beeinflusst auch die Zeitverschiebung den Rhythmus der Betreffenden. Wenn die Sportler aus Europa nach Brasilien gehen, dann haben sie eine Zeitverschiebung von fünf Stunden. Für jede Stunde braucht der Körper einen Tag, um sich daran zu gewöhnen.

Wenn es allerdings darum geht, sportliche Höchstleistungen zu erbringen, dann reichen fünf Tage sicher nicht aus. Dann lässt sich die Zeitverschiebung am besten dadurch kompensieren, dass man sich möglichst früh an den Wettkampfort begibt, um sich dort an den örtlichen Hell-Dunkel-Rhythmus zu gewöhnen.

Die Schwimmer sind seit drei Wochen vor Ort, um sich optimal auf die Bedingungen vor Ort einzustellen. Was könnte ihnen noch helfen, um ihren Biorhythmus auszutricksen und zur richtigen Zeit Höchstleistung zu bringen?

Der Rhythmus unseres Körpers orientiert sich an dem Hell-Dunkel-Rhythmus. In Brasilien wird es momentan um 6:30 Uhr hell, dafür geht die Sonne schon um 17:30 Uhr wieder unter. Wenn die Sportler aber erst zwischen 13 und 22 Uhr ihre Höchstleistung erbringen wollen, dann wäre es sinnvoll, dass sie ihren individuellen Hell-Dunkel-Rhythmus künstlich nach hinten verschieben: Indem sie sich morgens länger in abgedunkelten Räumen aufhalten und später am Tag künstliches Licht in Form von Tageslichtlampen einsetzen.

Der Schwimmer Paul Biedermann benutzt Oropax, Schlafbrille und dichtet seine Fenster mit Alufolie ab, um seine Nacht nach hinten zu verschieben. Trotzdem stellt sich die Frage: Wie gut kann er überhaupt schlafen, nachdem er um 22 Uhr noch bei einem Wettkampf angetreten ist?

Wenn sein Körper um 22 Uhr noch Hochleistung erbringt, dann kann er sich sicherlich nicht direkt danach schlafen legen. Denn zu der körperlichen Anstrengung kommt ja auch noch die psychische und emotionale Aufregung hinzu. Da dauert es sicherlich mindestens zwei Stunden, bis der Entspannungszustand einsetzt. Nach der gründlichen Vorbereitung und der Umstellung seines Körpers auf den neuen Rhythmus sollte aber auch das spätere Zubettgehen für den Betreffenden kein Problem mehr sein: Für ihn ist es um 22 Uhr subjektiv betrachtet ja sowieso noch früher am Tag.

Zur Person: Dr. Hans-Günter Weess ist seit 2008 Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM).
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