Schwimmerin Isabel Gose gewann bei den Olympischen Sommerspielen in Paris die Bronzemedaille. Im Interview mit unserer Redaktion spricht die 22-Jährige über das Erlebnis Olympia, das Leben als Leistungssportlerin und die Gehaltsunterschiede zum Fussball oder Tennis.

Ein Interview

Frau Gose, haben Sie bereits einen guten Platz für Ihre Bronzemedaille gefunden?

Isabel Gose: Sie liegt bei mir zu Hause in Magdeburg. Ich muss mit der Medaille leider vorsichtig sein, weil es qualitative Probleme mit den Bronzemedaillen gibt und diese ein bisschen abblättern. Das fängt bei mir auch schon ein bisschen an.

Wie blicken Sie allgemein auf das Gesamterlebnis Olympia zurück?

Das waren ganz, ganz aufregende Wochen. Wir waren ja wirklich von Anfang bis Ende in Paris, und so viel Anspannung und Euphorie habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht verspürt. Ich bin froh, dass ich das so gut absolviert habe. Nach meinem letzten Wettkampftag hatte ich zwei Tage, an denen diese ganze Euphorie einfach abgefallen ist und ich gar nichts mehr gefühlt habe. Es war gut, dass ich danach noch einige Medientermine hatte, sodass ich nicht in ein Loch fiel.

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Isabel Gose zeigt die Bronzemedaille nach ihrem Wettkampf im 1.500m Freistil-Finale der Frauen während der Olympischen Spiele Paris 2024 © IMAGO/Eibner-Pressefoto/Jo Kleindl

Viel Taktik und Zuversicht verhelfen zum Sieg

Sprechen wir über den Finallauf über 1.500 Meter, bei dem Sie die Bronzemedaille gewannen. Sie pendelten immer zwischen Platz drei und vier, ehe Sie zum Schlussspurt anlegten und sich den dritten Platz sicherten. Wie viel Taktik steckt im Schwimmen?

In 1.500 Meter steckt schon viel Taktik. Man hat so viel Zeit und ist 16 Minuten für sich alleine im Wasser. Trotzdem kann es am Ende auf Hundertstelsekunden angekommen. Die Leute, die sich das Ganze angeschaut haben, waren natürlich nervös und haben sich gedacht: Schafft sie das? Aber ich bin ins Wasser gesprungen, und die ersten 200 Meter gaben mir so viel Sicherheit. Ich wusste: Das ist heute mein Tag, heute schaffe ich das! Es war eines der schönsten Rennen, das ich jemals gemacht habe.

Wie viel Überblick hat man als Schwimmerin während eines Rennens überhaupt? Weiss man, wo man sich im Vergleich zu den anderen Schwimmerinnen befindet?

Ja, definitiv. Man kann die anderen Mädels irgendwann einschätzen, weil wir ja in den letzten Monaten öfter gegeneinander geschwommen sind. Wir waren im Endlauf vier Mädels, die sich relativ schnell abgesetzt haben, dadurch hatte ich die anderen Drei gut im Blick. Katie Ledecky (die Olympiasiegerin, Anm.d.Red.) war natürlich vorneweg, aber ich habe immer darauf geschaut, wann sie mir nach der Wende wieder entgegenkommt. Eigentlich darf ich das gar nicht so laut sagen, weil mein Trainer immer sagt, ich soll mein eigenes Rennen schwimmen. Aber man schaut eben doch auf die anderen.

Warum gilt die Innenbahn im Schwimmsport als so viel besser als die Aussenbahn?

Man hat einfach den besseren Überblick. Wenn man die Konkurrenten sieht und nahe bei sich hat, nimmt man den Schwung mit und pusht sich unbewusst gegenseitig. Bei mir ist es allerdings so, dass ich eine Dreieratmung habe, also auf beiden Seiten Luft hole. Daher hätte ich auch auf der Aussenbahn das ganze Feld im Blick. Aber viele atmen nur auf einer Seite und haben dabei ihre Schokoladenseite, die sie bevorzugen. Dann kann eine Aussenbahn ungünstig sein.

Deutscher Schwimmsport steigerte sich seit Tokio 2021

Der deutsche Schwimmsport gewann im Beckenschwimmen genauso wie bei Olympia in Tokio 2021 zwei Medaillen. Allerdings war durch Lukas Märtens auch eine Goldmedaille dabei. Zudem waren 17 Deutsche in den Endläufen, nachdem es in Tokio lediglich acht waren. War Olympia für den deutschen Schwimmsport ein Erfolg?

Definitiv. Das Fazit zur Gesamtbilanz ist sehr positiv, wir haben einen Schritt nach vorne gemacht. Es waren ja auch viele vierte und fünfte Plätze dabei. Und wenn man im Endlauf steht, also zu den acht schnellsten Schwimmern der Welt gehört, ist das ein Erfolg, den man würdigen muss. Ich hoffe, dass wir diesen Schwung mit in die nächsten Saisonhöhepunkte nehmen können.

Rund um die Olympischen Sommerspiele war die finanzielle Entlohnung der Athleten ein grosses Thema. Wie gut kann man vom Schwimmen leben, wenn man wie Sie zur Weltspitze gehört?

Das kann man so pauschal nicht beantworten. Wenn man das mit manch anderen Sportarten wie zum Beispiel Fussball oder Tennis vergleicht, sind da ganz grosse Unterschiede. Ein Grund dafür ist, dass unser Sport nicht ständig in den Medien präsent ist. Während der Olympischen Spiele standen wir im Fokus. Aber nach zwei, drei Monaten rückt unser Sport wieder in den Hintergrund. Das Problem im Schwimmsport ist, dass viele schon früher mit dem Sport aufhören, weil im Kindesalter die Förderung fehlt. Ich persönlich möchte mich aber nicht beschweren. Ich freue mich, dass ich mein Hobby zum Beruf machen konnte und ich eine Förderung bekomme und Sponsoren habe. Auch wenn ich dabei nicht so viel verdiene wie in manch anderen Sportarten.

Ihre Einnahmen generieren Sie aus der Deutschen Sporthilfe und aus Sponsoreneinnahmen?

Ja, es kommen unterschiedliche Komponenten zusammen, daher lässt sich das nicht über einen Kamm scheren. Neben der Unterstützung der Deutschen Sporthilfe kommen Sponsorengelder und Preisgelder dazu. Das ist natürlich von der Leistung abhängig.

Wie viel Aufwand steckt hinter dem Leistungssport? Wie sieht zum Beispiel ein typischer Trainingstag aus?

Ich halte mich ungefähr sieben, acht Stunden am Tag in der Schwimmhalle auf. Wir haben erst einmal eine halbe Stunde Aufwärmen, dann sind wir zwei Stunden im Wasser, dann folgt eine halbe Stunde Nachbereitung, ehe wir eine kleine Mittagspause haben. Am Nachmittag folgen dann eineinhalb Stunden Fitness-Training, zum Beispiel Ergo-Training, Ausdauertraining oder Rumpftraining. Danach geht es noch einmal zwei Stunden ins Wasser, ehe dann wieder eine halbe Stunde Nachbereitung folgt. Das machen wir fünfmal die Woche. Daher haben wir eine relativ normale Arbeitswoche.

Mit zwölf Jahren schon auf dem Weg einer Siegerin

Wie sehr haben Sie bereits in der Kindheit und Jugend Ihr Leben auf den Sport ausgerichtet?

Ich habe schon sehr früh mein ganzes Leben darauf ausgerichtet. Es ist allerdings nicht so, dass man ab einem gewissen Moment sagt, jetzt werde ich Leistungssportlerin. Man rutscht in diese Sache Step-by-Step hinein, wenn man die ersten Erfolge hat und in die nächsthöhere Trainingsgruppe kommt. Ich bin dann bereits mit zwölf Jahren zu Hause ausgezogen und in ein Sportinternat gegangen. Man verzichtet natürlich auf andere Dinge. Wobei ich nicht weiss, ob man wirklich von Verzicht sprechen kann, weil man es nicht anders kennt und auch dankbar dafür ist, dass man so ein spezielles Leben führen darf.

War es nicht schwer, bereits mit zwölf Jahren das Elternhaus zu verlassen?

Es war eigentlich nie so ein Problem für mich, weil ich in Potsdam auf die Sportschule ging, also ganz in der Nähe von meiner Heimat Berlin. Schwieriger wurde es, als ich mit 15, 16 Jahren nach Heidelberg gewechselt bin. Ich habe meine Familie in dieser Zeit nur drei- oder viermal im Jahr gesehen. Auch in der Trainingsgruppe lief nicht alles so wie gewünscht. Daher hatte ich ein bisschen mit Heimweh zu kämpfen.

Sprechen wir abschliessend noch einmal über die Schwimmanzüge, die mit einem normalen Badeanzug auf den ersten Blick wenig gemeinsam haben. Sie tragen einen Badeanzug von der Marke Speedo. Welchen Einfluss haben die Schwimmanzüge?

Die Schwimmanzüge spielen eine Rolle und dabei muss jeder für sich den richtigen finden. Der Schwimmanzug muss einem ein gutes Gefühl geben, indem man hoch auf dem Wasser liegt und dadurch so wenig Wasserwiderstand wie möglich erzeugt. Es ist nicht mehr vergleichbar mit den Wunderanzügen von früher, die aus gutem Grund abgeschafft wurden. Dennoch ist man mit einem modernen Schwimmanzug ein paar Sekunden schneller als mit einem normalen Badeanzug.

Wenn man keinen modernen Schwimmanzug besitzt und dennoch schnell im Wasser unterwegs sein möchte: Empfehlen Sie eher einen Badeanzug oder einen Bikini?

Im Bikini ist man definitiv langsamer, weil der Bauch nicht bedeckt ist. Wenn ich mal einen Bikini trage, gelangt bei mir immer viel Wasser in die Hose. Das macht einen langsamer. Deshalb bevorzuge ich einen Badeanzug, wenn wir zum Beispiel mal in der Sonne trainieren.

Über die Gesprächspartnerin

  • Isabel Gose (Jahrgang 2002) ging bereits im Alter von zwölf Jahren (2014) auf die Sportschule Potsdam. Bei den Europameisterschaften 2022 gewann sie die Goldmedaille in 400 Meter Freistil. Zudem holte sie bei Europameisterschaften eine Silber- und zwei Bronzemedaillen, bei den Weltmeisterschaften zudem eine Silber- und zwei Bronzemedaillen. Bei den Olympischen Sommerspielen in Paris gewann sie Bronze über 1.500 Meter Freistil.
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